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OGH im Zinsenstreit: Klauseln sind nichtig / Rückforderungen verjähren in drei Jahren

Der OGH hat die Praxis der Zinsanpassungen vor 1997 für gesetzwidrig erklärt, allerdings eine Verjährungsfrist von drei Jahren angenommen. Der VKI fordert von den Banken einen Verjährungsverzicht und klagt auf Unterlassung des weiteren Berufens auf unwirksame Klauseln.

Der Streit um unfaire Zinsanpassungen bei variabel verzinsten Verbraucherkrediten
beschäftigt seit Jahren die Untergerichte. Nun hat der OGH - in einem Musterprozess der AK Steiermark gegen die BAWAG - eine erste aktuelle Entscheidung gefällt:

1. Die Zinsanpassungsklausel ist gesetzwidrig und (teil-)nichtig

Geprüft wurde eine typische Zinsanpassungsklausel, die auf das Zinsniveau bei Ein-
lagen sowie auf Geld- und Kapitalmarkt abstellte. Diese Klausel verstößt gegen § 6
Abs 1 Z 5 KSchG aF und ist (teil-)nichtig.

Der OGH geht davon aus, dass Umstände für einseitige Preiserhöhungen im Vertrag
nur dann klar umschrieben sind, wenn der Sachverhalt deutlich, eindeutig und un-
missverständlich und nicht in Art von Generalklauseln dargestellt wird. Bei Bezugnahme auf verschiedene Umstände ist deren Verhältnis zueinander festzulegen. Die
Bestimmung ist nur dann wirksam, wenn sich hinreichend deutlich erkennen lässt,
innerhalb welcher Grenzen die Zinsveränderung vorgenommen werden darf, um so
den Gestaltungsspielraum der zur Anpassung berechtigten Vertragspartei festzulegen
und willkürliches Handeln zu Lasten der anderen Vertragspartei auszuschließen.

Die beurteilte Klausel knüpft an einer Vielzahl von Lebenssachverhalten an und um-
schreibt dieses allgemein, generalklauselartig unter Verwendung von unbestimmten
Begriffen. Die Klausel ist daher mangels Bestimmtheit unwirksam.

Die von der beklagten Partei für die Gültigkeit der Klausel zitierten OGH-
Entscheidungen der Vergangenheit sind alle nicht einschlägig, weil jeweils das
KSchG nicht anwendbar war. Die bereits rechtskräftigen Urteile von Untergerichten
zur Wirksamkeit solcher Klauseln (HG Wien, ÖBA 2001, 995 und LG Salzburg, ÖBA
2002, 415) wurden ausdrücklich abgelehnt.

(Damit ist der zentrale Punkt in der Argumentation des VKI gegen sie Banken gewonnen worden: Die Zinsanpassungsklauseln vor 1997 sind gesetzwidrig.)

2. Rechtsfolgen der Unwirksamkeit

Mit der Unwirksamkeit der Beschreibung der Umstände der Zinsanpassung fällt aber
nicht die gesamte Klausel weg und es ist kein Fixzinssatz zu unterstellen. Die Vereinbarung variabler Zinsen bleibt vielmehr bestehen und das Gericht hat eine Vertragsanpassung nach dem hypothetischen Parteiwillen vorzunehmen.

Der OGH lehnt die Heranziehung der neuen Zinsgleitklausel ab, weil diese der Bank
keinen Ermessenspielraum einräume. Andererseits lehnt der OGH auch die Argumentation der BAWAG ab, eine Vertragsergänzung habe sich an einem Durchschnittszinssatz für vergleichbare Kredite zu orientieren. Der individuell vereinbarte
Zinssatz verlöre so jede Bedeutung. Das Kreditinstitut ist - so der OGH - nicht berechtigt, einen zunächst mit dem Kunden vereinbarten Zinssatz im unteren Bereich
durch Zinsanpassungen bei Änderung des Marktzinsniveaus einseitig in den oberen
Bereich zu verlagern. Im Sinne einer "Anpassungssymmetrie" müsse die Klausel
"zweiseitig" gelesen und angewendet werden.

Im übrigen wurde das Erstgericht beauftragt im zweiten Rechtsgang mit einem
Sachverständigen objektive Parameter für eine Vertragsauslegung zu ermitteln.

(Es war ungünstig, dass in diesem Verfahren noch kein Sachverständiger bestellt
worden war, sodass der OGH sich nicht damit beschäftigen musste, dass gerade
SMR und VIBOR/EURIBOR solche objektiven Parameter darstellen. Weiters legt der
OGH nicht dar, wie bei einer nachprüfenden Kontrolle ein "Ermessenspielraum" für
die Bank erhalten werden sollte. Tatsächlich wird man davon ausgehen müssen, dass die Bank diesen Ermessenspielraum durch die Verwendung einer gesetzwidrigen Klausel verspielt hat und dieses Ermessen nun auf das Gericht übergeht. Dieses
wird nunmehr aber anhand objektiver Parameter mit klaren Regeln für den Zeitpunkt
und das Ausmaß von Anpassungen, somit anhand einer Zinsgleitklausel, die Zinsanpassungen zu kontrollieren haben. Zu dieser Frage darf man sich in den Urteilen
des OGH in den Musterprozessen des VKI - wo Gutachten von Sachverständigen
vorliegen - klarere Aussagen erwarten.)

3. Rückforderungsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren ab Zinszahlung

Der OGH legt zunächst dar, dass die Rückerstattung von irrtümlich geleisteten Zahlungen, nach allgemeinen Regeln nach 30 Jahren ab Erbringung der Leistung ver-
jährt und folgt dann den Argumenten von Madl (ÖBA 2001, 513) und Vonkilch (WoBl
2003, 161 ff) für eine analoge Anwendung der kurzen dreijährigen Verjährungsfrist.

Der OGH stützt sich auch auf eine Entscheidung des BGH (NJW 1986, 2564), wo-
nach der Bereicherungsanspruch bei der irrtümlichen Zahlung von Raten aus einem
nichtigen Kreditvertrag sofort mit Zahlung entstehe und nicht erst nach Abschluss
aller Ratenzahlungen. Damit würden aber regelmäßig wiederkehrende Rückzahlun-
gen zu erbringen sein. Diese Sicht ist die Basis für eine Analogie zu § 27 Abs 3 MRG
und § 5 Abs 4 KlGG.

(Der OGH setzt sich nicht damit auseinander, dass bei einem Annuitätenkredit ein Kotokorrent besteht und bei überhöhter Zinsverrechnung unserer Ansicht nach nur
ein Anspruch auf Richtigstellung des Saldos besteht, nicht aber auf Rückzahlung
eines Teiles der Rate. Erst ab dem Zeitpunkt, wo bei richtiger Zinsverrechnung der
Kredit zurückbezahlt wäre, besteht ein Anspruch auf Leistung der dann darüber hinaus zuviel bezahlten Raten.

Zur BGH-Entscheidung im speziellen:

Die Verjährung von Ansprüche auf Rückforderung von zuviel berechneten Zinsen
war in Deutschland zunächst strittig gewesen (vgl einerseits z.B. Canaris, ZIP
1986, 273, und andererseits z.B. Kohte, NJW 1986, 1591, mit Hinweis auf dem
Stand von Rsp und Lehre). Die Rechtsprechung in Deutschland geht aber
mittlerweile klar von der Anwendbarkeit der regelmäßigen
Verjährungsfrist des § 195 BGB (30 Jahre) aus (vgl BGH 23.10.1990, NJW
1991, 220, und bereits BGH 2.10.1986, NJW 1997, 181; so auch zur
Rückerstattung des Disagios: BGH 12.10.1993, NJW 1993, 3257; siehe hiezu
Reifner, Die Anpassung variabler Zinssätze im Kreditverhältnis, JZ 1995, 86).

Die Entscheidung des BGH vom 10.7.1986 (vgl BGHZ 98, 174), wonach der
Rückforderungsanspruch innerhalb der kurzen Verjährungsfrist des für
regelmäßig wiederkehrende Zahlungen geltenden § 197 BGB zu stellen sei, ist
somit vereinzelt geblieben. Im übrigen kann auch diese vereinzelte
Entscheidung schwerlich als Argument für die dreijährige Verjährungsfrist
herangezogen werden: Der OGH folgt nämlich genau den Argumenten, die
Graf gegen diese Lösung des BGH vorgetragen hat (G. Graf, ecolex 1994,79 f).
Er stellt auf die Einmaligkeit der Leistung ab und nimmt keine Säumigkeit des
Bereicherungsgläubigers an, sodass die kurze Verjährungsfrist nicht zu begründen ist.)

Der OGH zieht dann eine Rechtsanalogie zu jenen Regelungen des Mietrechtsgesetzes, wonach überhöhte Mietzinse nur binnen drei Jahren klagsweise durchgesetzt werden können.

(Diese Analogie ist unserer Ansicht nach verfehlt. Bei Mietzinszahlungen besteht
kein Kontokorrent. Der Mieter zahlt monatlich den vorgeschriebenen Zins; ist dieser
überhöht, hat er sofort einen Anspruch auf Rückzahlung. Es gibt klare gesetzliche
Regeln, anhand derer die gesetzlich zulässige Höhe des Mietzinses idR überprüfbar
ist. Dagegen ist die Höhe von Kreditzinsen gesetzlich in keiner Weise geregelt und
eine Rückzahlung von zuviel verrechneten Zinsen kann erst verlangt werden, wenn
der Kredit - bei richtiger Verrechnung - ausbezahlt wäre. Der OGH hat also Äpfel mit
Birnen verglichen, um ein offenbar gewünschtes Ergebnis zu erreichen.

Zu Vonkilchs Argument im speziellen:

§ 27 Abs 3 MRG ist nach seinem Wortlaut auf die §§ 15 bis § 26 MRG anwendbar.
Die Rückforderung überhöhter Kreditzinsen gründet auf der Tatsache, dass unwirksame
Preisanpassungsklauseln ( § 6 Abs 1 Z 5 KSchG) vereinbart wurden und die Überzahlung
bereicherungsrechtlich - innert der 30-jährigen Verjährung - rückforderbar sind. Im
Anwendungsbereich des § 27 Abs 3 MRG findet sich jedoch kein Anspruch, der mit dieser
Konstellation vergleichbar ist.

Jener Anspruch im Mietrecht, der am ehesten mit der dargestellten Situation vergleichbar ist,
ist eine Überzahlung der Miete aufgrund einer rechtsunwirksamen Zinsanpassungsklausel nach §
16a MRG. Diese Bestimmung normiert die Rechtsunwirksamkeit einer Zinsanpassungsklausel,
die bei gesetzlichen Änderungen über die Höhe des Hauptmietzinses eingreifen soll. Einerseits
wird eine derartige Erhöhung durch den Vermieter den Mieter - im Gegensatz zu Zinsänderungen
im Kreditbereich - recht selten treffen. Andererseits genügt hier ein Blick in das Gesetz, um die
Unzulässigkeit der Mieterhöhung ausmachen zu können (Zu Schlichtungsverfahren im Mietrecht
noch weiter unten). Außerdem wurde dieser Tatbestand gleichzeitig mit § 27 Abs 3 MRG
eingeführt, sodass der Hinweis von Vonkilch auf die Entstehungsgeschichte des § 27 Abs 3
MRG ins Leere geht.

Hingegen bestimmt § 16 Abs 9 MRG, dass eine an sich zulässige Anpassung aufgrund einer
Wertsicherungsklausel (welche per definitionem für den Mieter leicht überprüfbar ist) nur dann
unwirksam ist, wenn damit der gesetzliche Hauptmietzins überschritten wird. Auch hier besteht
keine Ähnlichkeit zur Rückforderung überhöhter Kreditzinsen.

Weiters ist von § 27 Abs 3 MRG jener Fall erfasst, wo ein unzulässiger Hauptmietzins bei
Vertragsabschluss (!) vereinbart wurde. Der Mieter hat in diesem Fall also drei Jahre ab Vertragsabschluss
Zeit, einen überhöhten Mietzins - der sich zudem in diesen drei Jahren meist nicht ändern wird
- bei einer Mietereinrichtung oder bei Gericht überprüfen zu lassen - ganz im Gegenteil zu
Zinsänderungen im Kreditbereich, wo Zinsänderungen ständig stattfinden und eine Überprüfung
jeder einzelnen Änderung unzumutbar erscheint und zudem nur vom Gericht durchgeführt werden
könnte. Bei der Rückforderung überhöhter Kreditzinsen wird jedoch die Vertragsäquivalenz im
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht beanstandet.

Ebenso sind Erhöhungen gem §§ 18 ff MRG einem speziellen Verfahren unterworfen, so dass eine
einfache Überprüfung auf deren Rechtmäßigkeit durchgeführt werden kann. Dies gilt auch für
erhöhte Betriebskosten (Rechnungslegung entgegen des abzulehnenden "betriebswirtschaftlichen
Offenbarungseid" der Banken).

Es ist also deutlich zu sehen, dass die speziellen Vorschriften des MRG nicht einfach auf die allgemeinen
Grundsätze des allgemeinen Zivilrechts im Wege einer Analogie anwendbar sind.)

Der OGH legt dann offen, was er sich von dieser Lösung verspricht:

a) Es sei die Gefahr gebannt, dass die Banken im Lichte von exorbitanten Rückforderungen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.

b) Es werde eine Flut von Prozessen vermieden, bei dem sich die Kläger (wie nett)
einem hohen Prozesskostenrisiko aussetzen würden.

(Eine scheinbar "salomonische Lösung" mit bitterem Beigeschmack: Es steht fest,
dass die Banken gesetzwidrig gehandelt haben, aber den Unrechtsgewinn dürfen sie
- die gerichtliche Klärung hat sich lange genug verzögert - behalten.)

OGH 24.6.2003, 4 Ob 73/03v
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Was bedeutet diese Entscheidung für die Praxis:

1) Die Entscheidung zur Verjährung nennt die Gegenargumente der Lehre (Graf,
Bydlinsky, Korinek, Mader und Beclin) für "beachtlich". Man kann also diese Frage
durchaus kontrovers sehen. Es bleibt daher abzuwarten, ob sich in den Musterprozessen des VKI, die beim OGH anhängig sind, auch andere Senate des OGH dieser
Meinung anschließen, oder sehr wohl die dreißigjährige Verjährung angenommen
wird. Dann wäre die Entscheidung eines "verstärkten Senates" zu Klarstellung nötig.
Eine solche Vorgangsweise wäre der Wichtigkeit der Angelegenheit angemessen.

2) Verfestigt sich diese Judikatur, dann ist ein großer Teil der Rückforderungsansprüche - soweit nicht schon eingeklagt - verjährt.

- Wenn der Kredit vor mehr als drei Jahren zurückbezahlt wurde, gibt es gar nichts
mehr; wenn er erst vor kurzem zurückbezahlt wurde, nur ein "Butterbrot".

- Wenn der Kredit noch zum Teil aushaftet, dann gibt es noch eine Chance: Die
Bank beruft sich bei jeder Saldomitteilung implizit auch auf die alte - gesetzwidrige -
Klausel. Der VKI hat daher umgehend gegen die BAWAG stellvertretend für alle
Banken, die berechtigten Rückforderungsansprüchen die kurze Verjährungsfrist ein-
wenden - eine Verbandsklage auf Unterlassung der Berufung auf die gesetzwidrigen
Klauseln eingebracht; Ziel ist es, bei noch nicht rückgezahlten Krediten eine Saldokorrektur zu erreichen und damit die Rückforderungsansprüche der Kreditnehmer
(unabhängig von der kurzen Verjährungsfrist) durchzusetzen

3) Das Urteil ist ein Schlag für das Image der Banken. Man hat mit gesetzwidrigen
Klauseln unfaire Zinsverrechnungen getarnt und braucht den Unrechtsgewinn nun-
mehr nicht herausgeben. Der VKI hat daher die österreichischen Banken aufgefordert, sich nicht hinter dem Einwand der Verjährung zu verschanzen und zum einen -
für die letzten drei Jahre - einen globalen Verjährungsverzicht abzugeben. Tun die
Banken das nicht, muss man Kreditnehmern raten, zumindest Rückforderungen
bezogen auf die letzten drei Jahre sofort einzuklagen; Sammelklagen wären die Folge. Zum anderen sollten die Banken unabhängig von einer Verjährung pauschale
Zinsrückerstattungen für betroffene Kreditnehmer anbieten, um das Vertrauen der
Kunden in die Kreditwirtschaft wiederherzustellen.


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