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Bild: Maryia Naidzionysheva / Shutterstock.com

VKI: Nova Rock Festival – „Müllbeitrag“ ist unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Nova Music Entertainment GmbH wegen der Verrechnung eines sogenannten „Müllpfandes“ in Höhe von 20 Euro geklagt. Besucher:innen des Nova Rock Festivals erhielten 10 Euro retour, wenn sie „einen mindestens halbvollen Müllsack“ zurückbrachten. 10 Euro wurden als „Müllbeitrag“ jedenfalls einbehalten. Das Landesgericht (LG) Eisenstadt beurteilte die diesbezüglichen Klauseln als gesetzwidrig, da sie unklar formuliert sind und von Festivalbesucher:innen falsch verstanden werden können. Die gewählte Formulierung („einen halbvollen Müllsack“) lässt zudem Raum für eine Ungleichbehandlung der Besucher:innen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Es ging um folgenden Sachverhalt:

„Den jährlich etwa 200.000 Besuchern des einmal pro Jahr stattfindenden Nova Rock Festivals ist es möglich, im Rahmen des Ticketkaufes zwischen unterschiedlichen Ticketkategorien zu wählen. So können Kunden zunächst zwischen Tickets für einzelne Festivaltage (Tageskarten) und Tickets für die gesamte Festivaldauer (Festivalpässe) wählen. Darüber hinaus haben Besucher die Möglichkeiten für die Dauer des Festivals auf dem Festivalgelände zu campen. In diesem Zusammenhang bietet die beklagte Partei ihren Besuchern auch mehrere – moderne und glamouröse – Alternativen, nämlich (i) Glamping, (ii) Zelthotels und (iii) Green Camping.

Die Optionen Zelthotel und Glamping bieten Besuchern abgesperrte Areale, in denen einige wenige Besucher in Zelthotels oder bereits hergerichteten glamourösen Zelten übernachten können. In diesen Arealen gibt es eine besondere Abfallinfrastruktur, welcher jedoch auch höhere Ticketkosten gegenüber Normaltickets gegenüberstehen.

Beim Green Camping erhalten Ticketinhaber Zutritt zu einem gesonderten Areal, in dem eine besonders ökologisch-orientierte Community kaum bis keinen Müll produziert und dessen Fokus darauf liegt, Besuchern mit umweltbewusster Gesinnung die Möglichkeit zu geben, sauber und ruhig übernachten zu können (unbestritten).

Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und der jahrelangen Erfahrung der beklagten Partei, dass Besucher, welche am Festivalgelände campieren oder gar übernachten, mehr Müll am Festivalgelände hinterlassen als jene Besucher, welche das Festival ohne Campingausrüstung nur tagsüber besuchen. Es wäre daher aus Sicht der beklagten Partei nicht sachgerecht den Müllpfand bzw Müllbeitrag undifferenziert von sämtlichen Besuchern zu verlangen; unabhängig davon, ob sie das Festivalgelände mit oder ohne Campingausrüstung nutzen, sodass sie die im folgenden genannten Regelungen traf.

Auf der Website der beklagten Partei www.novarock.at befanden sich unter der Rubrik FAQ zumindest bis zum Zeitpunkt des letzten Nova Rock Festivals 2024 folgende Klauseln (Beilage ./B; unstrittig):

Unter der Überschrift „MÜLLPFAND“:

„Bitte helft mit, die Umwelt zu schützen und haltet euren Campingplatz sauber!

Der Müllpfand beträgt € 20,- (vor Ort in bar zu bezahlen) davon werden euch € 10 auf euer Cashless Band zurück gebucht, wenn ihr einen mindestens halbvollen Müllsack inklusive Beleg bei den Abgabestellen zurück bringt.

Wer ein Zelt oder einen Rucksack dabei hat, gilt ungeachtet des Tickets als Camper*in, d.h. es wird Müllsackpfand

eingehoben.

Keine Rückgabe ohne Pfandbon möglich!“

Unterhalb der Überschrift „GREEN CAMPING, ZELTHOTEL, GLAMPING“:

„Alle Green Camper*innen, Glamper*innen und Zelthotelnutzer*innen sind vom Müllpfand und Müllbeitrag ausgenommen.“

Unter der Überschrift „TAGESKARTEN“:

„• für jene Tageskarten-Besitzer*innen, die an dem Tag einchecken möchten, für den ihr Ticket gilt (z.B. Samstag Tagesticket, Check In am Samstag), und Camping Equipment mitbringen: € 20,- Müllpfand & Müllbeitrag sind zu bezahlen.

• für jene Tageskarten-Besitzer*innen, die an dem Tag einchecken möchten, für den ihr Ticket gilt (z.B. Samstag Tagesticket, Check In am Samstag), und kein Camping Equipment mitbringen: € 20,- Müllpfand & Müllbeitrag sind nicht zu bezahlen.

Danke für euer Verständnis!“

Und schließlich unter der Überschrift „VIP TICKETINFO“:

„Bei dem Kauf eines VIP Tickets sind folgende Leistungen inkludiert:

• Zutritt zu den Tribünen bei den Stages und des VIP Bereiches

• Eigener Parkplatz

• Eigener Campingplatz“ (Beilage ./B)

Es war nicht möglich die auf der Website der beklagten Partei unter der Rubrik „FAQ“ vorformulierten Klauseln vor dem Festivalbesuch abzulehnen bzw war ein ausdrückliches Zustimmen zu dieser Regelung des Festivalveranstalters nicht vorgesehen (unstrittig).

Beim Nova Rock Festival 2024 stand vor Ort bei der Bandausgabe ein großes Plakat mit der Aufschrift „€ 20,- MÜLLPFAND/BEITRAG BEREIT HALTEN

HAVE € 20,- WASTE DEPOSIT/CONTRIBUTION READY“ (Beilage ./A).

Der „Müllpfand“ bzw „Müllbeitrag in Höhe von insgesamt EUR 20,-- wurde von Besuchern des Festivals bei Eintritt auf das Festivalgelände bar bezahlt. EUR 10,-- wurden jedenfalls einbehalten („Müllbeitrag“). Eine zusätzliche Leistung – neben der Leistung der Müllentsorgung – stand der Zahlung nicht gegenüber. Die restlichen EUR 10,-- konnte der Besucher zurückerhalten, wenn er einen „halbvollen“ Müllsack inklusive Beleg retourniert („Müllpfand“). Diesfalls wurden EUR 10,-- auf ein Cashless Band zurück gebucht (unstrittig).

Durch die Beseitigung des Mülls im Rahmen des Festivals entsteht der beklagten Partei ein gewisser Aufwand (unstrittig). Durch die Zahlung des Müllbeitrags bzw spätere Rückzahlung des Müllpfands werden Besucher dazu animiert, ihren Müll einzusammeln und tragen somit aktiv zum Umweltschutz bei (unbestritten).

Mit Schreiben vom 27.05.2024 mahnte die klagende Partei die beklagte Partei im Bezug auf die Passagen betreffend „Müllpfand“ in ihren AGB bzw FAQ ab und forderte die Abgabe eine Unterlassungserklärung im Sinn des Urteilsbegehrens zu Punkt 1.) samt Vertragsstrafenvereinbarung, wobei eine Vertragsstrafe in der Höhe von Euro 1.400,-- pro Klausel und pro Zuwiderhandeln gefordert wurde (Beilage ./C). Die beklagte Partei gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab (unstrittig).

Die genannten Klauseln wurden nach der Abmahnung durch die klagende Partei noch vor Einbringung der gegenständlichen Klage von der Website der beklagten Partei entfernt (unstrittig), wobei der genaue Zeitpunkt nicht festgestellt werden kann.

Die beklagte Partei änderte die oben genannten Klauseln zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls aber nach dem Nova Rock 2024 (übereinstimmendes Vorbringen).

Aktuell findet sich auf der Website der beklagten Partei den Müllbeitrag betreffend unter der Rubrik „INFO/FAQ ALLGEMEINES“ folgende Klausel (Beilage ./D, unstrittig):

„Der Müllbeitrag von 20€ ist - einmalig für die gesamte Festivaldauer - vor dem erstmaligen Betreten des Festivalgeländes zu bezahlen und kann entweder vor Ort in bar, vorab über das Cashless-System oder vorab auf http://oeticket.com durch Kauf eines „Müllbeitrag-Tickets" erworben werden. Vor Ort bekommst Du von uns einen Müllsack und einen Pfandbon. Wenn Du einen zumindest halbvollen Müllsack und den Pfandbon bei den Abgabestellen zurückbringst, erhältst Du einen Betrag von EUR 10,- auf dein Cashless Konto zurückerstattet.

Ausgenommen vom Müllbeitrag sind Tageskarten, VIP, Glamping, Zelthotel und Green Camping.““

Das Gericht urteilte wie folgt:

Im gegenständlichen Fall ist sind die Klauseln unter der Überschrift „Müllpfand“ unklar bzw jedenfalls missverständlich und damit intransparent. Im letzten Absatz der inkriminierten Klausel heißt es „Wer ein Zelt oder einen Rucksack dabei hat, gilt ungeachtet des Tickets als Camper*in, d.h. es wird Müllsackpfand eingehoben.“ und vermittelt den Eindruck, dass – unabhängig vom Ticket – jeder mit einem Zelt oder Rucksack einen „Müllsackpfand“ zu leisten hat. Einen Absatz weiter mit der Überschrift „Green Camping, Zelthotel, Glamping“ wird aber genau das Gegenteil beschrieben, nämlich dass „Alle Green Camper*innen, Glamper*innen und Zelthotelnutzer*innen [...] vom Müllpfand und Müllbeitrag ausgenommen [sind].“. Unklar bleibt, ob nun Personen mit einem Green Camping, Zelthotel oder Glamping Ticket, wenn sie ein Zelt oder einen Rucksack mitnehmen auch den Müllbeitrag bzw. Müllpfand zahlen müssen. Weiters im nächsten Absatz unter der Überschrift „Tageskarten“ wird im ersten Punkt mitgeteilt, dass „für jene Tageskarten-Besitzer*innen, die […] Camping Equipment mitbringen: € 20,- Müllpfand & Müllbeitrag […] zu bezahlen [sind].“, daher hier wiederum unklar bleibt, was genau unter „Camping Equipment“ fällt oder ob hier – wie bereits im ersten Absatz – der „Müllpfand“ bzw „Müllbeitrag“ beim Mitnahme von einem Zelt oder einem Rucksack zu bezahlen ist. 

Die Klausel bzw diesbezüglichen Bestimmungen der beklagten Partei sind daher insgesamt verwirrend und auch undefiniert. Es bleibt unklar, ob die Mitnahme jedes Rucksacks – unabhängig von der Größe oder Beschaffenheit des Rucksacks (zB als Camping-Rucksack) – schon die Verpflichtung der Bezahlung des „Müllbeitrages“ bzw „Müllpfandes“ mit sich zieht. 

 

Was unter „Camping Equipment“ fällt wird nicht erklärt. Schließlich entsteht durch die unterschiedliche Verwendung der Begriffe, einmal allein „Müllpfand“, dann wieder „Müllpfand“ und „Müllbeitrag“ und einmal nur „Müllsackpfand“ der Eindruck, dass es hier mehrere relevante, gegebenenfalls zu leistende Beiträge gibt bzw. kein einheitliches Bild, was zur Verwirrung der Verbraucher führen kann. Eine Unklarheit liegt aufgrund der Begrifflichkeiten jedenfalls vor.

Ebenfalls unklar ist, ab wann die EUR 10,-- zurückgezahlt werden. In der Klausel findet sich nur, dass auf das Cashless Band EUR 10,-- zurückgebucht werden, wenn man „mindestens [einen] halbvollen Müllsack inklusive Beleg bei den Abgabestellen zurück bringt“. Die Verwen dung „halbvoller Müllsack“ ist aber unzureichend bzw zu undefiniert. Es ist sowohl für die Verbraucher, als auch für die Mitarbeiter, die dies zu bewerten haben, nicht einheitlich durchzuführen bzw lässt Spielraum für willkürliche Entscheidungen offen. Es gibt Müllsäcke in ganz unterschiedlichen Größen. Schließlich kann man auch nicht davon ausgehen, dass jeder Mensch dasselbe Empfinden hat, was „halbvoll“ bedeutet und nicht eine eindeutige Maßangabe ist, wie beispielsweise eine Gewichtsangabe. Auch bleibt es unklar, ob die Besucher ihren Müllsack selbst mitnehmen müssen oder ob sie vom Veranstalter Müllsäcke zur Verfügung gestellt bekommen.

Die von der klagenden Partei beanstandeten Formulierungen in den FAQ der beklagten Partei sind nicht eindeutig bzw. unklar. Die Bestimmungen können im Inhalt und Bedeutung vom typischen Durchschnittskunden falsch verstanden werden und entsprechen damit nicht dem Transparenzgebot (Verständlichkeitsgebot).

Gemäß § 879 Abs 3 ABGB ist eine in den AGB oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, jedenfalls dann nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles einen Teil gröblich benachteiligt. Bezugnehmend auf die von der klagenden Partei ins Treffen geführte Entscheidung des OGH zu 9 Ob 18/23x ist zunächst festzuhalten, dass es sich dabei um einen Fall zwischen einem Pauschalreiseveranstalter und einem Verbraucher handelte, bei dem der Veranstalter einen „Green-Beitrag“ verrechnete, dem gegenüber keine Zusatzleistungen abgegolten wurden. Es stellt daher die Klausel eine gesonderte in die AGB „verschobene“ Abgeltung von einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten (hier: Reise- einschließlich Beherbergungsvertrag) verbundenen Leistung dar (Müllentsorgung) und wurde vom OGH als gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB festgehalten.

Diesbezüglich muss im gegenständlichen Fall zunächst zwischen dem „Müllbeitrag“ und dem „Müllpfand“ unterschieden werden, denn der „Müllpfand“ in Höhe von EUR 10,-- kann bei Rückgabe eines „halbvollen“ Müllsacks zurückverlangt werden. Diese Regelung allein erscheint insofern nicht gröblich benachteiligend, als ein Müllpfand, welcher unter bestimmten Voraussetzungen zurückbezahlt wird, gerade kein Entgelt für Zusatzleistungen ist, sondern – wie auch tatsächlich vom Veranstalter des Festivals angedacht – wie ein „normaler“ Pfand wirkt. Richtig erscheint das Argument der beklagten Partei, dass durch die Bezahlung eines Müllpfands die Festivalbesucher dazu angehalten werden ihren eigenen Müll wieder einzusammeln und nicht wahllos auf den Boden zu werfen, was gleichzeitig auch der Umwelt zugute kommt. Anderes gilt – wie bereits auch schon oben erwähnt – hinsichtlich der ungenauen Verwendung, „halbvollen“ Müllsack. Dies lässt Spielraum die Besucher ungleich zu behandeln.

Hinsichtlich des „Müllbeitrages“ ist nicht ersichtlich, welche zusätzlichen Leistungen die beklagten Partei dem gegenüber stellt. Aus Sicht des erkennenden Gerichtes gehört es klar zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Festivalveranstalters, den Müll nach der Veranstaltung zu entsorgen. Der „Müllbeitrag“ stellt also im Ergebnis eine „verschobene“ Abgeltung einer im Regelfall mit der Erfüllung der vertraglichen Pflichten (Festivalveranstaltung) der beklagten Partei verbundenen Leistung – nämlich der Müllentsorgung – dar. Der Beitrag ist daher als Zuschlag zur „Hauptleistungspflicht“ bzw. Zusatzleistung anzusehen und damit gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. Damit einhergehend liegt auch ein Verstoß gegen § 6c KSchG vor. Gemäß § 6c KSchG kommt eine Vereinbarung, mit der sich ein Verbraucher neben dem für die Hauptleistung vereinbarten Entgelt zu weiteren Zahlungen – etwa als Entgelt für eine Zusatzleistung des Unternehmers – verpflichtet, nur zustande, wenn ihr der Verbraucher ausdrücklich zustimmt. Mit dem Begriff „Ausdrücklichkeit“ in § 6c Abs 1 KSchG ist anderes gemeint als nach herkömmlichem nationalen Verständnis. Dies wird dadurch zum Ausdruck gebracht, dass in § 6c Abs 1 zweiter Satz beispielhaft klargestellt wird, dass die bloße Nichtablehnung von Voreinstellungen für das Ausdrücklichkeitserfordernis nicht ausreicht (Barth/Dokalik/Potyka, ABGB (MTK)27 § 6c KSchG, Stand 1.7.2022, rdb.at). Es war, wie festgestellt, nicht möglich die auf der Website der beklagten Partei unter der Rubrik „FAQ“ vorformulierten Klauseln vor dem Festivalbesuch abzulehnen. Auch die festgestellten Formulierungen auf einem großen Plakat bei der Bandausgabe, aus welchen sich jedenfalls keine ausreichende Aufklärung über die Regelungen der beklagten Partei betreffend Müllpfand bzw. -beitrag ergab, können nicht zur geforderten ausdrücklichen Zustimmung eines Verbrauchers zu den diesbezüglichen Bestimmungen führen. Vielmehr entsteht durch das Plakat der Eindruck, dass die Besucher des Festivals keine „freie“ Entscheidungswahl beim Eintritt auf das Festivalgelände haben, sondern – um am Festival teilnehmen zu können - € 20,-- an Müllpfand bzw. -beitrag bezahlen müssen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Landesgericht Eisenstadt 34 Cg 53/24z 11.12.2024

Klagsvertreter: Dr Sebastian Schumacher, RA in Wien

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