Verbraucher:innen, die die Services der Beklagten auf einer der beiden Partnervermittlungs-Plattformen nutzen, schließen bei ihrer Anmeldung zunächst eine kostenlose Basis-Mitgliedschaft für die jeweilige Plattform ab. Um die vollständigen Leistungen der Beklagten nutzen zu können, benötigen die Verbraucher:innen eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft, wobei sie zwischen Erstlaufzeiten von 6, 12 oder 24 Monaten wählen können. Verfahrensgegenstand waren diverse Geschäftspraktiken und Klauseln im Zusammenhang mit der automatischen Vertragsverlängerung nach Ablauf der Erstlaufzeit.
Unzulässige Geschäftspraktiken nach § 28a KSchG
1. Kein Zeitpunkt für den Hinweis auf die Vertragsverlängerung in den AGB
Die Beklagte nahm Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vor, die sie auf Regelungen in ihren AGB stützte, die keine Frist für die Übermittlung des besonderen Hinweises iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorsahen. Dies verstößt insofern gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG, als schon im Vertrag eine Frist für die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eines Verbrauchers vorzusehen ist.
2. Undeutlicher Hinweis auf die bevorstehende Vertragsverlängerung
Die Beklagte nahm Vertragsverlängerungen im Wege der Erklärungsfiktion vor, wobei sie ihren Kund:innen den besonderen Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG in Form eines E-Mails mit dem Betreff: „Information zu Ihrem aktuellen Profil: Hinweis auf Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft“ übermittelte, im Text des E-Mails aber nicht klar und deutlich mitteilte, binnen welcher Frist eine ausdrückliche Erklärung abzugeben ist, um die Folgen der Erklärungsfiktion abzuwenden. Konkret übermittelte die Beklagte ihren Kund:innen ein E-Mail mit ua dem Text „Wir möchten Sie auf Informationen zur Laufzeit und die automatische Vertragsverlängerung Ihrer Mitgliedschaft hinweisen, sofern Sie diese nicht rechtzeitig kündigen. Alle Informationen dazu finden Sie in Ihrem persönlichen Profil. Klicken Sie einfach hier […]“ oder sinngleich.
Diese Benachrichtigung genügt den Vorgaben des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG nicht:
Es bestehen Bedenken, dass Kunden den Hinweis am Ende der langen Betreffzeile oft nicht wahrnehmen und die E-Mail nicht öffnen werden, weil die Betreffzeilen zahlreicher Mails der Beklagten mit der gleichen, wenig aussagekräftigen und langen Wortfolge beginnen.
Außerdem lässt weder der Text der E-Mail noch ein einfacher Klick auf den Link erkennen, bis wann der Verbraucher der Vertragsverlängerung widersprechen muss. Vielmehr muss der Verbraucher sich zur Erlangung dieser Information erst in sein Kundenkonto einloggen. Das kann vor allem für jene Verbraucher:innen schwierig sein, die ihr Konto schon länger nicht benutzt haben und die Benutzerdaten nicht mehr parat haben. Gerade sie werden aber in der Regel kein Interesse an weiteren Dienstleistungen der Beklagten haben.
Selbst wenn der Verbraucher diesen Schritt gemeistert hat, werden nicht sofort die nötigen Informationen präsentiert. Vielmehr beginnt der Text dort mit dem Einleitungssatz „Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass Ihr ursprünglicher Vertrag auslaufen wird“. Dieser weist nicht auf baldigen Handlungsbedarf hin, wenn der Verbraucher keine weiteren Dienstleistungen der Beklagten in Anspruch nehmen will, sondern suggeriert vielmehr das Gegenteil.
Erst wenn der Verbraucher trotz dieses Eindrucks weiterliest, erkennt er, dass er (trotz eines angeblichen Auslaufen des Vertrags) kündigen muss, wenn der Vertrag tatsächlich enden soll. Im Profil findet er nun zwar ein Datum, bis zu dem er kündigen muss. Welche Formalitäten dabei einzuhalten sind, damit die Beklagte die Kündigung anerkennt, ist aber nur an anderer Stelle, nämlich in Punkt 5.2 der jeweiligen AGB nachzulesen: Eine wirksame Kündigung erfordert eine ausdrückliche Erklärung in Textform (wie zB Brief oder Fax).
Zusätzlich (wenn auch nicht wirksam vereinbart) schreibt die Beklagte in ihrer Bestellbestätigung auch noch vor: „Für die Wirksamkeit der Kündigung ist es erforderlich, dass Sie sich innerhalb Ihres Kündigungsschreibens eindeutig authentifizieren und uns hierzu Ihre Chiffre nennen.“
Insgesamt müssen die Kunden der Beklagten eine aufwändige Prozedur auf sich nehmen, um die notwendigen Informationen zusammenzutragen, bis wann sie in welcher Form welche Erklärung abgeben müssen, um eine automatische Verlängerung ihres angeblich auslaufenden Vertrags zu verhindern.
Darin liegt jedenfalls kein deutlicher Hinweis auf eine Erklärungsfiktion iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG und ihre Bedeutung.
Unzulässige Klauseln nach § 28 KSchG
1. Automatische Vertragsverlängerung um 12 Monate ohne Zeitpunkt der Hinweispflicht der Beklagten (3 Klauseln bzgl der jeweils unterschiedlichen Erstlaufzeiten)
„6 bzw 12 bzw 24 Monate Premium-Mitgliedschaft
[…]
Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.“
Die Klauseln verstoßen (unter anderem) gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG, weil die Regelung nicht erkennen lässt, wann die Beklagte die Verbraucher:innen auf die Bedeutung ihres Schweigens hinweisen wird.
2. Automatische Vertragsverlängerung um 12 Monate mit Zeitpunkt der Hinweispflicht der Beklagten bei 6 Monate Premium-Mitgliedschaft (aus dem produktbezogenen Vertragsinhalt der 6 Monate Premium-Mitgliedschaft auf einer Plattform)
„6 Monate Premium-Mitgliedschaft
[…]
Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.
[…]
[Plattform] weist den Kunden 98 Kalendertage vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin.“
Die Verlängerung des Vertrages um 12 Monate wird wegen Verstoßes gegen § 864a ABGB nicht zum Vertragsinhalt.
Wie der Name sagt, können Kund:innen in den AGB der Beklagten Regelungen erwarten, die für jede Art der Vertragsbeziehung gelten. Dagegen darf er in den als „produktbezogene Vertragsinhalte“ bezeichneten Bedingungen Ergänzungen vermuten, die nur für die Mitgliedschaft auf der jeweiligen Plattform mit einer bestimmten Laufzeit gelten.
Findet sich in den AGB eine anscheinend abschließende Regelung zur Vertragsdauer im Fall der Verlängerung, hat der Kunde keinen Anlass, in den produktbezogenen Vertragsinhalten nach einer Präzisierung Ausschau zu halten. Schon gar nicht muss er mit abweichenden oder damit unvereinbaren Regelungen rechnen.
Der Passus in den AGB der Beklagten, der eine automatische Vertragsverlängerung „um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit“ vorsieht, ist zwanglos als die von ihm gewählte 6-monatige Laufzeit seiner Premium-Mitgliedschaft zu verstehen. Die AGB sehen nämlich keine Vertragsverlängerung um eine „an anderer Stelle bestimmte Laufzeit“ oder um eine „Laufzeit gemäß den jeweiligen produktbezogenen Vertragsinhalten“ vor.
Die Regelung in den produktbezogenen Vertragsinhalten, dass sich der Vertrag um 12 Monate verlängere, ist daher überraschend. Bei einer nur 6-monatigen Premium-Mitgliedschaft ist sie für den Kunden auch nachteilig.
3. Kündigungsfrist bei 24-monatiger Erstbindung
„24 Monate Premium-Mitgliedschaft
[…]
Kündigungsfrist Die Premium-Mitgliedschaft ist ordentlich kündbar, und zwar spätestens zwölf Wochen vor Laufzeitende.“
Verträge, durch die sich der Unternehmer zu wiederholten Werkleistungen und der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichten, und die für eine unbestimmte oder eine ein Jahr übersteigende Zeit geschlossen worden sind, kann der Verbraucher gemäß § 15 Abs 1 KSchG unter Einhaltung einer 2-monatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, nachher zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen.
Diese Bestimmung ist auch auf Mischverträge anwendbar, wenn die werkvertraglichen oder kaufvertraglichen Elemente nicht bloß eine untergeordnete Rolle spielen. Der OGH hat § 15 Abs 1 KSchG wiederholt auf Partnervermittlungsverträge angewendet, bei denen trotz des aleatorischen Charakters werkvertragliche Elemente überwogen (vgl RS0021700).
Im vorliegenden Fall sagte die Beklagte zahlenden Premium-Mitgliedern ihren Suchkriterien entsprechende, laufend aktualisierte Partnervorschläge online sowie per E-Mail zu. Diese Vorschlagsliste werde unter Berücksichtigung zwischenzeitlich neu hinzugekommener Kund:innen laufend aktualisiert. Die Beklagte werde in diesem Zuge Kontaktaufnahmen zwischen den Kund:innen bei gegenseitigem Einverständnis in uneingeschränkter Form ermöglichen, wobei die Beklagte den Kontakt zu mindestens fünf Mitgliedern während der erstmaligen Laufzeit der Mitgliedschaft garantierte. Zusätzlich werde die Beklagte für ihre Kund:innen ein umfassendes Porträt ihrer Partnerschafts-Persönlichkeit erstellen. Ihr Service sei durchgehend 24 Stunden, 7 Tage die Woche einsatzfähig mit einer Verfügbarkeit von 99,5 % im Jahresmittel.
Damit überwiegen auch beim Geschäftsmodell der Beklagten die werkvertraglichen Elemente. Zwar sind die Partnervorschläge nicht durch eine konkrete Zahl quantifiziert, wegen des Attributs „laufend“ handelt es sich aber ganz eindeutig um wiederholte Leistungen. Darüber hinaus sagt die Beklagte sogar einen bestimmten Erfolg, nämlich fünf Kontakte mit anderen Partnersuchenden, zu.
4. Automatische Vertragsverlängerung der 24 Monate Premium-Mitgliedschaft mit Beginn der Hinweispflicht
„24 Monate Premium-Mitgliedschaft
[…]
Ihre Premium-Mitgliedschaft verlängert sich künftig automatisch jeweils um weitere zwölf Monate zum Preis von […] EUR pro Monat (insgesamt […] EUR), es sei denn, Sie kündigen ordentlich entsprechend der vorbenannten Kündigungsfrist zum Laufzeitende.
[…]
[Plattform] weist den Kunden 98 Kalendertage vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin.“
Wie zu Klausel 3 dargelegt, ist auf die von der Beklagten mit ihren Kund:innen geschlossenen Verträge § 15 KSchG anwendbar. Wenn sich der Verbraucher zu wiederholten Geldzahlungen verpflichtet, kann er deshalb nach dem klaren Gesetzestext des Abs 1 unter Einhaltung einer 2-monatigen Frist zum Ablauf des ersten Jahres, nachher zum Ablauf jeweils eines halben Jahres kündigen.
Der OGH hat eine vergleichbare Klausel in einem Partnervermittlungsvertrag bereits als intransparent und damit nach § 6 Abs 3 KSchG als unwirksam qualifiziert, weil sie dem Durchschnittskunden suggeriert, dass ihm ganz unabhängig von der gewählten Zahlungsart nie ein Kündigungsrecht nach § 15 Abs 1 KSchG zusteht.
Dies gilt auch für diese Klausel, die unabhängig von der vom Verbraucher gewählten Zahlungsart ausschließlich eine jährliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht statt einer nur halbjährigen nach § 15 Abs 1 KSchG.
5. Verweis in AGB auf Kündigungsfrist laut produktbezogenen Vertragsinhalten (2 Klauseln)
„5.2. Die Frist für die ordentliche Kündigung der kostenpflichtigen Mitgliedschaft (sogenannte Premium-Mitgliedschaft) ergibt sich aus den produktbezogenen Vertragsinhalten, die im Rahmen des Bestellvorganges vom Kunden bestätigt werden. […]
5.3. Der Vertrag über die kostenpflichtige Mitgliedschaft (Premium-Mitgliedschaft) verlängert sich automatisch um die jeweils vertraglich vereinbarte Laufzeit, sofern der Kunde seinen Vertrag nicht gem. Ziffer 5.2 ordentlich kündigt. Beim erstmaligen Kauf einer Premium-Mitgliedschaft wird der Kunde mit Erhalt der Bestellbestätigung über die jeweilige Laufzeit, das Datum des Vertragsendes und die Dauer der Verlängerung bei nicht rechtzeitiger Kündigung informiert. [Plattform] weist den Kunden vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung durch den Kunden hin. Näheres ist den produktbezogenen Vertragsinhalten zu entnehmen.“ (Plattform 1)
„Innerhalb unserer produktbezogenen Vertragsinhalte, die Sie während des Bestellvorgangs bestätigen, findet sich die ordentliche Kündigungsfrist für die entgeltpflichtige Mitgliedschaft. […] Erfolgt durch den Kunden keine Kündigung gem. Ziffer 5.2, verlängert sich der Vertrag über die entgeltpflichtige Mitgliedschaft automatisch nach Maßgabe der produktbezogenen Vertragsinhalte, welche Sie während des Bestellvorgangs akzeptiert haben. Innerhalb unserer Bestellbestätigung informieren wir Sie im Übrigen auch über die Dauer einer möglichen Verlängerung bei nicht fristgerechter Kündigung. Wir weisen Sie vor Ablauf des kostenpflichtigen Dienstes per E-Mail auf die automatische Verlängerung im Falle des Unterbleibens einer Kündigung hin. Näheres entnehmen Sie bitte den produktbezogenen Vertragsinhalten.“ (Plattform 2)
Nach stRsp hat ein Verweis auf unzulässige Bestimmungen im Klauselwerk zwingend die Unzulässigkeit der verweisenden Bestimmung selbst zur Folge (RS0122040 [T31]).
Daher sind auch im vorliegenden Fall die Bestimmungen der AGB nichtig, weil sie für die Kündigungsfristen auf die zumindest für einige Vertragstypen unwirksamen produktbezogenen Vertragsinhalte verweisen.
Zulässige Geschäftspraktik
Keine Zurverfügungstellung eines FAGG-Musterwiderrufsformulares bei Vertragsverlängerung
Verbraucher:innen steht nicht bei jeder Vertragsverlängerung neuerlich das Rücktrittsrecht nach § 11 Abs 1 FAGG zu.
Im Anlassfall wurden Verbraucher:innen schon bei Abschluss des Vertrages für die erste kostenpflichtige Laufzeit ordnungsgemäß informiert, welche Kosten sie während der Mindestlaufzeit und auch im Fall der Vertragsverlängerung treffen, weswegen ein Rücktrittsrecht nicht besteht (und entsprechend auch kein Formular für dessen Ausübung zur Verfügung stellen ist).
Klagevertreterin: RA Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle