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Haftet Fluglinie für posttraumatische Belastungsstörungen?

Der OGH legt dem EuGH die Frage vor, ob ein Flugunternehmen auch für durch einen Unfall verursachte psychische Beeinträchtigung von Reisenden haftet.

Beim Start eines Flugzeuges (geplanter Flug: Londen - Wien) des beklagten Luftfahrtunternehmens explodierte das linke Triebwerk. Bei der Evakuierung schleuderte der durch das andere Triebwerk verursachte Jetblast die Klägerin mehrere Meter durch die Luft. Seitdem leidet sie an posttraumatischen Belastungsstörungen (ua Schlaf- und Konzentrationsstörungen, plötzlichen Weinanfällen, starker Müdigkeit und Stottern).

Der OGH legt dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:

1. Ist eine durch einen Unfall verursachte psychische Beeinträchtigung eines Reisenden, die Krankheitswert erreicht, eine „Körperverletzung“ iSv Art 17 Abs 1 des Montrealer Übereinkommens (MÜ)?

2. Wenn Frage 1 verneint wird:

Steht Art 29 des Montrealer Übereinkommens einem Anspruch auf Schadenersatz entgegen, der nach dem anwendbaren nationalen Recht bestünde?

 

Der OGH führt dazu aus:

Nach österreichischem Recht haftet der Schädiger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch für die Folgen rein psychischer Beeinträchtigungen, wenn diese Krankheitswert aufweisen, also behandlungsbedürftig sind. Nach österreichischem Recht haftet der Schädiger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch für die Folgen rein psychischer Beeinträchtigungen, wenn diese Krankheitswert aufweisen, also behandlungsbedürftig sind.

Zur Vorlagefrage 1:

Art 17 Abs 1 MÜ sieht (in der deutschen Fassung) den Ersatz jenes Schadens vor, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder „körperlich verletzt“ wird. Frage 1 ist darauf gerichtet, ob dieser Begriff auch psychische Beeinträchtigungen erfasst, die zwar Krankheitswert haben, aber nicht Folge einer Verletzung des Körpers im engeren Sinn sind.

Der OGH neigt zu einer weiten Auslegung von Art 17 Abs 1 MÜ. Auch (objektivierte) psychische Störungen mit Krankheitswert sollten als Körperverletzung iSv Art 17 Abs 1 MÜ angesehen werden.

Zur Vorlagefrage 2:

Nach österreichischem Recht bestünde der Anspruch zu Recht. Allerdings sieht Art 29 MÜ vor, dass „bei der Beförderung von Reisenden […] ein Anspruch auf Schadenersatz, auf welchem Rechtsgrund er auch beruht, […] nur unter den Voraussetzungen und mit den Beschränkungen geltend gemacht werden [kann], die in diesem Übereinkommen vorgesehen sind“.

Der OGH neigt dazu, einen Anspruch nach nationalem Schadenersatzrecht zuzulassen, wenn Art 17 Abs 1 MÜ einen solchen nicht vorsieht.

OGH 28.1.2021, 2 Ob 131/20h

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