Das BGHS hat im Wesentlichen folgenden Sachverhalt festgestellt: Die Konsumentin hatte für den 20.12.2010 einen Flug mit BMI (British Midland Airways), durchgeführt von Austrian Airlines, von Edinburgh nach London Heathrow mit Anschlussflug von London Heathrow nach Wien gebucht. Der Flug von Edinburgh nach London wurde durchgeführt. Der Flug von London Heathrow nach Wien wurde gestrichen. Am Flughafen Heathrow waren am 20.12.2010 nicht ausreichend Enteisungsmittel vorhanden. Das war der Grund für den eingeschränkten Flugverkehr an diesem Tag. Obgleich um 9.00 Uhr dieses Tages auch Bedenken in Bezug auf die Wettervorhersage geäußert wurden, konnte nicht festgestellt werden, dass der gegenständliche Flug auch bei Vorhandensein von ausreichend Enteisungsmittel wetterbedingt hätte annulliert werden müssen. Am Flughafen Heathrow wurde der Konsumentin von den Fluglinien keine Unterstützung angeboten, sie wurde auch nicht darüber aufgeklärt, welche Rechte sie als Passagier infolge einer Flugannullierung hat. Die Konsumentin verbrachte die Nacht in der Abflughalle. Am nächsten Tag, dem 21.12.2012, war der AUA Schalter abermals nicht erreichbar, am BMI Schalter hatte sich die Konsumentin von 7.30 bis 9.00 Uhr angestellt ohne dass sie zu einer Kontaktperson durchgekommen wäre. Auch der Versuch, die Webseite von BMI aufzurufen scheiterte. Die Konsumentin suchte sich dann selbst eine alternative Heimreisemöglichkeit. Dass sie sich selbst um einen Rückflug gekümmert hat, hat sie weder der AUA noch der BMI mitgeteilt, eine Ticketrefundierung hat sie nicht verlangt.
Im Fall von Code-Share Flügen sei nur das ausführende Luftfahrtunternehmen im Sinn der Fluggastrechte-VO, die auf gegenständlichen Fall anzuwenden sei, zu Unterstützungs- und Ausgleichsleistungen verpflichtet. Ausführendes Luftfahrtunternehmen sei die beklagte Partei.
Zur begehrten Ausgleichsleistung von € 250,00:
Nach Art 5 Abs 3 der VO 261/2004 sei ein Luftfahrtunternehmen nur dann nicht zur Zahlung der Ausgleichsleistung verpflichtet, wenn es nachweisen könne, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgehe, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Der alleinige Beweis außergewöhnlicher Umstände reiche aber nicht aus, auch das Ergreifen aller zumutbaren Maßnahmen müsse vom Luftfahrtunternehmen nachgewiesen werden. Schlechte Wetterbedingungen seien grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand. Im gegenständlichen Fall konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass es am 20.12.2012 zu heftigem Schneefall oder vergleichbaren schlechten Wetterverhältnissen gekommen sei. Es habe auch nicht festgestellt werden können, das der gegenständliche Flug auch bei Vorhandensein von ausreichend Enteisungsmittel wetterbedingt hätte annulliert werden müssen.
Zum begehrten Kostenersatz für den selbst organisierten Heimflug:
Die Konsumentin habe wiederholt versucht, die beklagte Partei zu erreichen, sämtliche zumutbaren Kontaktaufnahmeversuche seien jedoch aus Gründen, die der Sphäre der Beklagten zuzurechnen seien, gescheitert. Die beklagte habe ihre jeweiligen Informations- Fürsorge- und Sorgfaltspflichten nicht erfüllt. Insbesondere habe die beklagte Partei die Konsumentin nicht über ihre Rechte nach der Fluggastrechte-VO aufgeklärt. Damit habe die Beklagte eklatant gegen die aus der VO entspringenden Pflichten verstoßen. Vor diesem Hintergrund habe die Konsumentin berechtigterweise selbst einen anderweitigen Flug zum Endziel Wien organisiert. Die Ansprüche nach Art 8 (Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung) seien verschuldensunabhängige Ansprüche ohne Entlastungsmöglichkeit. Es bedürfe auch keiner vorangegangenen Urgenz durch den Fluggast. Eine anderweitige Beförderung könne auch mit einen Ersatzflug, Bus, Bahn oder Schiff erfolgen.
Zur rechtlichen Qualifikation der Unterstützungs- und Betreuungsleistungen führte das Gericht aus, das es sich hierbei um Mindestdienstleistungen und nicht um Schadenersatzansprüche handle. Bei Nichterfüllung dieser Ansprüche bestehe ein Ersatzanspruch des Fluggastes gegenüber dem zur Leistung verpflichteten ausführenden Luftfahrtunternehmen auf die aufgewendeten Kosten, der auch nicht gegen die Ausgleichsleistung aufgerechnet werden könne. Durch die vertragsunabhängige Verpflichtung einen Ersatzflug bereitzustellen, begründe die VO ein gesetzliches Schuldverhältnis sui generis zwischen dem Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen. Aus diese Sonderbestimmung seien im Fall der Nichterfüllung die schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des nationalen Rechts, hier die §§ 1295ff ABGB anzuwenden.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (Stand 31.8.2012)
BGHS Wien, 01.08.2012, 10 C 445/11f
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien