Zum Inhalt

OGH: Klage gegen Reiseveranstalter wegen Unfalls auf Tagesausflug

Wer als Veranstalter auftritt, schließt auch dann einen Reiseveranstaltungsvertrag ab, wenn er in den AGB darauf hinweist, dass er nur Vermittler ist. Er haftet daher auch als Reiseveranstalter.

Die Klägerin buchte beim beklagten Reiseveranstalter eine Pauschalreise in die Dominikanische Republik. Pkt 2 der "Allgemeinen Reisebedingungen" der Beklagten lautet:"Für die von uns angebotenen Fremdleistungen (zB Ausflüge am Urlaubsort) haften wir nur als Vermittler im Umfange des Teils A der ARB 1992".

Am Urlaubsort buchte die Klägerin bei einer Reisebetreuerin der Beklagten einen Bootsausflug, der in einem "Wochenprogramm" aufgelistet war. Diese Ausflüge waren nicht vom Pauschalreisevertrag umfasst. Die Beklagte war nicht Veranstalterin dieses Ausflugs.

Beim Bootsausflug folgte die Klägerin den Anweisungen der Ausflugsbegleiter bzgl des Aussteigens. Dieses Aussteigen entsprach nicht der guten Seemannschaft und den internationalen Standards bzw Sorgfaltsmaßstäben für die Passagierschifffahrt. Die Klägerin stürzte dabei. Die Folge waren Verletzungen, durch die sie später ihren Arbeitsplatz verlor. Sie klagte den Reiseveranstalter ua auf Schmerzengeld, Kosten der Heilbehandlung und Verdienstentgang.

Ob jemand als Reiseveranstalter oder Reisevermittler abschließt, bestimmt sich danach, wie er gegenüber dem Reisenden aus dessen Sicht auftritt, ob er erklärt, die Reiseleistung in eigener Verantwortung zu erbringen oder sie bloß zu vermitteln. Es kommt darauf an, wie der Reisende als redlicher Erklärungsempfänger die Erklärungen zB eines Reisebüroinhabers (oder seiner Vertreter) verstehen konnte. Widersprüchliche Erklärungen, ob jemand als Veranstalter oder Vermittler den Vertrag schließt, sind entsprechend § 915 ABGB dahin zu verstehen, dass er als Veranstalter abschließt.

Wer als Veranstalter auftritt, schließt auch dann einen Reiseveranstaltungsvertrag, wenn er bloß in AGB darauf hinweist, er sei nur Vermittler. Ein Reiseunternehmer haftet bei unterlassener Offenlegung seiner Vermittlerstellung als Veranstalter (als Reiseveranstalter "kraft Anscheins"). Diese Grundsätze gelten auch für eine am Urlaubsort gebuchte Zusatzleistung.

Die Beklagte hat am Urlaubsort in einem "Wochenprogramm" ihren Kunden die Buchung von Ausflügen bei ihrer Reisebetreuerin angeboten. Dieses Werbeblatt trug in der ersten Zeile unmittelbar neben dem in fetter Großschrift gedruckten Wort "Wochenprogramm" unübersehbar Logos der Beklagten. Der Werbeeinsatz und der Buchungsaufwand wurden von einer Mitarbeiterin der Beklagten durchgeführt. Diese Bemühungen gingen über eine bloße Unterstützung ihrer Kunden bei der Beschaffung einer Fremdleistung hinaus und ließen aus der Sicht der Reisenden auf eine eigene Veranstaltung der Beklagten schließen. Der Hinweis am unteren Ende des Werbezettels "Die Verantwortung für Organisation und Durchführung der Ausflüge trägt die Firma I*****" zerstört den geschaffenen Hinweis nicht.

Allein seine Anordnung und sein Kleindruck ließen ihn im Vergleich zu dem sehr viel größer geschriebenen Text bzw zu den sehr viel größeren Abbildungen am Beginn des Werbeblatts als nicht wichtig erscheinen und verleiteten zu seiner Nichtbeachtung. Umso weniger konnte in dieser Situation Punkt 2. der "Allgemeinen Reisebedingung" klarstellend dahin wirken, dass die Beklagte mit Bezug auf am Urlaubsort zu buchende Ausflüge nur als Vermittler tätig wird.

Der Klage wurde stattgegeben.

OGH 29.1.2015, 6 Ob 22/14z

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

Eine Rechtsanwaltskanzlei hatte eine einstweilige Verfügung (eV) gegen die Zupf di Besitzschutz GmbH begehrt, wonach diese die von ihr kommerziell betriebene Abmahnpraxis bei behaupteten Besitzstörungen zu unterlassen habe. Die Antragsgegnerin hatte eine Website (zupfdi.at) betrieben, bei der Betroffene eine Besitzstörung durch das widerrechtliche Abstellen von Kfz melden und deren Ansprüche an die Antragsgegnerin abtreten konnten, woraufhin diese Abmahnschreiben an die (vermeintlichen) Besitzstörer versandte. Der OGH gab der Antragstellerin mit Beschluss vom 25.01.2024 recht und erließ die eV; das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in der betriebenen Form ist somit unzulässig. Der Beschluss des OGH ist rechtskräftig.

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Kostenfreier Rücktritt von Pauschalreise – Situation zum Rücktrittszeitpunkt maßgeblich

Art 12 Abs 2 Pauschalreise-RL ist dahingehend auszulegen, dass für die Feststellung, ob „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ aufgetreten sind, die im Sinne dieser Bestimmung „die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen“, nur die Situation zu berücksichtigen ist, die zu dem Zeitpunkt bestand, zu dem der Reisende vom Reisevertrag zurückgetreten ist.

Ausgleichszahlung nur bei rechtzeitigem Einfinden am Flughafen

Ausgleichszahlung nur bei rechtzeitigem Einfinden am Flughafen

Voraussetzung für die in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung im Fall einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der geplanten Ankunftszeit ist das rechtzeitige Eintreffen des Fluggastes zur Abfertigung bzw im Fall einer online Registrierung das rechtzeitige Einfinden am Flughafen bei einem Vertreter des ausführenden Luftfahrtunternehmens.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang