Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Österreichische Post ua wegen folgender Klausel in ihrem Nachsendeauftrag.
„Ich bin für allenfalls angeführte Mitumzieher zum Abschluss des Nachsendeauftrags beauftragt und bevollmächtigt. [Abs 1]
Es gelten die AGB Nachsendeauftrag Ö* AG in der jeweils gültigen Fassung, verfügbar u.a. unter www.*.at/agb. [Abs 2]
Information über Datennutzung: Ihre personenbezogenen Daten (Anrede, Titel, Vorname, Nachname, Geburtsdatum, Adresse) können von der Ö* AG an Dritte gem. § 151 Gewerbeordnung zu Marketingzwecken übermittelt werden. [Abs 3]
Sie sind jederzeit und ohne Angabe von Gründen berechtigt, die Übermittlung an Dritte zu Marketingzwecken zu untersagen. In diesem Fall kreuzen Sie das nachfolgende Kästchen an oder richten Sie Ihren Widerspruch an www.*.at/kontaktformular, 0800 * oder mittels Schreiben an das *kundenservice, *. [Abs 4]
□ Ich bin mit einer Datenweitergabe nicht einverstanden.“
Aktivlegitimation des VKI
Durch C-319/20 hat der EuGH geklärt, dass hier die DSVGO der Klagebefugnis des klagenden Vereins nicht entgegensteht (vgl 6 Ob 106/22i). Der neuerliche Unterbrechungsantrag der Beklagten in Hinblick auf C-757/22 wurde abgewiesen. Die Frage von C-757/22 wäre hier nur dann präjudiziell, wenn es auf die auf Datenschutzverstöße gestützte Klagebefugnis des Klägers nach Art 80 Abs 2 DSGVO ankäme. Die beanstandete Klausel erweist sich in ihrer Gesamtheit schon allein aus Gründen, die nicht auf Verstößen gegen die DSGVO beruhen, als unzulässig.
Unzulässigkeit der Klausel
Zu Abs 1: Abs 1 der Klausel kann nicht isoliert betrachtet werden. Sämtliche Absätze beziehen sich auf die Einrichtung eines Nachsendeauftrags und können nicht ohne Bedeutungswandel aus diesem Kontext herausgelöst werden. Bei Betrachtung der gesamten Klausel ist bei gebotener kundenfeindlichster Auslegung davon auszugehen, dass dem Verbraucher mit Abs 1 die Beweislast nicht nur für die Bevollmächtigung zum Abschluss des Nachsendeauftrags, sondern auch für die Vertretungsbefugnis bei der Abgabe von Willenserklärungen iZm der Regelung der Datenweitergabe an Dritte aufgebürdet wird. Da Abs 3 und 4 der Klausel aber als unzulässig zu beurteilen sind (s unten), ist auch die Erklärung über die Beweislast des Verbrauchers in diesem Zusammenhang geeignet, diesem ein unklares Bild seiner vertraglichen Rechte und Pflichten zu vermitteln, kann er doch die Wirkungen der von ihm abgegebenen Erklärungen zu Lasten seiner Mitbewohner aus dem Inhalt der Klausel heraus nicht verlässlich beurteilen (Verstoß gegen § 6 Abs 3 KSchG).
Zu Abs 2: § 20 Abs 2 Postmarktgesetz (PMG) ähnelt dem (mit dem TKG 2021 außer Kraft getretenen; s § 133 TKG 2021) § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003; die Bestimmungen sind aber nicht deckungsgleich. Im vorliegenden Fall muss die Frage, ob § 20 PMG ein – § 25 Abs 2 und 3 TKG 2003 vergleichbares – einseitiges Vertragsänderungsrecht des Universaldienstbetreibers normiert, nicht abschließend beantwortet werden, weil der zu beurteilende Abs 2 der Klausel selbst unter Zugrundelegung einer derartigen Auslegung des § 20 Abs 2 PMG unwirksam ist: Der Verweis auf die Geltung der „AGB Nachsendeauftrag Ö* AG in der jeweils gültigen Fassung“ kann bei kundenfeindlichster Auslegung als ein vom Prozedere des § 20 Abs 2 PMG (Inkrafttreten frühestens zwei Monate nach Veröffentlichung) unabhängiges, einseitiges vertragliches Änderungsrecht nach Art eines dynamischen Verweises verstanden werden, das auch auf bereits abgeschlossene Nachsendeaufträge und unabhängig von der Zeit, die seit der Veröffentlichung nicht ausschließlich begünstigender Änderungen verstrichenen ist, zur Anwendung kommt. Ein einseitiges Preisänderungsrecht im Weg eines dynamischen Verweises widerspricht aber § 6 Abs 1 Z 5 KSchG.
Zu Abs 3 u 4: § 151 GewO enthält ua Regelungen zur Ermittlung von Daten durch Adressverlage und Direktmarketingunternehmen. Gegenstand der im vorliegenden Fall beanstandeten Regelung ist aber nicht die Ermittlung von Daten durch die Bekl, sondern deren Weitergabe an dritte, in der Klausel in keiner Weise eingeschränkte Rechtssubjekte. Dafür bietet § 151 Abs 5 GewO keine Rechtsgrundlage. § 151 Abs 5 GewO enthält eine – an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte – Ermittlungsermächtigung, jedoch keine gesetzliche Ermächtigung zur Übermittlung der Marketingdaten an die in § 151 Abs 1 GewO genannten Personen bzw Unternehmen.
Auch § 151 Abs 3 GewO regelt nur die Ermittlung, nicht aber die in den Abs 3 und 4 der Klausel geregelte Datenübermittlung an Dritte. § 151 GewO enthält zwar in seinen Abs 6 und 8 Regelungen zur Datenübermittlung. Auf diese stützt sich die Österreichische Post jedoch gar nicht. In diesem Zusammenhang ist zudem klarzustellen, dass Abs 3 und 4 der Klausel die dort jeweils normierten gesetzlichen Voraussetzungen nicht abbilden: Nach § 151 Abs 6 GewO, der für bestimmte Marketinginformationen und -klassifikationen gilt, ist eine unbedenkliche Erklärung des dritten Datenempfängers über die Verwendung ausschließlich für Marketingzwecke erforderlich, worauf in der beanstandeten AGB-Bestimmung nicht Bezug genommen wird; § 151 Abs 10 GewO gestattet die Übermittlung nur an Gewerbetreibende iSd § 151 Abs 1 GewO und nicht, wie in der Klausel angeführt, an jeden Dritten. Die beanstandeten Klauseln sind geeignet, den betroffenen Verbrauchern ein unzutreffendes oder unklares Bild ihrer vertraglichen Position zu vermitteln.
Die Österreichische Post leitet die Erlaubtheit der Datenübermittlung ohne Einwilligung der Betroffenen darüber hinaus aus Art 6 Abs 1 lit f DSGVO iVm mit einer gesetzlich zugunsten der Direktmarketingunternehmen vorgenommenen Interessenabwägung gemäß § 151 GewO ab. Auch daraus kann die Zulässigkeit der beanstandeten Klausel aber nicht abgeleitet werden. Der Erlaubnistatbestand des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO erfordert eine dreigliedrige Interessenabwägung (Vorliegen eines berechtigten Interesses, Erforderlichkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person). Abs 3 und 4 der Klausel lassen eine Berücksichtigung der Interessen der Betroffenen in keiner Weise erkennen.
Anmerkung:
Bereits nach der ersten Instanz rechtskräftig für unzulässig erklärt wurden fünf weitere Klauseln; siehe dazu hier.
Die Österreichische Post stellte noch während des laufenden Gerichtsverfahrens den Datenhandel ein und löschte die auf diesem Weg erhobenen Daten.