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OGH: Verkürzung der Gültigkeitsfrist von Gutscheinen auf zwei Jahre ist unwirksam

Der OGH hat in seinem aktuellen Urteil die Verkürzung der Gültigkeitsdauert eines Gutscheins in AGB auf eine Frist unterhalb der gesetzlichen Verjährungsfrist als gröbliche Benachteiligung von Konsumenten (§ 879 Abs 3 ABGB) gewertet und dem Unternehmen deshalb die Verwendung solcher Klauseln untersagt. Nach Auffassung des OGH kommt es für eine solche unzulässige Benachteiligung auch nicht darauf an, ob der Gutschein verkauft oder verschenkt wurde.

Das beklagte Unternehmen, Webhotels Pühringer & Simeaner OG, betreibt das Internetportal www.thermengutscheine.at. Dort können Konsumenten Gutscheine für Partnerbetriebe der Beklagten in ganz Österreich erwerben. In den AGB der Beklagten findet sich eine Klausel wonach diese Gutscheine nur innerhalb von 2 Jahren nach ihrem Ausstellungsdatum verwendet werden können und danach ersatzlos ihre Gültigkeit verlieren. 

Im Auftrag der AK Oberösterreich ging der VKI gegen diese Klausel vor, mit dem Ziel es der Beklagten zu untersagen, weiterhin solche Klauseln zu verwenden. Der VKI rügte einen Verstoß dieser Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB. 

Der OGH untersagte nunmehr die Verwendung einer solchen Klausel durch die Beklagte. Nach Auffassung des OGH unterfällt auch die Vereinbarung einer "Verjährungsfrist" der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB. Grundsätzlich ende das Recht, mit einem Gutschein aus dem Warensortiment des Ausstellers Waren zu beziehen, innerhalb von 30 Jahren. Der OGH führte nun aus, dass zwar die Vereinbarung einer kürzeren als der gesetzlichen Verjährungsfrist in ständiger Rechtsprechung für zulässig erachtet wird. Uneingeschränkt zulässig soll aber die Fristverkürzung nur dann sein, wenn sie zwischen zumindest annähernd gleich starken Vertragspartnern individuell vereinbart wurde. Verfallsklauseln sind dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (RIS-Justiz RS0016688). Je kürzer die Verfallsfrist sein soll, desto triftiger muss der Rechtfertigungsgrund sein (7 Ob 75/11x mwN). Jedenfalls ist eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (7 Ob 75/11x, 4 Ob 227/06w, 9 Ob 40/06g, 4 Ob 279/04i, 1 Ob 1/00d). 

Bei der gebotenen Interessenabwägung sei im vorliegenden Fall die Vorleistungspflicht der Konsumenten zu berücksichtigen. Die Beklagte müsse demgegenüber keinerlei Kapitalreserven vorhalten. Die Situation sei für die Beklagte nicht anders als bei Durchführung von Werbemaßnahmen. Es bestehe nur die Möglichkeit, den Umsatz zu steigern, soweit die Konsumenten Gutscheine nicht innerhalb der Verfallfrist einlösen würden. Damit liege eine gröbliche Benachteiligung der Gutscheininhaber vor, die nicht durch ein besonderes Interesse des beklagten Unternehmens aufgewogen sei.

Selbst wenn der Gutschein verschenkt würde ergebe sich, so der OGH, keine andere Interessengewichtigung. Der Vertragswille beider Parteien sei nicht auf den Erwerb eines Gutscheins, also eines bloßen Papiers, gerichtet, sondern darauf, dass der Beschenkte oder jedenfalls der Inhaber des Gutscheins die Leistungen bei den Partnerbetrieben der Beklagten konsumieren kann, also eine geldwerte Gegenleistung erhält. Es könne eine Vielzahl von (auch unbeeinflussbaren) Gründen auf Seiten des Gutscheininhabers geben, die ihn daran hindern, die Gutscheine innerhalb von zwei Jahren einzulösen.

OGH 28.06.2012, 7 Ob 22/12d
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Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien

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