Zum Inhalt

GIS-Entgelt: Zahlungspflicht bei Versorgung des Standorts mit ORF-Programmen

Mit § 31 Abs 10 ORF-Gesetz wollte der Gesetzgeber "klarstellen", dass die Verpflichtung zur Zahlung des ORF-Programmentgelts nicht nur dann besteht, wenn die ORF-Programme tatsächlich empfangen werden, sondern auch dann, wenn ein Standort durch digitale terrestrische Übertragung versorgt wird und daher der Empfang der Fernsehprogramme möglich ist - auch wenn der Rundfunkteilnehmer über keine "Zusatzeinrichtungen" für seine bestehende Rundfunkempfangseinrichtung verfügt.

Im Zuge der Umstellung des terrestrischen Fernsehens von DVB-T auf DVB-T2 (simpliTV) stellt sich die Frage, ob weiterhin die Verpflichtung besteht, das ORF-Programmentgelt zu bezahlen, auch wenn man sich weigert, ein simpliTV-Empfangsgerät zu kaufen und daher die ORF-Programme nicht mehr empfängt, wenn man also ein Rundfunkempfangsgerät, aber kein DVB-T2-fähiges Rundfunkempfangsgerät besitzt.

Nach der früheren für Konsumenten vorteilhaften Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die noch auf die alte Rechtslage Bezug nahm, war das ORF-Programmentgelt damals nur bei einem tatsächlichen Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des ORF zu entrichten (siehe VwGH vom 04.09.2008, 2008/17/0059).

Der Gesetzgeber reagierte auf diese Rechtsprechung. Mit BGBl. I Nr. 126/2011 wurde § 31 Abs 10 ORF-G wie folgt neu gefasst: "Das Programmentgelt ist unabhängig von der Häufigkeit und der Güte der Sendungen oder ihres Empfanges zu zahlen, jedenfalls aber dann, wenn der Rundfunkteilnehmer (§ 2 Abs. 1 RGG) an seinem Standort mit den Programmen des Österreichischen Rundfunks gemäß § 3 Abs. 1 terrestrisch (analog oder DVB-T) versorgt wird. Der Beginn und das Ende der Pflicht zur Entrichtung des Programmentgeltes sowie die Befreiung von dieser Pflicht richten sich nach den für die Rundfunkgebühren geltenden bundesgesetzlichen Vorschriften."

Entsprechend diesem Gesetzeswortlaut ist das Programmentgelt nach der durch das BGBl. I Nr. 126/2011 geschaffenen Rechtslage - anders als nach der Rechtslage, die im Erkenntnis 2008/17/0059 der Beurteilung zu Grunde zu legen war - nicht mehr nur bei Empfang der Programme des Österreichischen Rundfunks, sondern bereits bei Bereitstellung der Programme durch den Österreichischen Rundfunk, also bei Versorgung des Standortes mit diesen Programmen, zu entrichten. Damit kehrte der Gesetzgeber zur ursprünglichen Konzeption des Programmentgelts zurück, wonach schon die Möglichkeit des Empfanges von ORF-Programmen (unter der weiteren Voraussetzung, dass sich die Empfangsmöglichkeit ohne größeren Aufwand herstellen lasse) die Pflicht zur Leistung des Programmentgelts begründet (siehe VwGH vom 30.04.2015, Ro 2015/15/0007).

Dennoch ist das ORF-Gesetz insofern lückenhaft, da als Wege für die terrestrische Versorgung nur "analog oder DVB-T" in § 31 Abs 10 ORF-G genannt werden, und nicht "DVB-T2". Der Gesetzeswortlaut berücksichtigt die neuen technologischen Entwicklungen wortwörtlich somit nicht.

Vorausgesetzt § 31 Abs 10 ORF-G ist auch bei "DVB-T2" anwendbar, besteht die Entgeltpflicht nach der Novelle des ORF-Gesetzes nicht nur dann, wenn die ORF-Programme tatsächlich empfangen werden können, sondern auch dann, "wenn ein Standort durch digitale terrestrische Übertragung (...) versorgt wird und daher der Empfang der Fernsehprogramme (...) möglich ist" (so der Initiativantrag 1759/A 24. GP.) - auch wenn der Rundfunkteilnehmer über keine "Zusatzeinrichtungen" für seine bestehende Rundfunkempfangseinrichtung verfügt.

Für die Verpflichtung zur Zahlung des ORF-Programmentgelts kommt es demnach auf die Möglichkeit zum Empfang von ORF-Programmen an, allenfalls nach einer geringfügigen Adaption, die sich ohne größeren Aufwand herstellen lässt.

Aus § 31 Abs 10 ORF-G ist daher wahrscheinlich leider abzuleiten, dass die Anschaffung einer simpliTV-Box bzw. eines simpliTV-Moduls zur Aufrüstung eines bestehenden TV-Gerätes vom Gesetzgeber als zumutbar angesehen wird. Auch wenn sich Konsumenten weigern, ein simpliTV-Empfangsgerät zu kaufen, wird die Verpflichtung zur Zahlung des ORF-Programmentgelts aller Voraussicht nach weiterhin bestehen.

Ein jüngeres VwGH-Erkenntnis wirft dennoch Fragen auf:

Im Erkenntnis des VwGH vom 30.06.2015, Ro 2015/15/0015, stellte der VwGH in erster Linie klar, dass ein Computer lediglich mit einem Internetanschluss - ohne Rundfunktechnologie - kein Rundfunkempfangsgerät ist. Da eine Rundfunkempfangseinrichtung jedenfalls Voraussetzung ist, um zur Zahlung des ORF-Programmentgelts verpflichtet zu sein, begründet ein Computer lediglich mit einem Internetanschluss keine Zahlungspflicht.

Der VwGH führte zudem aus, was unter einer Rundfunkempfangseinrichtung zu verstehen ist: "Rundfunkempfangseinrichtungen iSd RGG sind somit lediglich jene Geräte, die "Rundfunktechnologien" verwenden (drahtloser terrestrischer Weg, Kabelnetze, Satellit). (...) Ein Computer, über den mittels dieser Rundfunktechnologien Rundfunkprogramme empfangen werden können (etwa mittels TV- oder Radiokarte, DVB-T-Modul), ist demnach als Rundfunkempfangsgerät zu beurteilen. Ein Computer lediglich mit einem Internetanschluss - ohne Rundfunktechnologie - ist hingegen kein Rundfunkempfangsgerät."

Es stellt sich daher die Frage, warum hinsichtlich der Zahlungspflicht nicht auch bei (nicht DVB-T2 fähigen) Fernsehern darauf abgestellt wird, ob diese Fernseher Rundfunkprogramme empfangen können oder nicht. Denn nicht nur Computer, sondern auch Fernseher dienen heutzutage mehrfach anderen Zwecken, da viele den Fernseher nur noch als Monitor benutzen, um beispielsweise Video-Streaming-Dienste oder private Videos auf einem großflächigen Bildschirm zu sehen.

Diese Frage ist letztendlich nur durch weitere Rechtsprechung zu klären.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark gibt Unterlassungserklärung ab

Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark gibt Unterlassungserklärung ab

Das Lipizzanergestüt Piber betreibt auf dem Gelände des Lipizzanergestüts Piber einen Kletterpark.
Anlässlich einer Verbraucher:innenbeschwerde hat der VKI die AGB dieses Kletterparks geprüft und die Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark, im Auftrag des Sozialministeriums, wegen zwei unzulässigen Klauseln in diesen Teilnahmebedingungen für den Kletterpark abgemahnt. Betroffen sind eine Haftungsfreizeichnungsklausel und eine Klausel, welche die Verwendung von aufgenommenen Fotos und Videos während der Aktivitäten im Kletterpark ohne weitere Zustimmung und auch für Werbezwecke erlaubt hätte.

Die Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark hat am 25.06.2024 eine außergerichtliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Unterlassungserklärung von Temu

Unterlassungserklärung von Temu

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des BMSGPK die Whaleco Technology Limited (Temu) wegen unzureichender Zurverfügungstellung von Kontaktinformationen (konkret: Telefonnummer) auf ihrer Website abgemahnt. Die Homepagegestaltung von Temu entsprach nach Auffassung des VKI nicht den Vorgaben des FAGG. Temu hat am 24.06.2024 eine Unterlassungserklärung abgegeben.

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang