Zum Inhalt

OGH: Schadenersatzanspruch gegen AWD (in Sachen "Bodeninvest") nicht verjährt!

Erkundigungspflicht der Konsumentin über das Anlageprodukt darf nicht überspannt werden.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) führt - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - gegen den AWD ua auch einen Musterprozess auf Schadenersatz wegen falscher Beratung rund um die Vermittlung einer Kommanditbeteiligung an "Bodeninvest" als "so sicher wie ein Bausparvertrag".

Die Konsumentin wollte 1997 für ihre Enkelkinder etwas Geld ansparen und zu diesem Zweck einen Bausparvertrag abschließen. Die Anlageberaterin des AWD riet davon allerdings ausdrücklich ab und empfahl stattdessen ein Investment in die Boden-Invest Beteiligungs GmbH & Co "Victor" KEG. Sie stellt im Beratungsgespräch eine Rendite von etwa 6-8% in Aussicht und beschrieb die Veranlagung als "gleich sicher wie ein Bausparvertrag". Sie stellte das Produkt als eine Veranlagung in Immobilien dar und klärte weder über das Risiko eines Kapitalverlustes, noch über mögliche Kursschwankungen auf.

Entgegen den Angaben in der sog. Gesprächsnotiz zum Beratungsgespräch - welche die Konsumentin im Vertrauen auf die AWD-Beraterin ungelesen unterzeichnete - wollte die Anlegerin ausdrücklich kein mittleres Investitionsrisiko eingehen, sondern in ein risikoloses Produkt investieren.

Das Erstgericht bejahte klar das Vorliegen einer gesetzwidrigen Falschberatung durch den AWD, da der Konsumentin von der AWD-Beraterin eine Veranlagung in ein risikoreiches Produkt - entgegen der von der Anlegerin gewünschten und kommunizierten Sicherheit - empfohlen worden war. Das Berufungsgericht hingegen sah Klageanspruch deshalb bereits als verjährt an, da vom AWD vorgebracht worden war, die Konsumentin hätte bereits 2001 aus einem zugesandten Tätigkeitsbericht der KEG erkennen können, um welches Anlageprodukt es sich tatsächlich handelte und dass dieses nicht ihren ursprünglichen Investitionszielen entspreche.

Nun verwirft der Oberste Gerichtshof (OGH) das Argument der Verjährung:

Für den Beginn der Verjährungsfrist ist jener Zeitpunkt maßgeblich, in welchem "dem Geschädigten der Schaden, die Person des Schädigers und die Schadensursache bekannt" wird. Im gegenständlichen Fall war daher entscheidend, wann die Anlegerin erkannte, dass ihr Investment - entgegen der Zusicherung der AWD-Beraterin - nicht risikolos war, sondern die Gefahr eines Kapitalverlustes in sich barg. Der AWD hatte argumentiert, dass das bereits 2001 der Fall war: Zu diesem Zeitpunkt hatte die Konsumentin nämlich einen Tätigkeitsbericht der KEG übermittelt bekommen, diesen jedoch bloß oberflächlich gelesen. Der AWD wendete im Verfahren daher ein, dass sich aus diesem Bericht bereits ergeben habe, dass die Gesellschaft nicht bloß in Immobilien (sondern auch in Wertpapiere) investiere und dass bei der gegenständlichen Veranlagung das Risiko eines Kapitalverlustes bestehe.

Dieser Argumentation folgte der OGH nicht: Der Anlegerin war beim oberflächlichen Überfliegen dieser "bebilderten Broschüre" tatsächlich all dies noch nicht bewusst, sondern erst bei Erhalt des Schreibens im Jahr 2009 (in welchem sie erstmals betragsmäßig über den Wert ihrer Beteiligung informiert wurde und den Kursverlust zur Kenntnis nahm). Auch habe die Konsumentin vor 2009 keine sog. Erkundigungspflicht getroffen, die nach stRspr dann bejaht wird, "wenn Verdachtsmomente bestehen, aus denen der Anleger erschließen kann, dass Verhaltenspflichten des Vermögensberaters nicht eingehalten wurden".

An diese Erkundigungspflicht dürfen generell keine allzu strengen Anforderungen gestellt werden, sie darf nicht überspannt werden. Einem Anleger also, der davon ausgeht, dass die empfohlene Investition keinem Kursrisiko unterliegt, kann und muss der Irrtum erst dann bewusst werden, wenn ihm bekannt wird, dass seine Investition eine negative Kursentwicklung nimmt. Depot- oder Kontoauszüge, aus welchen ein derartiger Kursverlust ersichtlich ist, können demnach derartige Indizien für den Anleger sein. Ist also ein aktueller Wertverlust erkennbar, muss dem Anleger sowohl der Beratungsfehler als auch die Tatsache, dass das Produkt nicht seinen Wünschen entspricht, klar werden.

Für den gegenständlichen Fall bedeutete das, dass der Tätigkeitsbericht - der eben keine Angaben zur Wertentwicklung der Anlage bzw. zu Kursverlusten enthielt - nicht geeignet war, zu einer Erkundigungspflicht der Konsumentin über das Produkt zu führen. Dass die Konsumentin diesen Bericht bloß überflog und daher nicht zum Anlass für weitere Recherchen über das Produkt genommen hatte, spiele keine Rolle. Vielmehr sei grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Anleger dem Rat und den Angaben "seines" Beraters vertraut. Es wäre daher eine Überspannung der Erkundigungspflicht, davon auszugehen, die Anlegerin hätte bereits 2001 erkennen können bzw. müssen, dass es sich um das falsche Investitionsprodukt handelte. Der Schadenersatzanspruch sei also im gegenständlichen Fall nicht verjährt, da die Verjährungsfrist erst 2009 mit der positiven Kenntnis des Kursverlustes zu laufen begonnen hat.

Das Berufungsgericht hat also nunmehr über die Berufung des AWD in der Sache zu entscheiden.

OGH 4.10.2011, 10 Ob 39/11z
Volltextservice
Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang