Über den Schiffsfonds MPC Reefer 1 wurde am 19.11.2019 vom Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren eröffnet (Aktenzeichen 67a lN 52119). Österreichische Verbraucher:innen, die als mittelbare Kommanditisten am Fonds beteiligt sind, haben zu Beginn dieser Woche Aufforderungsschreiben des Insolvenzverwalters Dr. von Diepenbroick erhalten, bei sonstiger Klage die erhaltenen Ausschüttungen bis zum 9.12.2022 zurückzuzahlen oder einen Verjährungsverzicht abzugeben. Der Insolvenzverwalter stützt sich dafür auf eine Abtretung des Freistellungsanspruchs durch die Treuhandkommanditistin TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co KG.
Nach unserer Rechtsansicht bestehen diese Ansprüche nicht:
In einer vom VKI im Verbandsverfahren gegen die TVP erstrittenen Entscheidung (25.11.2020, 6 Ob 179/20x) wurden die Freistellungsklauseln der TVP, auf die sich nun der Insolvenzverwalter beruft, rechtskräftig als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB sowie intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG und damit rechtswidrig qualifiziert. Eine Ersetzung dieser Klauseln durch die Anwendung dispositiven Rechts (§ 1014 ABGB) scheidet nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gegenüber Verbraucher:innen aus (C-269/19, Banca B; C-125/18, Moral Guasch; OGH 9 Ob 85/17s, 8 Ob 1/18g). Damit scheiden Freistellungsansprüche der TVP gegenüber den Treugebern, die abgetreten werden könnten, aus. Mangels Rechtswirksamkeit der Abtretung besteht auch keine Rechtsgrundlage für die Forderungen des Insolvenzverwalters.
Umgekehrt dürfte die Nichtigkeit der Freistellungklauseln in Hinblick auf etwaig bereits geleistete Zahlungen Rückzahlungsansprüche der Verbraucher:innen gegenüber dem Zessionar zur Folge haben (§ 1431 ABGB, Ausfallshaftung der TVP als Zedentin), die nach gesicherter Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zwingend einer 30-jährigen Verjährungsfrist unterliegen.
Was tut der VKI?
Durch Abschluss der Abtretungsvereinbarungen verstößt die TVP unseres Erachtens gegen das vom VKI erwirkte Unterlassungsgebot; dieses beinhaltet, sich nicht auf die unzulässigen oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Der VKI hat daher eine Exekutionsführung gegen die TVP eingeleitet sowie Abmahnungen gegen die TVP und Insolvenzverwalter Dr. von Diepenbroick vorbereitet und wird – falls nötig – Verbandsklagen (§§ 28 f KSchG, § 14 UWG) einbringen, um die nun gegen österreichische Anleger:innen erhobenen Forderungen abzuwehren.
Was soll ich tun?
Wir empfehlen, der Zahlungsaufforderung nicht nachzukommen.
Wir empfehlen grundsätzlich, auch keinen Verjährungsverzicht abzugeben.
Angesichts der rechtskräftigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs und der gesicherten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs erscheint wenig wahrscheinlich, dass der Insolvenzverwalter tatsächlich mit der Einbringung von Klagen gegen jene Verbraucher:innen vorgehen wird, die weder eine Zahlung leisten noch einen Verjährungsverzicht abgeben, zumal diese Klagen in Österreich geführt werden müssten – die EuInsVO ist nicht anwendbar, die Gerichtsstandsklauseln im Treuhandvertrag sind unzulässig und damit nichtig (OGH 6 Ob 179/20x, vgl EuGH C-519/19, DelayFix). Wir können dies aber freilich nicht ausschließen.
Falls Sie das Risiko einer Klage nicht eingehen möchten und auch nicht rechtsschutzversichert sind, empfiehlt sich daher die Abgabe eines Verjährungsverzichts.
Falls Sie rechtsschutzversichert sind, empfehlen wir Ihnen, sich im Fall einer Klage des Insolvenzverwalters an unseren Vertrauensanwalt RA Dr. Sebastian Schumacher zu wenden, mit dem wir in dieser Causa zusammenarbeiten.