Zum Inhalt

EuGH zu Inbox advertising

Die Einblendung von Werbenachrichten in der E-Mail-Inbox in einer Form, die der einer tatsächlichen E‑Mail ähnlich ist, stellt eine Verwendung elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung dar. Sie bedarf für ihre Zulässigkeit der vorherigen Einwilligung des Empfängers.

Im deutschen Anlassfall schaltete ein Stromlieferant Werbeanzeigen, die in der Einblendung von Bannern in E‑Mail-Postfächern von Nutzern des E‑Mail-Dienstes T-Online bestanden. Dieser Dienst wird durch von den Werbekunden bezahlte Werbung finanziert und den Nutzern unentgeltlich zur Verfügung gestellt.

Die Werbeeinblendungen erschienen in der Inbox der privaten E‑Mail-Postfächer der Nutzer, dh in dem Bereich, in dem die eingegangenen E‑Mails listenförmig angezeigt werden, eingebettet in eingegangene E‑Mails (sog. „Inbox advertising“). Die Einträge unterschieden sich optisch von der Liste der anderen E‑Mails des Kontonutzers nur dadurch, dass das Datum durch die Angabe „Anzeige“ ersetzt war, dass kein Absender angegeben war und dass der Text grau unterlegt war. Die Betreffangabe des Listeneintrags enthielt einen Text zur Bewerbung vorteilhafter Preise für Strom und Gas.

Art 13 Abs 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58) sieht vor, dass die Verwendung von automatischen Anrufsystemen ohne menschlichen Eingriff (automatische Anrufmaschinen), Faxgeräten oder elektronischer Post für die Zwecke der Direktwerbung nur bei vorheriger Einwilligung der Teilnehmer gestattet werden darf.

Es ist ein weiter und aus technologischer Sicht entwicklungsfähiger Begriff der von dieser Richtlinie erfassten Art von Kommunikation geboten, wobei die gegenständliche Werbenachrichten ohnehin unter Verwendung eines der in Art 13 Abs 1 der RL ausdrücklich genannten Kommunikationsmittel, nämlich der elektronischen Post, verbreitet wurde.

Die gegenständlichen Werbenachrichten sind als „für die Zwecke der Direktwerbung“ iSv Art 13 Abs 1 der RL einzustufen. Es ist unerheblich, ob die betreffende Werbung an einen individuell vorbestimmten Empfänger gerichtet ist oder ob es sich um eine massenhafte und nach dem Zufallsprinzip vorgenommene Verbreitung gegenüber zahlreichen Empfängern handelt. Entscheidend ist, dass eine zu kommerziellen Zwecken vorgenommene Kommunikation vorliegt, die einen oder mehrere Nutzer von E‑Mail-Diensten direkt und individuell erreicht, indem sie in der Inbox des E‑Mail-Kontos dieser Nutzer eingeblendet wird.

Eine Nachricht, die unter Art 13 Abs 1 der RL fällt, ist unter der Voraussetzung gestattet, dass ihr Empfänger zuvor darin eingewilligt hat.

Die Einwilligung muss den Anforderungen des Art 2 lit h der DatenschutzRL (95/46) bzw des Art 4 Nr. 11 DSGVO (2016/679) genügen, je nachdem, welche der beiden Vorschriften in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbar ist. Art 2 lit h der DatenschutzRL definiert den Begriff „Einwilligung“ als „jede Willensbekundung, die ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgt und mit der die betroffene Person akzeptiert, dass personenbezogene Daten, die sie betreffen, verarbeitet werden“. Dieselbe Anforderung gilt auch im Rahmen der DSGVO. Art 4 Nr 11 DSGVO definiert die „Einwilligung der betroffenen Person“ nämlich dahin, dass eine „freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene“ Willensbekundung der betroffenen Person in Form einer Erklärung oder einer „eindeutigen bestätigenden Handlung“ erforderlich ist, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist.

Der E‑Mail-Dienst T‑Online wird den Nutzern in Form zweier Kategorien von E‑Mail-Diensten angeboten, nämlich zum einen als unentgeltlicher E‑Mail-Dienst, der durch Werbung finanziert wird, und zum anderen als entgeltlicher E‑Mail-Dienst ohne Werbung. Somit sind die Nutzer, die wie hier die unentgeltliche Variante wählen, damit einverstanden, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung dieses E‑Mail-Dienstes zahlen zu müssen.

Das vorlegende nationale Gericht muss noch feststellen, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E‑Mail-Dienstes T‑Online entschieden hat, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, solche Werbenachrichten zu erhalten. Insbesondere muss zum einen festgestellt werden, dass dieser Nutzer klar und präzise ua darüber informiert wurde, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E‑Mails angezeigt werden, und zum anderen, dass er seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundet hat.

Wenn Werbenachrichten unter Art 13 Abs 1 der RL 2002/58 fallen, braucht nicht extra geprüft zu werden, ob die Belastung, die sich daraus für den Empfänger ergibt, über eine Belästigung hinausgeht. Im vorliegenden Fall steht zudem fest, dass die vorliegende Werbemaßnahme dem betroffenen Nutzer tatsächlich eine Belastung auferlegt, da die Einblendung der Werbenachrichten in der Liste der privaten E‑Mails des Nutzers, dadurch, dass sie den Zugang zu diesen E‑Mails in ähnlicher Weise behindert wie dies bei unerbetenen E‑Mails (Spam) der Fall ist, die gleiche Entschlussfassung seitens des Teilnehmers erfordert, was die Behandlung dieser Nachrichten betrifft.

Aggressive Geschäftspraktik

Solche Werbenachrichten in der Inbox eines Nutzers eines E‑Mail-Dienstes in einer Form, die der einer tatsächlichen E‑Mail ähnlich ist, und an derselben Stelle wie eine solche E‑Mail einzublenden, können unter den Begriff des „hartnäckigen und unerwünschten Ansprechens“ iSd Anhang I Nr 26 der Richtlinie 2005/29 (RL über unlautere Geschäftspraktiken) fallen. Voraussetzung dafür ist, dass die Einblendung dieser Werbenachrichten zum einen so häufig und regelmäßig war, dass sie als „hartnäckiges Ansprechen“ eingestuft werden kann, und zum anderen bei Fehlen einer von diesem Nutzer vor der Einblendung erteilten Einwilligung als „unerwünschtes Ansprechen“ eingestuft werden kann.

EuGH 25.11.2021, C-102/20 (StWL/eprimo)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

LG Klagenfurt: Verbandsklagen-Richtlinie unmittelbar anwendbar

Der Verein zum Schutz von Verbraucherinteressen (VSV) hatte die Energie Klagenfurt GmbH auf Unterlassung der Verrechnung einer Gemeindebenützungsabgabe geklagt. Das Landesgericht Klagenfurt wies die Klage inhaltlich ab, bestätigte aber die Aktivlegitimation der klagenden Partei gestützt auf die (von Österreich nicht umgesetzte) EU-Verbandsklagen-Richtlinie. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschutz“-Website – 6 Klauseln in AGB unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Fumy – The Private Circle GmbH wegen sechs unzulässiger Klauseln in deren AGB/Vertragsformblättern für die Nutzung des über die Website „zupfdi.at“ betriebenen Abmahnservices bei behaupteten Besitzstörungen durch Kfz geklagt. Betreffend drei dieser Klauseln war bereits am 5.12.2023 ein Teilanerkenntnisurteil des Handelsgerichts Wien (HG Wien) ergangen. Nunmehr erkannte das HG Wien in seinem Endurteil auch die drei übrigen Klauseln für rechtswidrig. Das Endurteil ist rechtskräftig.

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums insgesamt 27 Klauseln aus den AGB der Aurena GmbH – einem Veranstalter von Online-Versteigerungen – abgemahnt. Die Aurena GmbH war in Folge bereit, zu 22 Klauseln eine Unterlassungserklärung abzugeben, bestritt aber die Gesetzwidrigkeit der übrigen fünf Klauseln, woraufhin der VKI eine Verbandsklage einbrachte. Zentrales Thema im Verfahren um diese Klauseln war die Frage, ob Verbraucher:innen bei einem Kauf im Rahmen einer Auktion der Aurena GmbH ein Rücktrittsrecht haben. In den AGB wurde ein solches Rücktrittsrecht ausgeschlossen. Während das LG Leoben dem VKI zur Gänze recht gab und die fünf eingeklagten Klauseln für gesetzwidrig erklärte, war das OLG Graz als Berufungsgericht der Ansicht, dass die von der Aurena GmbH angebotene Unterlassungsverpflichtung trotz der vorgenommenen Einschränkung die Wiederholungsgefahr beseitigen würde. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang