Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Sozialministeriums einen Konsumenten unterstützt, der zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert und mit einer Forderung von EUR 399,- konfrontiert wurde. Seine Gattin hatte einige Tage zuvor ihren betagten Vater aus dem Krankenhaus abgeholt und hatte dabei für wenige Minuten aus Parkplatzmangel auf einem Behindertenparkplatz geparkt. Als sie mit ihrem Vater aus dem Krankenhaus kam, war ein Abschleppwagen vor Ort. Die Konsumentin erklärte ihre Situation und konnte das Auto selbst vom Parkplatz entfernen.
Die Besitzstörung gestanden die Konsumenten natürlich sofort zu. Parken auf einem privaten Behindertenparkplatz verstößt, wenn man nicht über eine Berechtigung verfügt, jedenfalls gegen die Nutzungsordnung und stellt daher eine Besitzstörungshandlung dar. Auch zur Abgabe einer Unterlassungserklärung erklärten sich die Konsumenten selbstverständlich bereit. Knapp EUR 400,- kamen ihnen aber überhöht vor. Sie gaben daher nach Rücksprache mit dem VKI eine Unterlassungserklärung ab und bezahlten EUR 100,- und die restlichen EUR 299,- unter Vorbehalt der rechtlichen Klärung.
Anschließend prüfte der VKI den Sachverhalt noch einmal genau und kam zum Schluss, dass Kosten von über EUR 100,- durch die Besitzstörung nicht angefallen sein konnten. Der VKI unterstützte die Konsumenten daher dabei, die unter Vorbehalt geleistete Zahlung zurückzuerlangen.
Das Bezirksgericht Liesing, als Gericht erster Instanz, wies die Klage ab. Die Konsumenten sollten nichts zurückbekommen. Eine Rechtmeinung die der VKI nicht teilte. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gab dem VKI Recht. Im Urteil stellt das Gericht ausführlich die Rechtslage in solchen Fällen dar:
Zum Abschleppen von einem privaten Behindertenparkplatz:
Das Abschleppen von einem Behindertenparkplatz auf einem Krankenhausareal ist nach Ansicht des Gerichts nur deshalb gerechtfertigt, weil der zu sichernde Anspruch bestand, die behördliche Hilfe nicht rechtzeitig gewesen wäre und der Eingriff im konkreten Fall bei der gebotenen Abwägung der wechselseitigen Interessen nicht übermäßig war.
Zum Kostenanspruch:
Nach ständiger Rechtsprechung hat der in seinem Besitz Gestörte Anspruch auf Ersatz der notwendigen Verteidigungs- und Rechtsverfolgungskosten sowie auch gegebenenfalls der Abschleppkosten. Dieser Anspruch bezieht sich aber nur auf die von der konkreten Besitzstörung verursachten Aufwendungen. Drunter fällt aber nicht der Ersatz von sogenannten „Vorsorgekosten“, also solche Kosten, die anfallen um Mitarbeiter und ein Abschleppfahrzeug vor Ort zu haben, um die notwendigen Abschleppungen vorzunehmen, und Büropersonal zur administrativen Verfolgung entsprechender Besitzstörungen zu beschäftigen.
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof, hält das Gericht fest, dass die Ersatzfähigkeit von vorab getätigten Abwehrmaßnahmen dann abgelehnt wird, wenn diese Ausdruck einer allgemeinen Gefahrenabwehr sind, die nicht mit einem konkreten haftungsrechtlich zurechenbaren Verhalten einer bestimmten Person vorab im Zusammenhang stehen und die nicht wegen einer konkret drohenden Schädigung (durch einen bestimmten Schädiger) erfolgen.
Das bedeutet im konkreten Fall:
Das Abschleppunternehmen hätte aufgrund der Vereinbarung mit dem Krankenhaus auch Maßnahmen zur Parkraumüberwachung setzen müssen, darunter auch die ständige Anwesenheit eines Mitarbeiters mit Abschleppfahrzeug vor Ort, wenn es nicht zur Besitzstörung durch die Konsumentin gekommen wäre. Die Kosten für Maßnahmen, die unabhängig von der Störungshandlung angefallen wären, können daher mangels Kausalität des besitzstörerischen Verhaltens nicht dem Störer angelastet werden.
Das Abschleppunternehmen hatte keine konkreten, betraglich zuordenbare Aufwendungen genannt, die durch die gegenständliche Besitzstörung entstanden wären. Selbst für die An- und Abfahrt des Abschleppwagens innerhalb des Krankenhausareals konkret verursachte Kosten sind nicht betragsmäßig aufgeschlüsselt worden. Das Gericht konnte damit keinen ersatzfähigen Schaden des Abschleppunternehmens feststellen.
Zur Höhe der Rechtsanwaltskosten:
Zu den Rechtsanwaltskosten, die für das Aufforderungsschreiben an den Konsumenten anfielen, hält das Gericht fest, dass diese grundsätzlich zu ersetzen sind, allerdings nicht in der vom Abschleppunternehmen geforderten Höhe von EUR 144,-. Die ersatzfähigen Kosten für die Tätigkeit des Rechtsanwalts haben sich nämlich am Rechtsanwaltstarifgesetz zu orientieren, auch wenn aufgrund einer Vereinbarung höhere Kosten an den Rechtsanwalt bezahlt wurden. Das Gericht stellt eine exakte Berechnung an und kommt auf einen Anspruch von EUR 67,58 inklusive Steuerern und Kosten für die Lenkererhebung. (Bitte beachten Sie dazu das Update unten.)
Da die Konsumenten EUR 100,- an Kosten vorbehaltslos bezahlt haben und ansonsten keine konkreten Kosten feststellbar waren oder auch nur genannt wurden, kam das Gericht zum Schluss, dass die Konsumenten den unter Vorbehalt bezahlten Betrag von EUR 299,- zurückerhalten müssen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
LGZ Wien 08.09.2021, 35 R 126/21w
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
Update: Nach unserer Berechnung müsste der Anspruch aufgrund der Berechnungsmethode des Gerichts derzeit rund EUR 86,- betragen (Stand: 7.11.2022).
Anmerkung: Die Anwalts- und Gerichtskosten, die mit einer Besitzstörungsklage verbunden sind, liegen deutlich über dem Betrag den die Konsumenten hier zahlen müssen. Besitzstörungshandlungen können erhebliche Kostenfolgen haben!
Hinweis: Das Urteil betrifft nicht bereits vorbehaltslos geleistete Zahlungen.