Zum Inhalt

OGH legt Frage zur vorzeitigen Rückzahlung bei Hypothekarkrediten EuGH vor

Der VKI führt im Auftrag des Sozialministeriums ein Verfahren gegen die Unicredit Bank Austria AG. Es geht in dem Verfahren um die Frage, ob bei vorzeitiger Kreditrückzahlung auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig zurückerstattet werden müssen und ob dies auch für die Rechtslage vor dem 1.1.2021 gilt. Anfang des Jahres gab das OLG Wien dem VKI Recht und bestätigte, dass auch nach der alten Rechtslage bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht nur die laufzeitabhängigen Kosten, sondern auch die laufzeitunabhängigen Kosten anteilig von der Bank zurückzuerstatten sind. Dagegen erhob die Unicredit Revision an den OGH. Der OGH legt nun dazu dem EuGH eine Frage vor und unterbricht das Verfahren.

Die beklagte Bank verwendete im Jahr 2020 folgende Klausel in ihren Kreditverträgen nach dem HIKrG: „Klargestellt wird, dass die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht – auch nicht anteilig – rückerstattet werden.“

Bis 31.12.2020 lautete § 20 Abs 1 letzter Satz Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz (HIKrG): „Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“ Mit 1.1.2021 wurde diese Bestimmung dahingehend geändert, dass der letzte Halbsatz nun wie folgt lautet: „die Kosten verringern sich verhältnismäßig.“

Die Vorlagefrage betrifft ausschließlich die alte Rechtslage.

Anlass für die Gesetzesänderung war eine Entscheidung des EuGH vom 11.9.2019 C-383/18 zu Artikel 16 Abs 1 VKrRL (idF kurz: Lexitor). Demnach sind sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten – sowohl laufzeitabhängige wie auch laufzeitunabhängige – zu ermäßigen. Diese Entscheidung ist ausschließlich zur Auslegung von Art 16 Abs 1 VKrRL ergangen und trifft zu Art 25 WIKrRL, die dem HIKrG zugrundeliegt, keine Aussage.

Für den OGH gibt es sowohl Argumente, die für eine Auslegung von Art 25 Abs 1 WIKrRL nach den Kriterien der Lexitor-Entscheidung des EuGH sprechen, als auch Argumente dagegen:

Für eine Auslegung im Sinn der Lexitor-Entscheidung spricht zunächst, dass der Wortlaut von Art 16 Abs 1 VKrRL und Art 25 Abs 1 WIKrRL im jeweils zweiten Satz nahezu wortgleich ist. Der einzige Unterschied liegt darin, dass in Art 16 Abs 1 VKrRL von „den Gesamtkosten des Kredits“ und in Art 25 Abs 1 WIKrRL von „den Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ die Rede ist, woraus sich nach Auffassung des vorlegenden Gerichts allerdings keine dogmatischen Unterschiede ergeben sollten. Auch das in der Entscheidung Lexitor hervorgehobene Ziel der VKrRL einen hohen Verbraucherschutz zu gewährleisten, gilt auch für die WIKrRL.

Es gibt aber auch gewichtige Argumente gegen einen Auslegungsautomatismus. Nach Art 2 Abs 2 lit a und b der bereits 2008 erlassenen VKrRL galt diese Richtlinie nicht für Kreditverträge, die entweder durch eine Hypothek oder eine vergleichbare Sicherheit gesichert sind. Die Anwendung von Art 16 Abs 1 VKrRL auf die vorzeitige Rückzahlung derartiger Immobiliarkredite war daher seit jeher ausgeschlossen. Zu den Besonderheiten des Hypothekar- und Immobilienkreditvertrags gehört es nach Auffassung des OGH aber auch, dass diese Art von Darlehensverträgen typischerweise mit einer ganzen Reihe laufzeitunabhängiger und vom Kreditinstitut der Höhe nach kaum beeinflussbarer Kosten verbunden ist, die es bei der VKrRL unterliegenden „einfachen“ Verbraucherkreditverträgen gar nicht gibt (ZB Schätzungskosten, Kosten für die Beglaubigung von Unterschriften für die grundbücherliche Eintragung der Hypothek, Kosten für ein Gesuch um Anmerkung der Rangordnung für eine beabsichtigte Veräußerung oder Verpfändung oder Eingabengebühren für das zur Hypothekeneinverleibung erforderliche Grundbuchsgesuch). Strukturell unterscheiden sich „einfache“, nur der VKrRL unterliegende Verbraucherkreditverträge daher grundlegend von Hypothekar- und Immobilienkreditverträgen, die der WIKrRL unterliegen.

Da nach der Definition Art 4 Z 13 WIKrRL unter „Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher“ gerade auch einmalig zu entrichtende Gebühren für Schätzung, Eintragung der Hypothek ins Grundbuch oder Unterschriftsbeglaubigung zu subsumieren sind, die bei derartigen Verträgen typischerweise anfallen, wirtschaftlich aber letztlich gar nicht dem Kreditgeber zufließen, scheint dem vorlegenden Gericht eine Auslegung des Art 25 Abs 1 WIKrRL nicht ausgeschlossen, dass damit für den Bereich der Immobilienkredite kein Ermäßigungsrecht in Bezug auf laufzeitunabhängige Kosten angeordnet werden sollte.

Die Vorlagefrage lautet:

"Ist Artikel 25 Abs 1 der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr 1093/2010 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass sich im Fall der Ausübung des Rechts des Kreditnehmers, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen, die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen und die von der Laufzeit abhängigen Kosten verhältnismäßig verringern, während es für laufzeitunabhängige Kosten an einer entsprechenden Regelung fehlt?"

Von der Beantwortung der dem Gerichtshof der Europäischen Union gestellten Frage hängt die Entscheidung des vorlegenden Gerichts ab. Wird die Frage verneint, entsprach die von der Beklagten verwendete Klausel der bis 31. 12. 2020 geltenden Rechtslage, sodass deren Verwendung jedenfalls keine Unterlassungspflicht der Beklagten wegen eines Widerspruchs dagegen begründen könnte. Wird sie hingegen bejaht, wäre vom OGH nach dem Methodenkanon des nationalen Rechts die Frage zu beantworten, ob und gegebenenfalls wie § 20 Abs 1 HIKrG aF richtlinienkonform interpretiert werden kann.

OGH 19.8.2021, 5 Ob 66/21y

Zum News.

Update 9.2.2023: Zum Artikel über die EuGH-Entscheidung.

Der Beschluss im Volltext.

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang