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Kommentar: Zinsrückforderungen im Lichte der OGH-Entscheidungen

Die Zinsanpassungsklauseln der Banken vor 1997 waren gesetzwidrig. Wie Kredite nachzurechnen sind ist noch offen. Rückforderungen verjähren binnen 3 Jahren.

1) Der OGH gab der grundsätzlichen Kritik des VKI an der Praxis der Banken vor 1997 Recht. Die damals verwendeten Zinsanpassungsklauseln - das wurde für eine typische Klausel entschieden (4 Ob 73/03v) - verstoßen gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und sind unwirksam.

2) Das führt nicht zum ersatzlosen Wegfall von Zinsanpassungen - also zu einem Fixzinssatz - sondern das Gericht hat - unter Beiziehung von Sachverständigen - in ergänzender Vertragsauslegung den hypothetischen Parteiwillen zu erforschen. Was hätten die Parteien vereinbart, wäre ihnen bewusst gewesen, dass die Klauseln unwirksam sind? Was sind objektive und nachvollziehbare Indikatoren für die in der Klausel genannten Generalklauseln. Dabei ist sicher nicht auf einen Durchschnittszinssatz für vergleichbare Kredite abzustellen und es darf aus einem "guten Zinssatz" durch Zinsanpassungen nicht ein "schlechter Zinssatz" werden. Es ist eine Anpassungssymmetrie zu wahren: Zinserhöhungen müssen ebenso Zinssenkungen gegenüberstehen.

Wenn der OGH die neue Zinsgleitklausel pauschal als nicht geeignet bezeichnet, so greift er einer Beurteilung durch einen Sachverständigen vor. Man darf erwarten, dass zu dieser Frage in einem weiteren Musterprozess des VKI, der derzeit beim OGH anhängig ist, Klärung geschaffen wird. In diesem Verfahren hat der Sachverständige sehr wohl ausgeführt, dass der Mittelwert von SMR und VIBOR (bzw. EURIBOR) - als das Kernstück der neuen Zinsgleitklauseln - einen geeigneten Parameter darstellt, um die Generalklauseln mit Inhalt zu füllen. Da jedenfalls Teile der Ansprüche in diesem Musterprozess keinesfalls verjährt sind, wird der OGH also zur Frage der Nachkontrolle im Lichte einer unbestimmten Zinsanpassungsklausel Stellung nehmen müssen.

3) Der OGH geht - in zwei Entscheidungen (4 Ob 73/03v und 2 Ob 106/03g) - von einer analogen Anwendung der kurzen Verjährungsfrist von drei Jahren für die Rückforderung von überhöhte Mietzinszahlungen auch für Zahlungen überhöhter Kreditzinsen aus. Auch wenn der VKI diese Entscheidungen für inhaltlich falsch hält (was die Lehre dazu sagt, wird man in den Fachzeitschriften wohl in Kürze lesen können), so ist derzeit davon auszugehen, dass dies die Linie des OGH ist. Das bedeutet aber keinesfalls, dass Kreditnehmer nun nur noch einen Anspruch auf Rückzahlung zuviel verrechneter Zinsen für drei Jahre zurück geltend machen können und darüber hinausgehende Ansprüche nicht mehr durchsetzbar wären:

a) Die Gerichte werden das Argument zu prüfen haben, die Banken hätten ihre Kunden rechtswidrig (durch Vereinbarung von gesetzwidrigen Klauseln und durch eine unfaire Zinsanpassung) und schuldhaft (laut Mitteilung der Beschwerdepunkte durch die EU-Kommission in Sachen Lombard-Club-Kartell haben die beteiligten Banker bewusst eine Geschäftspolitik verfolgt, das Geschäft mittels niedriger Einstiegszinsen heranzuziehen und in der Folge die Margen der Bank zu erhöhen) geschädigt, indem sie zu hohe Zinsen verrechnet haben. Dazu kommt, dass auch allfällige Verstöße gegen das Kartellrecht schadenersatzpflichtig machen. ( Das gibt den anhängigen Verfahren vor EuGH und dem Landesgericht für Strafsachen Wien neue Brisanz!) Der Schaden der Kunden entspricht dabei der Bereicherung der Bank. Allerdings verjähren Schadenersatzansprüche erst binnen 3 Jahren ab subjektiver Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt des Schadens und Kenntnis der Person des Schädigers. Da in den vorliegenden Fällen erst eine Nachrechnung des Kredites - anhand welcher Kriterien wird erst vom OGH zu entscheiden sein - ergibt, ob überhaupt und in welcher Höhe ein Schaden eingetreten ist, wird man davon ausgehen können, dass erst ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist in Gang gesetzt wird. ( In der Praxis wird man also dzt davon ausgehen müssen, dass ab dem Zeitpunkt des Vorliegens einer Kreditnachrechnung die eine Überzahlung ergibt die Frist von drei Jahren läuft. Innerhalb dieser Frist muss man Klage einbringen. Man muss berücksichtigen, dass der Bank das Vorliegen der Berechnung dann bekannt ist, wenn man anhand derselben Rückzahlungen gefordert hat und bislang aber mit einer Klage zugewartet hat!)

b) Die Entscheidungen zur kurzen Verjährung berücksichtigen nicht, dass Annuitätenkredite idR in Form des Kontokorrent abgerechnet werden und der Anspruch auf eine Richtigstellung des Saldos bei laufender Verrechnung wohl nicht zur Verjährung von erst später entstehenden Rückforderungsansprüchen führen kann. Erst dann, wenn der Kreditnehmer - nach richtiger Abrechnung - keine Zahlungen mehr leisten müsste, nach Abrechnung der Bank aber noch Raten offen sind und - im Rechtsirrtum - bezahlt werden (Überzahlungen), sind diese Zahlungen mit Leistungsklage rückforderbar. Erst mit der Überzahlung kann wohl richtigerweise die (wenn auch laut OGH kurze) Verjährung der Rückzahlungen beginnen. Die vorliegenden Entscheidungen sind daher jedenfalls auf noch nicht zurückbezahlte Kredite nicht anwendbar. In diesen Fällen muss der Kreditnehmer auf Richtigstellung der Verrechnung klagen und die Bereicherung wäre für die gesamte Kreditlaufzeit rückzurechnen.

c) Unterstellt man den Banken Arglist, so wäre auch die Frage der Verjährung von bereicherungsrechtlichen Rückforderungsansprüchen neu zu überdenken (so Madl in ÖBA 2001, 513).

Abgesehen davon steht im Lichte der OGH-Entscheidungen fest, dass 3 Jahre zurück jedenfalls Rückforderungsansprüche bestehen können und geltend gemacht werden können. Erste Beispielsrechnungen des VKI haben ergeben, dass dies bei Krediten aus den Neunzigerjahren immer noch bis zwischen 30 und 50 Prozent der Gesamtschäden ausmachen kann.

Für betroffene Kreditnehmer stellt sich die Situation daher wie folgt dar:

Die Chancen auf Rechtsdurchsetzung hängen davon ab:

Überzahlung

> als 3 Jahre

< als 3 Jahre

noch nicht erfolgt

Nachkontrolle

 

 

 

> als 3 Jahre

keine Chance

- letzte 3 Jahre (B)

- letzte 3 Jahre (B)

- alles (K-A)

< als 3 Jahre

- alles (S)

- letzte 3 Jahre (B) - alles (S)

- letzte 3 Jahre (B)

- alles (S+K-A)

noch nicht erfolgt

- alles (S)

- letzte 3 Jahre (B) - alles (S)

- letzte 3 Jahre (B)

Legende: 1) Dieses Schema bietet einen generalisierenden Überblick. Jeder Einzelfall kann davon abweichen und wäre im Detail zu prüfen. 2) B = Bereicherung (lt. OGH - 3 Jahre ab Zinszahlung / Überzahlung ?) S = Schadenersatz (3 Jahre ab Kenntnis vom Schaden) K-A = Argumentation mit Kontokorrent bzw. Aufrechnung (Verjährung hat noch nicht begonnen)

Eines haben die OGH-Entscheidungen allerdings gebracht: Man kann nun als Kreditnehmer, wenn man sich geschädigt fühlt, nicht zuwarten, wie weitere allfällige Musterprozesse ausgehen. Die Verjährung (für Bereicherung ebenso wie für Schadenersatz) läuft und drängt zu einer raschen Klage.

Der VKI wird prüfen, ob den Betroffenen nochmals die Organisation von Sammelklagen angeboten werden kann.

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