Auf einer gewerblichen Messe schlossen ein Verbraucher und ein Unternehmer einen Kaufvertrag über eine Einbauküche. Da der Verbraucher sich später auf ein Widerrufsrecht berufen hatte und sich geweigert hatte, die Küche abzunehmen, erhob der Unternehmer eine Schadensersatzklage wegen Nichterfüllung. Der Verkäufer hatte mit der Herstellung der Ware im Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht begonnen.
Ein auf einer gewerblichen Messe geschlossener Vertrag kann als "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag" iSv Art 2 Nr 8 der Verbraucherrechte-RL 2011/83 angesehen werden, wenn er nicht an einem Stand auf einer gewerblichen Messe geschlossen wurde; dieser könnte nämlich als "Geschäftsräume" iSv Art 2 Nr 9 der RL angesehen werden. Das nationale Gericht hat dies noch zu prüfen.
Wenn es ein "außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag" ist, so sieht Art 16 lit c der RL (Anm: s in Ö § 18 Abs 1 Z 3 FAGG) eine Ausnahme vom Widerrufsrecht vor, bei Verträgen über die Lieferung von "Waren ..., die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind".
Dem Wortlaut von Art 16 der RL nach haben die Mitgliedstaaten in ihren diese RL umsetzenden nationalen Regelungen vorzusehen, dass der Verbraucher sich auf das Widerrufsrecht ua dann nicht berufen kann, wenn bestimmte Ereignisse nach Abschluss des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags eingetreten sind. Dies gilt für die in Art 16 lit a), e), i) und m) angeführten Umstände, in denen es um die Ausführung eines solchen Vertrags geht. Hingegen weist nichts im Wortlaut von Art 16 lit c der RL darauf hin, dass die Ausnahme von dem in dieser Bestimmung geregelten Widerrufsrecht von irgendeinem Ereignis abhängt, das nach dem Abschluss eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags eintritt. Diese Ausnahme kann dem Verbraucher unmittelbar entgegengehalten, ohne dass es darauf ankommt, ob ein solches Ereignis eintritt oder ob der Vertrag vom Unternehmer ausgeführt wurde oder wird.
Weiters ist der Verbraucher nach Art 6 Abs 1 lit h bzw k der RL vor Abschluss eines Vertrags im Falle des Bestehens eines Widerrufsrechts darüber und ua über die Bedingungen für seine Ausübung zu informieren bzw in Fällen, in denen es kein Widerrufsrecht gibt, darüber zu informieren, dass es keines gibt. Das Bestehen des Widerrufsrechts des Verbrauchers an ein zukünftiges Ereignis zu knüpfen, dessen Eintritt von der Entscheidung des Unternehmers abhängt, wäre jedoch mit dieser Pflicht zur vorvertraglichen Unterrichtung unvereinbar.
Was die Ziele der Verbraucherrechte-RL betrifft, so ergibt sich insbesondere aus ihren Erwägungsgründen 7 und 40, dass mit ihr die Rechtssicherheit von Geschäften zwischen Unternehmern und Verbrauchern erhöht werden soll. Es sollen Situationen vermieden werden, in denen das Bestehen oder der Ausschluss des Widerrufsrechts des Verbrauchers davon abhängen würde, wie weit die Vertragserfüllung durch den Unternehmer fortgeschritten ist; über diesen Fortschritt wird der Verbraucher üblicherweise nicht informiert, und er hat daher erst recht keinen Einfluss darauf.
EuGH 21.10.2020, C-529/19 (Möbel Kraft)