Zum Inhalt

Mitgliedstaaten einigen sich auf EU-Sammelklage

Mit der Einführung der Sammelklage wird der Zugang zum Recht für Verbraucher klar verbessert. Der VKI begrüßt den Schritt und fordert eine zügige Umsetzung im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten.

Der EU-Ministerrat hat sich am 28.11.2019 auf die europaweite Einführung von Sammelklagen geeinigt. Die Richtlinie sieht vor, dass künftig zugelassene Verbraucherverbände bei Massenschadensfällen für geschädigte Verbraucher auf Leistung klagen können und damit auch die Möglichkeit haben Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Die Richtlinie führt damit erstmals auf europäischer Ebene ein Instrument kollektiven Rechtsschutzes ein.

Die vom EU-Rat jetzt vereinbarte Fassung bleibt in einigen Punkten hinter dem ursprünglichen Entwurf der EU Kommission vom Frühjahr 2018 zurück (sogenannter "New Deal for Consumers"). So ist etwa die Klagebefugnis für grenzüberschreitende Klagen auf etablierte Verbraucherverbände beschränkt, die strenge Voraussetzungen erfüllen müssen. Für Bagatell- und Streuschäden, bei denen für die einzelnen Verbraucher auch in Hinblick auf die aktive Beteiligung an einer Sammelklage kein Anreiz besteht, fehlen Sonderregelungen.

Eine deutliche Verbesserung bringt die Richtlinie für Klagen gegen ausländische Konzerne. Hier bestehen zurzeit eklatante Rechtsschutzdefizite für Verbraucher, die nicht nur im Zusammenhang mit dem VW-Dieselskandal klar zutage treten, sondern unter anderem auch einer effizienten Rechtsdurchsetzung bei Datenschutzverstößen entgegenstehen. Ein kollektives Vorgehen gegen internationale Konzerne wie Facebook, Google oder Amazon ist bislang in Österreich nämlich aktuell nicht möglich. Dies trifft nicht nur die geschädigten Verbraucher, sondern führt auch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zulasten österreichischer Unternehmer, weil ausländische Konzerne nicht mit effizienten Sanktionen rechnen müssen. Die neue Richtlinie führt dazu, dass auch für Klagen gegen ausländische Konzerne ein Gerichtsstand in Österreich besteht.

Ferner wird der Anwendungsbereich der Richtlinie von 15 auf insgesamt 59 EU-Rechtsakte erweitert. Nach geltendem Recht können Verbraucherschutzverbände nur gegen Rechtsverletzungen in einigen wenigen Bereichen mit Verbandsklage vorgehen. Keine Klagebefugnis besteht etwa in den verbraucherschutzrechtlich zentralen Bereichen Telekommunikation, Finanzdienstleistungen und Versicherungen, Reiserecht oder beim Datenschutz. Diese Rechtsschutzlücken werden nunmehr geschlossen.

Von Teilen der Wirtschaft geäußerte Bedenken, dass mit dem Vorschlag eine Klageindustrie nach US-amerikanischem Vorbild droht, sind unbegründet: In Österreich gibt es ein sinnvolles Kostenersatzrecht, keinen Strafschadenersatz und keine Geschworenengerichte in Zivilsachen. Die Klagebefugnis ist außerdem auf zugelassene Verbände beschränkt. Damit besteht keine Gefahr von Klagemissbrauch und kein Anreiz zu erpresserischen Klagen. Problematisch sind daher auch Einschränkungen zur Prozessfinanzierung. Wenn kein Prozessfinanzierer das Risiko übernimmt würde es in der Praxis keine Sammelklagen geben. Die Kosten und Risiken von Massenverfahren können gemeinnützige Verbraucherorganisationen nämlich nicht allein tragen.

Damit die Richtlinie in Kraft treten kann, müssen sich das Europäische Parlament, der Ministerrat und die Europäische Kommission nun in sogenannten "Trilogverhandlungen" noch auf eine gemeinsame Linie einigen. Anschließend ist die Richtlinie in den Mitgliedstaaten durch nationales Recht umzusetzen.

Wesentlich ist, dass die Richtlinie zügig verabschiedet und dann in Österreich effizient umgesetzt wird.

AK und VKI fordern: Höchste Zeit für Gruppenklagen!


Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark gibt Unterlassungserklärung ab

Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark gibt Unterlassungserklärung ab

Das Lipizzanergestüt Piber betreibt auf dem Gelände des Lipizzanergestüts Piber einen Kletterpark.
Anlässlich einer Verbraucher:innenbeschwerde hat der VKI die AGB dieses Kletterparks geprüft und die Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark, im Auftrag des Sozialministeriums, wegen zwei unzulässigen Klauseln in diesen Teilnahmebedingungen für den Kletterpark abgemahnt. Betroffen sind eine Haftungsfreizeichnungsklausel und eine Klausel, welche die Verwendung von aufgenommenen Fotos und Videos während der Aktivitäten im Kletterpark ohne weitere Zustimmung und auch für Werbezwecke erlaubt hätte.

Die Spanische Hofreitschule – Lipizzanergestüt Piber Kletterpark hat am 25.06.2024 eine außergerichtliche strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben.

Unterlassungserklärung von Temu

Unterlassungserklärung von Temu

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des BMSGPK die Whaleco Technology Limited (Temu) wegen unzureichender Zurverfügungstellung von Kontaktinformationen (konkret: Telefonnummer) auf ihrer Website abgemahnt. Die Homepagegestaltung von Temu entsprach nach Auffassung des VKI nicht den Vorgaben des FAGG. Temu hat am 24.06.2024 eine Unterlassungserklärung abgegeben.

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

zupfdi.at: VKI informiert über mögliche Rückforderungsansprüche betroffener Verbraucher:innen

Der OGH hat mit Beschluss vom 25.01.2024 (4 Ob 5/24z) das Geschäftsmodell der gewerblichen „Besitzschützer“ hinter der Website www.zupfdi.at für rechtswidrig erkannt. Das HG Wien hat in VKI-Verbandsverfahren ua die Unzulässigkeit von Klauseln über die Abtretung der Besitzschutzansprüche und die Einräumung von Mitbesitz an den bewachten Liegenschaften bestätigt. Nach Rechtsauffassung des VKI ergeben sich aus diesen Entscheidungen Rückforderungsansprüche der betroffenen Verbraucher:innen, die Zahlungen an „Zupf di“ getätigt haben.

Unterlassungserklärung der Sanag Health Care GmbH

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Sanag Health Care GmbH wegen acht Klauseln in ihrem Mietvertrag für ein Leihgerät abgemahnt. Die Sanag Health Care GmbH hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

EuGH: keine Tragung von Verfahrenskosten durch Verbraucher:innen bei missbräuchlichen Vertragsklauseln

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) äußerte sich kürzlich zu offenen Auslegungsverfahren der Klausel-Richtlinie (RL 93/13/EWG) und der Verbraucherkredit-Richtlinie 2008 (RL 2008/48/EG). Das Urteil vom 21.03.2024 (C-714/22, Profi Credit Bulgaria) betrifft ein bulgarisches Vorlageverfahren; die Aussagen des Gerichtshof sind jedoch auch für österreichische Verbraucher:innen von Relevanz.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang