Reisende können bei einer Annullierung ihres Fluges nach dem EuGH weitergehende Schadenersatzansprüche geltend machen. In bestimmten Fällen könne über eine Ausgleichsleistung für den materiellen Schaden auch eine Entschädigung für "immaterielle Schäden" verlangt werden. Demnach haben Verbraucher bei kurzfristigen Flugannullierungen nicht nur etwa Anspruch auf Erstattung der Flugscheine und alternative Beförderung. Laut Urteil steht ihnen auch weitergehender Schadenersatz als "individualisierte Wiedergutmachung" von bis zu 4150 Euro zu.
Das Gericht bezog sich in seiner Begründung auf den internationalen Vertrag von Montreal zur Beförderung im Luftverkehr. Danach könnten Betroffene den "gesamten materiellen und immateriellen Schaden" einfordern, der ihnen durch eine Flugannullierung entstanden ist. Der immaterielle Schadenersatz geht über die Verletzung der sogenannten Unterstützungs- und Betreuungspflichten hinaus. Zu diesen zählen die Kostenübernahme für die Beförderung des Fluggasts von einem anderen Flughafen zu dem ursprünglichen Zielflughafen oder die Übernahme von Verpflegungs-, Unterbringungs- und Kommunikationskosten. Verletzen Airlines diese Pflichten, kann ein Fluggast sie im Rahmen des Betreuungsanspruchs geltend machen.
Der Gerichtshof legte den Begriff "Annullierung" überdies weit aus. Danach umfasst er auch den Fall, dass ein Flugzeug gestartet ist, aber anschließend "aus welchen Gründen auch immer zum Ausgangsflughafen zurückkehren musste" und Fluggäste auf andere Flüge umgebucht wurden. Dass ein Reisender dann etwa am Folgetag sein Ziel erreicht, ändere nichts daran, dass sein ursprünglich geplanter Flug als "annulliert" einzustufen ist.
EuGH 13.10.2011, C-83/10