Wer Einwilligungserklärungen von Dritten zukauft, muss sich das Handeln derjenigen Personen auch zurechnen lassen.
Die Entscheidung erging im Rahmen einer Impugnationsklage, die die Firma MyPhone GmbH gegen die Arbeiterkammer eingebracht hat, weil das Unternehmen als Anbieterin von Telefondienstleistungen aufgrund von Verstößen gegen einen gerichtlichen Unterlassungsvergleich mit der AK, Konsumenten nicht zu Werbezwecken telefonisch zu kontaktieren, ohne zuvor deren ausdrückliche Einwilligung zu Werbeanrufen eingeholt zu haben, vom Exekutionsgericht im Februar 2010 zu einer Geldstrafe über EUR 7.500,-- verpflichtet wurde.
MyPhone argumentierte im Impugnationsprozess, nicht gegen den Unterlassungstitel verstoßen zu haben, weil die Konsumenten über ein Gewinnspiel eines Drittunternehmens ihre Einwilligung gegeben hätten, von MyPhone zu Marketingzwecken angerufen werden zu können. Außerdem treffe die beklagte Partei (= Arbeiterkammer als betreibende Gläubigerin im Exekutionsverfahren) die Beweislast für den behaupteten Titelverstoß und habe überdies die klagende Partei auf die Richtigkeit der ihr vom schweizer Gewinnspielunternehmen übermittelten Daten vertrauen dürfen und wäre ihr ein Titelverstoß nicht vorzuwerfen.
Dies sah der OGH in allen Punkten anders und bestätigte im Wesentlichen die Berufungsentscheidung des LG Salzburg.
Sogenannte Telefonwerbung ist als Beispiel für ein unerwünschtes Eindringen in die Privatsphäre der Umworbenen grundsätzlich unzulässig. Das Vorliegen einer vorherigen Einwilligung stelle lediglich eine Ausnahme von diesem Verbot dar. Während das Berufungsgericht erfreulicher Weise zum Ergebnis kam, dass wer im geschäftlichen Verkehr "Telefonwerbung" betreibe, dem obliege daher auch der Beweis, dass die dafür erforderliche (ausdrückliche) vorherige Einwilligung der angerufenen Person vorliege, sah dies der OGH differenzierter. Demnach hat in der Unterlassungsexekution die betreibende Gläubigerin den von ihr im Exekutionsantrag behaupteten Verstoß gegen den Unterlassungstitel im Impugnationsstreit zu beweisen. Damit endet aber auch schon die dem Impugnationsbeklagten auferlegte Beweislast. Im Rahmen des Impugnationsverfahrens ist es dann Sache des Verpflichteten (MyPhone als Kläger), die an sich gesetzlich verbotene Werbeanrufe tätigt, den Beweis zu führen, dass die erforderliche Einwilligung des Kunden vorliegt und daher kein Verstoß besteht. Hintergrund ist, dass eine Beweisführung von rein negativen Tatsachen nach dem Grundsatz "negativa non sunt probanda" regelmäßig nicht möglich ist. Demnach liegt im Impugnationsprozess die Beweislast dafür, dass Verbraucher Werbeanrufe zuvor ausdrücklich zugestimmt haben, beim werbenden Unternehmen, und der betreibende Gläubiger hat nicht den - de facto unmöglichen - Negativbeweis zu erbringen.
Der OGH stellte weiters fest, dass Opt-In-Erklärungen auf der Homepage eines Gewinnspielunternehmens den Anforderungen für eine wirksamen Erklärung iSd § 107 Abs 1 TKG nicht genügen, wenn der Betroffene nicht wisse, von welchen Unternehmen er im Wege bestimmter angeführter Kommunikationsmittel Werbung zu erwarten habe und welche Produkte dabei beworben würden (so auch der OGH 4 Ob 221/06p). Der durchschnittliche Verbraucher könne allein aus der in der Opt-In-Erklärung erfolgten Bezeichnung "MyPhone GmbH" nicht erschließen, dass dieses Unternehmen mit Telefondienstleistungen in Verbindung zu bringen ist und sich eine Marketingtätigkeit gerade darauf beziehen soll.
Auch wer Einwilligungserklärungen von Dritten zukauft, muss sich das Handeln derjenigen Person zurechnen lassen, mit denen sie eine vertragliche Bindung eingegangen sind (um in diesem Fall die Unterlassungsverpflichtung einzuhalten).
Die Entscheidung ist in Hinblick der unzähligen Beschwerdefälle wegen belästigender und unerbetener Telefonwerbung (sog. Cold Calling) jedenfalls zu begrüßen.
OGH 14.3.2012, 3 Ob 11/12g
Volltextservice
Beklagtenvertreter: Kosesnik-Wehrle & Langer KG, Wien