Der Kläger kaufte am 31. März 2015 einen mit dem vom Abgasskandal betroffenen Motortyp EA 189 ausgestatteten VW Tiguan um € 26 890,-. Er ließ das angebotene Software-Update nicht durchführen, da dies für ihn keine Lösung darstellte.
Der Kläger begehrte gegenüber dem Händler die Aufhebung des Kaufvertrags. Gegen den Händler und VW richtete sich sein Begehren auf Zahlung von € 22.201,76 (Kaufpreis abzüglich eines Benützungsentgelts von € 4.688,24) plus Zinsen Zug um Zug gegen die Rückgabe des Fahrzeuges.
Das Erstgericht wies sämtliche Begehren ab. Das Berufungsgericht unterbrach zunächst bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Anschließend hob es das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Dagegen richtete sich der Rekurs des Klägers, mit dem er beantragte, der OGH möge in der Sache selbst entscheiden.
Der OGH unterbrach das Verfahren gegen VW bis zur Entscheidung des EuGH in der Sache QB gegen Mercedes-Benz Group AG C-100/21.
Gegenüber dem Händler hielt der OGH die Sache für spruchreif und entschied in der Sache selbst. Er geht davon aus, dass das Vorhandensein der aus dem Abgasskandal bekannten “Umschaltlogik” im Übergabezeitpunkt einen Mangel im Sinne des § 922 ABGB begründet und als Sachmangel zu qualifizieren ist.
In weiterer Folge stellte sich dem OGH die Frage, ob der Mangel behebbar wäre und daher zunächst nur ein Verbesserungsanspruch bestehen würde.
Eine Verbesserung würde voraussetzen, dass das Fahrzeug nach Durchführung der Verbesserung nicht mehr mit einer verbotenen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Das angebotene Software-Update kann laut OGH diesen Zustand nicht herstellen.
Nach Durchführung des Software-Updates bleibt das sogenannte “Thermofenster” bestehen. Dabei handelt es sich um eine Abschalteinrichtung, die dazu dient, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich zwischen 15 und 33 Grad Celsius erfolgt. Eine solche Abschalteinrichtung ist nur dann ausnahmsweise zulässig, wenn nachgewiesen ist, dass sie ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des Abgasrückführsystems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu vermeiden. Die Risiken müssen so schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit der Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen.
Die Abschalteinrichtung ist nur dann notwendig, wenn keine andere technische Lösung diese Risiken abwenden kann.
Darüber hinaus hat der EuGH klargestellt, dass eine solche Abschalteinrichtung jedenfalls unzulässig ist, wenn sie den überwiegenden Teil des Jahres funktionieren müsste, um den Motor vor den beschriebenen Risiken zu schützen.
Aufgrund des schlüssigen Tatsachengeständnisses des Händlers und von VW steht fest, dass die Abgasrückführung beim vorliegenden Fahrzeugtyp nach dem Software-Update aufgrund der im deutschsprachigen Raum herrschenden klimatischen Verhältnisse nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist. Im übrigen, überwiegenden Teil des Jahres wäre die Abgasrückführung hingegen durch die programmierte Abschalteinrichtung reduziert.
Daraus ergibt sich, dass das Fahrzeug des Klägers auch nach dem Software-Update noch mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet wäre. Eine Verbesserung des ursprünglichen Mangels durch das Software-Update ist daher nicht möglich. Da der vorliegende Mangel nach der Entscheidung des EuGH zu C-145/20 auch nicht geringfügig ist, ist die geltend gemachte Wandlung des Klägers berechtigt.
Der Kläger muss sich ein nach gefahrenen Kilometern berechnetes Benützungsentgelt anrechnen lassen. Der Händler muss Vergütungszinsen ab dem Kaufzeitpunkt bezahlen.
Der Kaufvertrag wird daher aufgehoben und der Händler muss dem Kläger den Kaufpreis samt Zinsen abzüglich des Benützungsentgelts Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeuges bezahlen.
OGH 21. Februar 2023, 10 Ob 2/23a