Die Klägerin kaufte am 28. November 2018 einen neuen VW e-Golf um
€ 40.169,- beim beklagten Autohändler. Das Fahrzeug wurde am 26. März 2019 an die Klägerin übergeben.
Am 25. März 2021 brachte die Klägerin Klage ein und begehrte die Aufhebung des Kaufvertrags wegen Irrtums. Bei einer zugesagten Reichweite von 230 km sei die tatsächliche Reichweite des Fahrzeuges bei normalen winterlichen Verhältnissen im Mühlviertel mit Unterstützung des “eco-Modus” nur 150 km ohne “eco-Modus” nur 50-70 km. Wäre die Reduktion der Reichweite bekannt gewesen, wäre das Fahrzeug nicht gekauft worden. Die Klägerin rechnete sich auf ihr Leistungsbegehren € 1.285,41 Benützungsentgelt an.
Das Erstgericht hob den Kaufvertrag auf. Es verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von € 26.883,59 samt Zinsen ab Kaufzeitpunkt. Als Benützungsentgelt wurden €12.000,- festgelegt.
Das OLG Linz bestätigte die Irrtumsanfechtung. Im konkreten Fall irrte die Klägerin über die Reichweite des Fahrzeugs bei winterlichen Verhältnissen. Konkret darüber, dass die Reichweite unter Umständen um bis zu 50% von der angegebenen Reichweite von 230 km abweichen kann. Die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs war daher in einem Umfang eingeschränkt den ein objektiver, redlicher Vertragspartner, demgegenüber auf Nachfrage eine Reichweite von 230 km angegeben wurde, nicht erwarten musste. Der Irrtum der Klägerin ist daher als Geschäftsirrtum zu qualifizieren.
Dieser wurde auch von der Beklagten veranlasst, da ein:e Autokäufer:in nach der Verkehrsauffassung erwarten kann, dass er oder sie auf Nachfrage zur Reichweite darüber informiert wird, dass diese im Winter vom angeführten Richtwert abweichen kann. Dies ist in diesem Fall jedoch nicht geschehen.
Intensiv setzte sich das OLG Linz auch mit der Bemessung des Nutzungsentgelts auseinander. Die Beklagte meinte, hier wäre die Differenz zwischen dem konkret angemessenen Kaufpreis und dem Händlereinkaufspreis zum relevanten Zeitpunkt zugrunde zulegen. Die Klägerin hingegen beantragte ein “lineares Abwertungsmodell”, das den Kaufpreis mit der genutzten Kilometerleistung und der erwartbaren Gesamtlaufleistung in Verhältnis setzt.
Bei der Rückabwicklung eines Autokaufs gelangt man zu einem angemessenen Benützungsentgelt, wenn man berücksichtigt, welchen Aufwand der oder die Käufer:in hätte tätigen müssen, um sich den Gebrauchsnutzen eines dem gekauften gleichwertigen PKWs zu verschaffen. Hat der oder die Käufer:in die Rückabwicklung nicht zu vertreten, darf ihm oder ihr nicht jene Wertminderung aufgebürdet werden, die sich aus dem Verlust der Neuheit der Sache ergibt. Im Einzelfall muss das angemessene Benützungsentgelt letztlich nach §273 ZPO ermittelt werden.
Das Erstgericht äußerte zu beiden präferierten Berechnungsmethoden Bedenken. Einerseits führt es an, dass die Zugrundelegung von angemessenem Kaufpreis und Händlereinkaufspreis im Zeitpunkt des Aufhebungsbegehrens den Händler zweimal von der Gewinnspanne profitieren lässt. Andererseits zeigt es auf, dass ein rein kilometerbezogenes Benützungsentgelt hier gering erscheint, weil das Vertragsaufhebungsbegehren erst relativ spät erfolgt ist, sodass das Auto der Klägerin lange zur Verfügung stand (zeitlich langer Gebrauchsnutzen bei wenigen gefahrenen Kilometern).
Das OLG Linz kam zu dem Schluss, dass die vom Erstgericht nach § 273 ZPO festgesetzten € 12.000,-, ein Wert der deutlich über der “linearen Abwertungsmethode” aber auch unter der von der Beklagten präferierten Berechnungsmethode liegt, im Ermessensspielraum des Gerichts lag und daher nicht zu korrigieren war.
Es ist jedoch zu beachten, dass sich die Klägerin in ihrem Leistungsbegehren bereits € 1.285,41 Benützungsentgelt angerechnet hat. Um diesen Betrag sind die
€ 12.000,- zu reduzieren.
In Bezug auf die zugesprochenen Zinsen ab Kaufzeitpunkt führt das OLG Linz aus, dass Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme keine klassischen Verzugszinsen, sondern sogenannte Vergütungszinsen sind. Bei Geld ist die Nutzung zumindest mit den gesetzlichen Zinsen abzugelten. Jene Rechtsprechung, wonach Zinsen erst ab Klagezustellung zustehen, ist überholt.
Eine ordentliche Revision ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.
OLG Linz 6. April 2022, 6 R 35/22t
Klagsvertreter: Mag. Michael Poduschka, Rechtsanwalt in Linz