Zum Inhalt

Klauseln aus Rechtschutzversicherung

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Allianz Elementar Versicherungs-Aktiengesellschaft wegen unterschiedlicher Klauseln in deren „Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung“ (ARB 2018). Während der OGH die sogenannte Ausnahmesituationsklausel für intransparent erklärte, verneinte er die Intransparenz bei der Katastrophenklausel.

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind, sowie mit Katastrophen; eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.“ (Klausel 1) (Art 7.1.1.2 ARB 2018)

Dem Begriff der „Ausnahmesituation“ mangelt es an einer näheren Definition. Da damit Verbraucher:innen die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit ihre Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen können, besteht die Gefahr, dass sie aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absehen, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen.

Die hier inkriminierte Klausel enthält zwei materiell eigenständige Regelungsbereiche. Eine isolierte Betrachtungsweise ist daher zulässig und geboten, soweit der Risikoausschluss die Katastrophe umfasst, ist er nicht intransparent.

Der Begriff der Katastrophe hat eine im allgemeinen Sprachgebrauch verständliche Bedeutung. Der Begriff charakterisiert ein besonders schweres Schadensereignis, ohne nach dessen Ursachen zu differenzieren. Hier ist der verwendete Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch verankert und wird durchschnittlichen Versicherungsnehmer:innen mit einer plastischen Vorstellung eines – im Gegensatz zur „Ausnahmesituation“ – stets überindividuellen Schadenereignisses verbunden. Durch die Ausnahme der Katastrophe aus dem Versicherungsschutz werden Verbraucher damit nicht über die Rechtsfolgen getäuscht oder ihnen ein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt.

Der Risikoausschluss für die Katastrophe ist auch nicht gröblich benachteiligend. Keine Deckung für besonders schwer kalkulierbare, weil unabsehbare Risiken zu gewähren, die sich im Gefolge einer Katastrophe verwirklichen, entspricht den Interessen der Versicherungsnehmer:innen nach zuverlässiger Tarifkalkulation und schränkt die berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers nicht ein.

Versicherungsansprüche können erst abgetreten oder verpfändet werden, wenn sie dem Grunde und der Höhe nach endgültig festgestellt sind.“ (Klausel 2) (Art 11.1 ARB 2018)

Der OGH hat Zessionsbeschränkungen, die in Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten sind, bereits wiederholt als zulässig beurteilt.

Verbands-Musterklagen können auch nach § 502 Abs 5 Z 3 ZPO nur solche Ansprüche zum Gegenstand haben, die (rechtswirksam) abgetreten werden können.

Der aus der Rechtsschutzversicherung resultierende – und Versicherungsnehmer:innen zustehende – Leistungsanspruch ist der Freistellungsanspruch, der sich unter Umständen in einen Kostenerstattungsanspruch verwandelt. Vor Fälligkeit des Leistungsanspruchs kann nur auf Feststellung geklagt werden, der Versicherer sei verpflichtet, in bestimmten Angelegenheiten Rechtsschutzdeckung zu gewähren.

Ein derartiger Feststellungsanspruch ist kein aus dem Privatrecht resultierender materieller Anspruch; er hat seine Grundlage ausschließlich im Prozessrecht. Ein materieller Anspruch auf Feststellung oder Anerkennung des Bestehens (oder Nichtbestehens) eines Rechtsverhältnisses besteht nicht. Im Falle der Abtretung eines privatrechtlichen Anspruchs umfasst die dem Zessionar damit verbundene Rechtsposition auch das Recht, die durch § 228 ZPO eröffnete Rechtsschutzform zu nützen und eine den abgetretenen Anspruch betreffende Feststellungsklage zu erheben. Die Abtretung des bloßen Anspruchs, eine (negative) Feststellungsklage zu erheben, läuft aber auf die Übertragung eines reinen Prozessführungsrechts, also auf eine Prozessstandschaft, hinaus.

Das österreichische Recht kennt keine gewillkürte Prozessstandschaft. Die bloße Klagebefugnis kann als unverzichtbarer öffentlich-rechtlicher Anspruch nicht von dem ihr zugrunde liegenden materiellen Recht abgetrennt und daher nicht ohne dieses übertragen werden.

Eine Abtretung bloß des Feststellungsanspruchs auf Deckung durch den Versicherungsnehmer wäre daher nach dem bisher Gesagten jedenfalls unzulässig. Nichts anderes kann aber für den Freistellungsanspruch gelten: Soweit der Verband einen solchen abgetreten erhielte, könnte er nur die Freistellung des Versicherungsnehmers von allfälligen Rechtskosten begehren, was mit der bloßen Übertragung der Klagebefugnis gleichzusetzen wäre. Dass er zusätzlich sämtliche materiell-rechtliche Ansprüche der Versicherungsnehmer:innen aus dessen Versicherungsvertrag abgetreten erhalten würde, behauptet der Kläger gar nicht.

Der Kläger hält der Rsp des Fachsenats, ein Verbot der Abtretung von Ansprüchen gegen den Versicherer, bevor diese nicht „dem Grunde oder der Höhe nach endgültig festgestellt sind“ sei nicht gröblich benachteiligend iSv § 879 Abs 3 ABGB (jüngst 7 Ob 68/21g), in Bezug auf bereits entstandene Kostenerstattungsansprüche nichts entgegen.

Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsunternehmen später als drei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsunternehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.“ (Klausel 3) (Art 3.3 ARB 2018)

Nach gefestigter Rsp des OGH ist eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, iZm § 33 Abs 1 VersVG, wonach die Versicherungsnehmer;innen den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem sie von ihm Kenntnis erlangt haben, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen haben, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls eine Schadensanzeige erstattet wurde. Haben die Versicherungsnehmer;innen vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen.

OGH 13.12.2022, 7 Ob 160/22p

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Zum News.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das OLG Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Laufzeitrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang