Zum Inhalt

EuGH: Kein Rücktrittsrecht bei Kartenkauf über Vermittler

Verbraucher:innen, die mit einem Vermittler einen Fernabsatzvertrag über ein Veranstaltungsticket abgeschlossen haben, können von diesem Vertrag nicht zurücktreten, wenn den Veranstalter das wirtschaftliche Risiko des Rücktritts treffen würde.

Ein Verbraucher bestellte über eine von CTS Eventim, einer Ticketsystemdienstleisterin, betriebene Online-Buchungsplattform Eintrittskarten zu einem von einem Dritten veranstalteten Konzert. Dieses Konzert wurde wegen Einschränkungen, die die deutschen Behörden im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie erlassen hatten, abgesagt.

Der Konsument verlangte von CTS Eventim die Rückzahlung des Kaufpreises für die Eintrittskarten und der zusätzlichen Kosten. CTS Eventim versandte im Einklang mit der deutschen Regelung über die Absage von Freizeitbetätigungen iZm der Covid-19-Pandemie im Auftrag des Konzertveranstalters einen von diesem ausgestellten Gutschein, der dem Kaufpreis der Eintrittskarten entsprach.

CTS Eventim verkauft Eintrittskarten im eigenen Namen, aber für Rechnung des Veranstalters.

Im Verfahren ging es nun um die Frage, ob dem Konsumenten hier das Rücktrittsrecht von einem Fernabsatzgeschäft zustand. Es gibt Ausnahmefälle, in denen Verbraucher:innen kein Rücktrittsrecht bei einem über den Fernabsatz abgeschlossenen Vertrag haben. So steht Verbraucher:innen kein Rücktrittsrecht zu bei Verträgen über Dienstleistungen im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen, sofern der Vertrag für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht (Art 16 lit l VRRL 2011/83/EU; [Anm: vgl § 18 Abs 1 Z 10 FAGG]).

Dienstleistung im Zusammenhang mit Freizeitbetätigungen

Da Art 16 lit l der RL 2011/83 grundsätzlich alle Dienstleistungen erfasst, die im Bereich der Freizeitbetätigungen erbracht werden, ergibt sich aus der Verwendung des Begriffs „Zusammenhang“, dass sich die in dieser Bestimmung vorgesehene Ausnahme nicht allein auf Dienstleistungen beschränkt, mit denen unmittelbar eine Freizeitbetätigung als solche durchgeführt werden soll.

Daher stellt eine Abtretung eines Rechts auf Zugang zu einer Freizeitbetätigung als solche eine Dienstleistung im Zusammenhang mit dieser Betätigung iSv Art 16 lit l der RL 2011/83 dar.

Die in Art 16 lit l der RL 2011/83 vorgesehene Ausnahme vom Widerrufsrecht kann nur für Dienstleistungen gelten, in denen dem Veranstalter bei Rücktritt durch Verbraucher:innen das Risiko in Verbindung mit der Bereitstellung der hierdurch frei gewordenen Kapazitäten auferlegen würde. Es ist unerheblich, ob es dem Unternehmer gegebenenfalls möglich wäre, zu dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, die dadurch frei gewordenen Kapazitäten anderweitig zu nutzen, ua, indem er die betreffenden Eintrittskarten an andere Kunden weiterverkauft. Die Anwendung von Art 16 lit l der RL 2011/83 kann nämlich nicht von einer solchen Beurteilung der Umstände des Einzelfalls abhängen.

Im konkreten Fall ist der Veranstalter verpflichtet, CTS Eventim in dem Fall, dass ein Käufer die Rückzahlung des Preises einer Eintrittskarte fordert, von jeder Haftung freizustellen. Im Fall der Auflösung des Vertrags infolge eines Widerrufs durch den Verbraucher wäre es demnach Sache des Konzertveranstalters, dem Verbraucher den Kaufpreis für die von CTS Eventim erworbenen Eintrittskarten zu erstatten.

Vertrag, der für die Erbringung einen spezifischen Termin oder Zeitraum vorsieht

Für diese zweite Voraussetzung des Art 16 lit l VRRL 2011 ist es unerheblich, ob das Zugangsrecht vom Veranstalter der Freizeitbetätigung selbst oder von einem Vermittler abgetreten wird. Im Ausgangsverfahren hätte das Konzert, für das das Zugangsrecht von CTS Eventim an DM abgetreten wurde, an einem genauen Datum stattfinden sollen.

EuGH 31.3.2022, C-96/21 (CTS Eventim)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang