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EuGH: Klauselprüfpflicht der Gerichte von Amts wegen?

Eine Konsumentin klagte wegen eines einseitigen Vertragsänderungsrechts der Bank in einem Kreditvertrag. Im Laufe des Verfahrens stellte sich die Frage, ob die Gerichte von Amts wegen über andere, von der Klägerin nicht in der Klage beanstandete Klauseln (konkret über die notarielle Beurkundung, die Kündigungsgründe und bestimmte vom Verbraucher zu tragende Kosten) prüfen muss.

Der EuGH führt dazu aus:

Damit ein Verbraucher den ihm durch die Klausel-RL 93/13 gewährten Schutz in vollem Umfang in Anspruch nehmen kann, darf ein nationales Gericht die bei ihm eingereichten Anträge nicht formalistisch betrachten, sondern muss vielmehr ihren Inhalt im Licht der zu ihrer Stützung geltend gemachten Gründe prüfen. Ein angerufenes Gericht, das über die Klage eines Verbrauchers auf Feststellung der Missbräuchlichkeit bestimmter Klauseln in einem Vertrag zu entscheiden hat, muss nur die Vertragsklauseln von Amts wegen auf ihre Missbräuchlichkeit prüfen, die zwar nicht Gegenstand der Klage des Verbrauchers sind, aber mit dem von den Parteien nach Maßgabe der von ihnen gestellten Anträge und vorgebrachten Gründe definierten Streitgegenstand zusammenhängen, und zwar sobald das Gericht über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen, gegebenenfalls ergänzt durch Untersuchungsmaßnahmen, verfügt.

In konkreten Fall erstreckt sich die Pflicht zur Prüfung von Amts wegen, vorbehaltlich des Ergebnisses weiterer Untersuchungsmaßnahmen, nicht auf die anderen Klauseln.

Für die obenstehenden Grundsätze ist es unerheblich, ob die klagende Verbraucherin von einem Rechtsbeistand vertreten wird, da die allgemeine Frage nach dem Umfang der vom Gericht von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung unabhängig von den im jeweiligen Verfahren gegebenen konkreten Umständen zu beantworten ist (C-429/05 Rz 62 u 65).

Es ist den einzelnen Mitgliedstaaten unbenommen, hier strengere Regelungen zu erlassen, um ein höheres Schutzniveau für die Verbraucher zu gewährleisten (Art 8 RL 93/13).

Ein Gericht muss für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit der Vertragsklausel, die als Grundlage für die Ansprüche eines Verbrauchers dient, alle anderen Klauseln des Vertrags berücksichtigen, diese Berücksichtigung beinhaltet jedoch für das Gericht keine Pflicht, von Amts wegen alle diese Klauseln auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit zu prüfen.

EuGH 11.3.2020, C-511/17 (Lintner, Unicredit Hungary)

Das Urteil im Volltext.

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