Das Erstgericht hatte zunächst entschieden, dass der Anlageberater seinen Aufklärungs- und Beratungspflichten gegenüber der Anlegerin nicht nachgekommen war und der Kundin grob fahrlässig entgegen ihren Wünschen und Bedürfnissen zur Veranlagung in MEL-Zertifikate geraten hatte. Der Konsumentin wurde Schadenersatz zugesprochen. Allerdings nahm das Gericht ein Mitverschulden der Konsumentin von 1/3 an, da weder die Risikoklasse 4 hinterfragt, noch - trotz Kenntnis, dass es bei Aktien Risken gibt - den Umstand beachtet habe, dass sich der Kaufauftrag auf Aktien bezog.
Demgegenüber arbeitete das Berufungsgericht detailliert heraus, dass die vom Erstgericht und Beklagten gezogene Schlussfolgerung, die Konsumentin hätte bei genauem Studium der Unterlagen skeptisch werden müssen, gar nicht zutrifft. Der Anlageberater hat der Konsumentin bei Kenntnis ihrer Veranlagungsabsichten und ihrer finanziellen Lage und Einkommenssituation explizit die MEL-Zertifikate empfohlen und diese als sichere Investition in Immobilien dargestellt. Die Konsumentin hat auf diese Darstellung vertraut und vermag das Berufungsgericht daher auf Tatsachenebene kein Versäumnis dieser erkennen, welches ein nennenswertes Mitverschulden überhaupt begründen könnte.
Weiters lässt die Gesetzesbestimmung des § 1299 ABGB an sich klar erkennen, dass es eben gerade nicht Aufgabe des Konsumenten ist, die Auskünfte, welche er von dem Anlageberater erhält, zu überprüfen. Dies würde dem Sinn eines Beratervertrages auch in der Tat widersprechen. Es geht vielmehr darum, dass dem Konsumenten auffallen müsste, dass der Berater selbst in seinen Geschäften unerfahren ist. D.h. es geht um eine Art Auswahlverschulden in der Person des Beraters, nicht jedoch um ein Mitverschulden des Beratenen, was den Inhalt des Beratungsgespräches betrifft. Im vorliegenden Fall musste die Anlegerin jedoch nicht von einer besonderen Unerfahrenheit des Beraters ausgehen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
LG St. Pölten 26.05.2011, 21 R 122/11s
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Klagevertreter: RA Dr. Benedikt Wallner, Wien