Beim VKI melden sich Frauen, die sich durch Brustim-plantate des Herstellers Poly Implant Prothese (PIP) mit Sitz in Frankreich geschädigt fühlen. Seit 2009 werde eine Zunahme von vorzeitigen Repturen der Implantat-hüllen beobachtet. Verschiedene Aufsichtsbehörden in Frankreich und Deutschland warnen vor dem Produkt und empfehlen die Implantate wegen gesundheitlicher Risken entfernen zu lassen. Stellt sich die Frage, ob und gegenüber wem Geschädigte Anspruch auf Schadener-satz erheben können?
Produkthaftung
Nach dem Produkthaftungsgesetz haftet der Hersteller eines fehlerhaften Produktes für Körper-, Gesundheits -und Sachschäden, die dadurch verursacht werden ver-schuldensunabhängig. Das Gesetz erfasst also insbe-sondere die Kosten der Operation bzw Schmerzengeld für den notwendigen Austausch der Implantate (siehe dazu OLG Hamm 26.102010, I-21 U 163/08 - Behand-lungskosten für den Austausch eines fehlerhaften Herz-schrittmachers). Das Gesetz erfasst nicht die Kosten des fehlerhaften Produktes selbst (das wäre Gewährleistung - siehe unten).
Der Anspruch muss binnen einer absoluten Frist von 10 Jahren ab In-Verkehr-Bringen durch den Hersteller und innerhalb einer Frist von 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens und des Schädigers gerichtlich geltend ge-macht werden.
Es liegt also nahe, dass österreichische Geschädigte gegen den Hersteller in Frankreich Ansprüche auf Schadenersatz geltend machen könnten.
Allerdings wurde bereits am 22.5.2009 (zur GZ 2009J-219) über das Vermögen der Firma Poly Implant Pro-these am tribunal de commerce de Toulon ein Insol-venzverfahren eröffnet (Liquidator ist Me Laure Simon, 5 Rue Berthelot, 83000 Toulon). Die Frist zur Anmeldung von Forderungen sei bereits abgelaufen.
Durchgriff auf Versicherung
In Frankreich soll - so die bisherigen Recherchen des VKI - eine verschuldensunabhängige Haftung für Me-dizinprodukte und eine Pflichtversicherung gesetzlich geregelt sein. Nach dem französischen Recht hätten Geschädigte einen direkten klagbaren Anspruch gegen diese Pflichtversicherung. Im vorliegenden Fall ist das die Allianz Versicherung mit Sitz in Paris. Vor diesem Hintergrund sind Pressemeldungen zu lesen, dass eine französische Geschädigte am 11.1.2012 gegen diese Versicherung eine vorläufige Entschädigung zugespro-chen erhalten habe.
Deutsche Rechtsanwälte gehen davon aus, dass man den Versicherer im Heimatland der Geschädigten, aber unter Anwendung des französischen Rechtes klagen könne.
Der VKI wird diese Möglichkeit genau prüfen und dazu - im Auftrag des Konsumentenschutzministe-riums - eine Sammelintervention allenfalls auch eine Sammelklage anbieten. Nähere Informationen auf www.verbraucherrecht.at.
Gewährleistung
Wenn man davon ausgeht, dass als Vertragspartner von Geschädigten die jeweiligen Ärzte aufgetreten sind. Als Vertragspartner haben sie für Mängel der Implantate - ebenfalls unabhängig von einem Verschulden - einzustehen. Man kann Austausch bzw Wandlung verlangen. Dazu muss aber das Implantat entfernt werden. Es ist die Frage, ob der Operationsaufwand aus der Gewährleistung zu tragen ist, oder ob man von einem sogenannten "Mangelfolgeschaden" ausgehen müsste, der nur bei Verschulden zu ersetzen wäre.
Die Klage auf Gewährleistung muss aber binnen 2 Jahren ab der Operation (!) eingebracht werden.
Schadenersatz
Die Warnungen französischer und deutscher Behörden reichen bis ins Jahr 2010 zurück. Es begründet wohl Fahrlässigkeit, wenn Ärzte diese Implantate - trotz solcher Warnungen - weiter verwendet hätten. Scha-denersatz aus Verschulden kann man - in solchen Fäl-len - natürlich auch gegen den Arzt geltend machen.
Operation im Ausland
Wenn man die Operation etwa in Tschechien oder Un-garn gemacht hat, stellen sich zwei Fragen:
1) Wo kann ich Klagen?
Wenn der Arzt in Österreich für seine Dienstleistung geworben hat, kann man höchstwahrscheinlich in Österreich klagen.
2) Welches Recht kommt zur Anwendung?
Da die Dienstleistung aber in diesen Fällen zur Gänze im Ausland erbracht wurde, käme höchstwahrscheinlich das ausländische Recht zur Anwendung.
Strafverfahren
Im Jänner 2012 wurde schließlich auch bekannt, dass gegen den Gründer und Chef der Firma PIP und einen weiteren Manager bei der Staatsanwaltschaft Marseille ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperver-letzung anhängig sei.
Der VKI prüft ob und wie man sich diesem Verfahren als Privatbeteiligte anschließen kann.