Zum Inhalt
VW erstes Urteil
VW-Abgasskandal: niedriger Schadenersatz - Urteil in St. Pölten. Bild: NordStock/Shutterstock

Erste inhaltliche Entscheidung des OGH zum VW-Abgasskandal- Händler muss Kaufpreis erstatten

Der Oberste Gerichtshof (OGH) entschied erstmals inhaltlich über Fragen des VW-Abgasskandals. Der beklagte Händler muss das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis samt Zinsen ersetzen. Der Kläger muss sich ein nach gefahrenen Kilometern berechnetes Benutzungsentgelt anrechnen lassen. Laut OGH wurde der Mangel der ursprünglichen Manipulationssoftware durch das Software-Update nicht behoben, da durch das “Thermofenster” weiterhin eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt.

Der Kläger kaufte am 31. März 2015 einen mit dem vom Abgasskandal betroffenen Motortyp EA 189 ausgestatteten VW Tiguan um € 26 890,-. Er ließ das angebotene Software-Update nicht durchführen, da dies für ihn keine Lösung darstellte. 

Der Kläger begehrte gegenüber dem Händler die Aufhebung des Kaufvertrags. Gegen den Händler und VW richtete sich sein Begehren auf Zahlung von € 22.201,76 (Kaufpreis abzüglich eines Benützungsentgelts von € 4.688,24) plus Zinsen Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeuges. 

Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab. Das Berufungsgericht unterbrach zunächst bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Anschließend hob es das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dagegen richtete sich der Rekurs des Klägers, mit dem er beantragte, der OGH möge in der Sache selbst entscheiden.

Der OGH unterbrach das Verfahren gegen VW bis zur Entscheidung des EuGH in der Sache QB gegen Mercedes-Benz Group AG C-100/21.

Gegenüber dem Händler hielt der OGH  die Sache für spruchreif und entschied in der Sache selbst. Er geht davon aus, dass das Vorhandensein der aus dem Abgasskandal bekannten “Umschaltlogik” im Übergabezeitpunkt einen Mangel im Sinne des § 922 ABGB begründet und als Sachmangel zu qualifizieren ist.

In weiterer Folge stellte sich dem OGH die Frage, ob der Mangel behebbar wäre und daher zunächst nur ein Verbesserungsanspruch bestehen würde.

Eine Verbesserung würde voraussetzen, dass das Fahrzeug nach Durchführung der Verbesserung nicht mehr mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Das angebotene Software-Update kann laut OGH diesen Zustand nicht herstellen.

Nach Durchführung des Software-Updates bleibt das sogenannte “Thermofenster” bestehen. Dabei handelt es sich um eine Abschalteinrichtung, die dazu dient, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich zwischen 15 und 33 Grad Celsius erfolgt. Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn nachgewiesen ist, dass sie ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführsystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden. Die Risiken müssen so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit der Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen.

Die Abschalteinrichtung ist nur dann notwendig, wenn keine andere technische Lösung diese Risiken abwenden kann.

Darüber hinaus hat der EuGH klargestellt, dass eine solche Abschalteinrichtung jedenfalls unzulässig ist, wenn sie den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor vor den beschriebenen Risiken zu schützen.

Aufgrund des schlüssigen Tatsachengeständnisses des Händlers und von VW steht fest, dass die Abgasrückführung beim vorliegenden Fahrzeugtyp nach dem Software-Update aufgrund der im deutschsprachigen Raum herrschenden klimatischen Verhältnisse nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist. Im übrigen, überwiegenden Teil des Jahres wäre die Abgasrückführung hingegen durch die programmierte Abschalteinrichtung reduziert.

Daraus ergibt sich, dass das Fahrzeug des Klägers auch nach dem Software-Update noch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Eine Verbesserung des ursprünglichen Mangels durch das Software-Update ist daher nicht möglich. Da der vorliegende Mangel nach der Entscheidung des EuGH zu C-145/20 auch nicht geringfügig ist, ist die geltend gemachte Wandlung des Klägers berechtigt.

Der Kläger muss sich ein nach gefahrenen Kilometern berechnetes Benützungsentgelt anrechnen lassen. Der Händler muss Vergütungszinsen ab dem Kaufzeitpunkt bezahlen.

Der Kaufvertrag wird daher aufgehoben und der Händler muss dem Kläger den Kaufpreis samt Zinsen abzüglich des Benützungsentgelts Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges bezahlen.

OGH 21. Februar 2023, 10 Ob 2/23a

 

 

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Gerichtlicher Unterlassungsvergleich mit MyTrip

Gerichtlicher Unterlassungsvergleich mit MyTrip

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums MyTrip (OY SRG FINLAND AB) wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt, wobei 33 Klauseln, darunter unzulässige Gutscheinregelungen, Haftungsbeschränkungen, Bearbeitungs- und Servicegebühren beanstandet wurden. MyTrip ließ es nicht auf ein Urteil ankommen und erklärte sich zu einem gerichtlichen Unterlassungsvergleich bereit. Der Vergleich ist rechtskräftig.

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Dezember 2022 im Auftrag des Sozialministeriums die „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt, wobei 25 Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw der „Bedingungen Annullierungsvertrag“ beanstandet wurden. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes Korneuburg und erklärte alle 25 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

Eine Rechtsanwaltskanzlei hatte eine einstweilige Verfügung (eV) gegen die Zupf di Besitzschutz GmbH begehrt, wonach diese die von ihr kommerziell betriebene Abmahnpraxis bei behaupteten Besitzstörungen zu unterlassen habe. Die Antragsgegnerin hatte eine Website (zupfdi.at) betrieben, bei der Betroffene eine Besitzstörung durch das widerrechtliche Abstellen von Kfz melden und deren Ansprüche an die Antragsgegnerin abtreten konnten, woraufhin diese Abmahnschreiben an die (vermeintlichen) Besitzstörer versandte. Der OGH gab der Antragstellerin mit Beschluss vom 25.01.2024 recht und erließ die eV; das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in der betriebenen Form ist somit unzulässig. Der Beschluss des OGH ist rechtskräftig.

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Art 12 Abs 2 Pauschalreise-RL ist dahingehend auszulegen, dass für die Feststellung, ob „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung „die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“, nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang