Zum Inhalt

OGH: Versicherung muss Vertragsunterlagen herausgeben

Der Versicherer muss nach dem Grundsatz von Treu und Glauben seiner Nebenleistungspflicht auf Ausstellung von Ersatzurkunden nachkommen, bis keine Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag mehr geltend gemacht werden können. Der Herausgabeanspruch des Versicherungsnehmers ist nicht verjährt.

Ein Versicherungsnehmer schloss eine 2003 eine Lebensversicherung ab. Nach Ablauf der Versicherung im Jahr 2013 entschied sich der Versicherungsnehmer für die Kapitalabfindung, die von der Versicherung auch ausbezahlt wurde. Im Mai 2017 verlangte der Versicherungsnehmer in einer Klage gegen die Versicherung verschiedene Abschriften und Informationen zum bereits abgelaufenen Vertrag (Versicherungsantrag, AGB’s, etc.). Hintergrund war u.a. die Prüfung von möglichen Ansprüchen wegen unrichtiger Rücktrittsbelehrung. Die Versicherung verweigerte die Herausgabe mit dem Hinweis darauf, dass der Anspruch auf Herausgabe der Unterlagen bereits verjährt sei. Sowohl Erstgericht als auch Berufungsgericht folgten der Rechtsansicht der Versicherung.

Der OGH sah die Rechtslage jedoch anders und verpflichtete die Versicherung zur Herausgabe von Abschriften des Antrages, der Polizze und der Versicherungsbedingungen.

Nach Ansicht des OGH müsse der Versicherer bei bekannt unklarer Rechtslage seinen Nebenleistungspflichten nach Treu und Glauben solange nachkommen, bis Klarheit durch Gesetz oder Judikatur geschaffen wird. Eine derartige Nebenleistungspflicht sei auch die in § 3 VersVG geregelte Auskunftspflicht, dient sie doch dazu, zu garantieren, dass sich der Versicherungsnehmer über die relevanten Bestimmungen seines Versicherungsvertrags informieren und seine Rechte wahren kann, wofür die Kenntnis der in § 3 VersVG genannten Urkunden Voraussetzung sein kann. 

Laut OGH musste der beklagten Versicherung zwangsläufig weit vor Ablauf von drei Jahren nach Abrechnung des Lebensversicherungsvertrags (September 2016) bekannt sein, dass aufgrund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Endress/Allianz vom 19.12.2013 eine unklare Rechtslage dazu besteht, ob und unter welchen Voraussetzungen den Versicherungsnehmern allfällige Ansprüche wegen unrichtiger Rechtsbelehrung über ihr Rücktrittsrecht zustehen. Eine umfassende Klärung der Rechtslage sei bislang auch noch nicht erfolgt.

Umfasst von der Auskunftspflicht nach § 3 Absatz 3 VersVG sind jedenfalls vom 

Versicherungsnehmer oder in seinem Namen abgegebene Erklärungen wie etwa der Versicherungsantrag, die Erstpolizze und die Versicherungsbedingungen.

Auskünfte gerichtet auf einzelne Prämienzahlungen oder die Summe der einbezahlten Prämien fallen nicht unter die Auskunftspflicht nach § 3 VersVG.

Fazit: Versicherungsnehmer, deren Lebensversicherung bereits beendet ist, können unter Berufung auf diese OGH Entscheidung die Herausgabe der oben genannten Vertragsunterlagen von der Versicherung verlangen.

OGH 31.10.2018, 7Ob221/17a

Das Urteil im Volltext

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

OLG Wien: unzulässige Klausel eines Restschuldversicherers

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Verbandsverfahren geklagt. Es handelt sich um eine Klausel, wonach die Leistung im Falle der Arbeitsunfähigkeit erstmalig an dem Fälligkeitstermin der Kreditrate erbracht wird, welcher dem Ablauf einer Frist von 6 Wochen ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit folgt (=Karenzzeit). Die Klausel, auf die sich der Versicherer auch im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren vom OLG Wien als unzulässig beurteilt, nachdem zuvor schon das HG Wien dem VKI recht gegeben hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

VKI: Restschuldversicherer zahlt nach Klagseinbringung

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums den Versicherer CNP Santander Insurance Europe DAC in einem Musterprozess geklagt. Eine Verbraucherin hatte für den Fall der Arbeitsunfähigkeit für einen Kreditvertrag eine Restschuldversicherung bei der CNP Santander Insurance Europe DAC abgeschlossen. Nachdem sie wegen Long Covid eine Zeit lang arbeitsunfähig war, zahlte der Versicherer nicht alle Kreditraten. Der Versicherer zahlte jedoch kurz nach der Klagseinbringung durch den VKI den gesamten Klagsbetrag. Die Klausel, auf die sich der Versicherer im Einzelfall berufen hat, um die Versicherungsleistung zu verweigern, wurde im Verbandsverfahren rechtskräftig für unzulässig erklärt.

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

47 Klauseln von Lyconet gesetzwidrig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat – im Auftrag des Sozialministeriums – eine Verbandsklage gegen die Lyconet Austria GmbH (Lyconet) geführt. Lyconet, ein im Netzwerk-Marketing tätiges Unternehmen, vertrieb unter anderem das „Cashback World Programm“. Dabei handelt es sich um eine Einkaufsgemeinschaft, die es Mitgliedern ermöglichen sollte, durch den Bezug von Waren und Dienstleistungen bei Partnerunternehmen Vorteile zu erhalten. Gegenstand der Klage waren 47 Vertragsklauseln, die Bestandteil von Lyconet-Vereinbarungen und sogenannten Lyconet Compensation-Plänen waren. Diese wurden vom VKI unter anderem aufgrund zahlreicher intransparenter Regelungen und damit einhergehender Unklarheiten kritisiert. Nachdem bereits die Unterinstanzen alle beanstandeten 47 Klauseln als gesetzwidrig beurteilt hatten, erkannte auch der Oberste Gerichtshof (OGH) sämtliche Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang