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Fitnessstudio
Bild: 4 PM production/shutterstock

Fitnesscenter muss Mitgliedsbeiträge für Schließungszeiten zurückzahlen

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) hatte über die Zahlungspflicht bei coronabedingter Schließung eines Fitnessstudios zu entscheiden und gab der Klage des Kunden auf Rückzahlung der Mitgliedsbeiträge statt; Kunden müssen sich nicht mit einer Verlängerung der Vertragslaufzeit zufriedengeben.

Die Parteien hatten 2019 einen Vertrag mit 24 Monate Bindung abgeschlossen. Wegen der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie musste das Fitnessstudio in der Zeit vom 16. März 2020 bis 4. Juni 2020 schließen, zog aber die Mitgliedsbeiträge des klagenden Kunden weiter ein.

Der Kunde forderte den Unternehmer auf, die Mitgliedsbeiträge zurückzuzahlen. Nachdem eine Rückzahlung nicht erfolgte, forderte der Kunde den Unternehmer auf, ihm für den Schließungszeitraum einen Wertgutschein über den eingezogenen Betrag auszustellen. Der Unternehmer händigte dem Kläger keinen Wertgutschein aus, sondern bot ihm eine "Gutschrift über Trainingszeit" für den Zeitraum der Schließung an. Dieses Angebot nahm der Kläger nicht an und klagte auf die Rückzahlung der Monatsbeiträge.

Der BGH gab der Klage statt: Der Kunde hat einen Anspruch auf Rückzahlung der für den Zeitraum der Schließung entrichteten Monatsbeiträge.

Während des Zeitraums, in dem die Beklagte aufgrund der hoheitlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie ihr Fitnessstudio schließen musste, war es ihr rechtlich unmöglich, dem Kläger die Möglichkeit zur vertragsgemäßen Nutzung des Fitnessstudios zu gewähren und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen. Obwohl die Beklagte das Fitnessstudio im Hinblick auf die zeitliche Befristung der Corona-Schutzmaßnahmen lediglich vorübergehend schließen musste, liegt kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vor. Der Betreiber des Fitnessstudios schuldet seinem Vertragspartner die Möglichkeit, fortlaufend das Studio zu betreten und die Trainingsgeräte zu nutzen. Der Zweck eines Fitnessstudiovertrags liegt in der regelmäßigen sportlichen Betätigung und damit entweder in der Erreichung bestimmter Fitnessziele oder zumindest der Erhaltung von Fitness und körperlicher Gesundheit. Kann der Betreiber des Fitnessstudios während der vereinbarten Vertragslaufzeit dem Vertragspartner die Nutzungsmöglichkeit des Studios zeitweise nicht gewähren, kann dieser Vertragszweck für den Zeitraum der Schließung nicht erreicht werden. Die von dem Betreiber geschuldete Leistung ist deshalb wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar.

Keine Vertragsanpassung

Diesem Rückzahlungsanspruch des Klägers kann die Beklagte nicht entgegenhalten, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs 1 BGB dahingehend anzupassen, dass sich die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit, in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit – wie hier – der Tatbestand des § 275 Abs 1 BGB (Unmöglichkeit der Leistungserbringung) erfüllt ist. Ein Anspruch der Beklagten auf die begehrte Vertragsanpassung scheidet auch deshalb aus, weil mit Art 240 § 5 Abs 2 EGBGB (coronabedingte Gutscheinlösung für Freizeiteinrichtungen) eine speziellere Vorschrift besteht, die hier einem Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze zur Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage entgegensteht. Grundsätzlich ist eine Vertragsanpassung wegen Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht möglich, wenn der Gesetzgeber das Risiko einer Geschäftsgrundlagenstörung erkannt und zur Lösung der Problematik eine spezielle gesetzliche Vorschrift geschaffen hat, so wie hier Art 240 § 5 EGBGB.

BGH 4.5.2022, XII ZR 64/21

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