1. Die Verordnung ist anwendbar, wenn ein Beförderer einen Personenverkehrsdienst mehrere Wochen vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin annulliert, weil das für diesen Dienst eingeplante Schiff verspätet geliefert wird und nicht ersetzt werden kann.
2. Wenn ein Personenverkehrsdienst annulliert wird und es auf derselben Verbindung keinen alternativen Verkehrsdienst gibt, ist der Beförderer verpflichtet, dem Fahrgast einen alternativen Verkehrsdienst auf einer anderen Strecke als der des annullierten Dienstes oder einen Seeverkehrsdienst in Kombination mit anderen Verkehrsträgern wie dem Straßen- oder Schienenverkehr anzubieten, und etwaige zusätzliche Kosten zu übernehmen hat, die dem Fahrgast im Rahmen dieser anderweitigen Beförderung zum Endziel entstanden sind (s Art 18 der VO).
3. Hat der Beförderer einen Personenverkehrsdienst mehrere Wochen vor dem ursprünglich vorgesehenen Abfahrtstermin annulliert, hat der Fahrgast, der sich (gemäß Art 18 der VO) dafür entscheidet, anderweitig befördert zu werden oder seine Reise auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, und am ursprünglich vorgesehenen Endziel mit einer Verspätung ankommt, einen Anspruch auf Entschädigung gemäß Art 19 der VO. Hierbei sind die in Art 19 der VO festgelegten Schwellenwerte zu beachten. Entscheidet sich ein Fahrgast dagegen für die Erstattung des Fahrpreises, hat er keinen Anspruch auf Entschädigung gemäß Art 19 der VO.
4. Bei einer Entschädigung bei verspäteter Ankunft (nach Art 19 der VO) schließt der Begriff des Fahrpreises die Kosten für vom Fahrgast gewählte zusätzliche Sonderleistungen wie die Buchung einer Kabine oder eines Hundezwingers oder den Zugang zu Premium-Lounges ein.
5. Nach Art 20 Abs 4 der VO findet Art 19 (Entschädigung bei verspäteter Ankunft) keine Anwendung bei außergewöhnlichen Umständen, die die auch dann nicht hätten vermieden werden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen getroffen worden wären. Die verspätete Lieferung eines Fahrgastschiffes, die zur Annullierung aller Überfahrten geführt hat, fällt nicht unter den Begriff der außergewöhnlichen Umstände iSv Art 20 Abs 4 der VO.
6. Ein Fahrgast, der eine Entschädigung gemäß Art 19 der VO beantragt, muss seinen Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten nach der tatsächlichen oder geplanten Durchführung des Verkehrsdienstes in Form einer Beschwerde beim Beförderer einreichen. Der Antrag des Fahrgasts nach Art 19 der VO kann nicht einer Beschwerde gemäß Art 24 der VO gleichgestellt werden.
8. Art 18 und 19 der VO verstoßen nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Rechtssicherheit und sind mit den Art 16, 17 und 20 der Charta der Grundrechte der EU vereinbar.
EuGH 2.9.2021, C-570/19 (Irish Ferries Ltd/National Transport Authority)