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OLG erklärt zwei Ausschlussklauseln der ARAG für unzulässig

, aktualisiert am

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die ARAG SE Direktion für Österreich (ARAG) insbesondere wegen Klauseln geklagt, auf die sich Rechtsschutzversicherer stützen, um Deckungen bei COVID-19-bedingten Rechtsstreitigkeiten nach beispielsweise Reiserücktritten, Flugausfällen oder Veranstaltungsabsagen abzulehnen. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien erklärte zwei von drei eingeklagten Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist teilweise rechtskräftig.

Der VKI ging ua gegen die Ausnahmesituationsklausel und die Katastrophenklausel in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung der ARAG vor. Das OLG Wien erklärte wie bereits zuletzt der Oberste Gerichtshof (OGH) die sogenannte „Ausnahmesituationsklausel“ für intransparent und daher unzulässig, während es die „Katastrophenklausel“ als zulässig erachtete. Zur Ausnahmesituationsklausel und zur Katastrophenklausel ist das Urteil des OLG Wien bereits rechtkräftig. Eine weitere Ausschlussklausel, die vom OLG Wien für unzulässig erklärt wurde, ist noch Gegenstand des Revisionsverfahrens vor dem OGH. Zu dieser Klausel liegt daher noch keine rechtskräftige Entscheidung vor.

Klausel 1 (Ausnahmesituationsklausel):

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind ...

Dieselbe Formulierung wie Klausel 1 wurde – wie das OLG Wien in seiner Begründung ausführt – vom OGH in der Entscheidung 7 Ob 160/22p ebenfalls im Zuge eines Verbandsklageverfahrens behandelt. Laut dieser Entscheidung fehlt es dem Begriff der „Ausnahmesituation“ an einer näheren Definition. Zwar könne zum Begriff „Ausnahmesituation“ die allgemein verständliche, durchaus lebensnahe demonstrative Aufzählung „außerordentlicher Zufälle“ in § 1104 ABGB zählen; er lasse aber darüber hinaus zahlreiche Interpretationen zu, die auch bis zur bloß unüblichen Situation reichen können. Da damit der Verbraucher die Reichweite des Risikoausschlusses – und damit seine Rechtsposition – nicht verlässlich abschätzen kann, besteht die Gefahr, dass er aufgrund des unbestimmten Begriffs „Ausnahmesituation“ davon absieht, allenfalls berechtigte Ansprüche gegen den beklagten Versicherer geltend zu machen (7 Ob 160/22p). Das OLG Wien sah daher den nicht näher definierten Begriff „Ausnahmesituation“ als intransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG (RS0134170, vgl auch 7 Ob 169/22m Klausel 1) an und beurteilte die Klausel als unzulässig.

Die Entscheidung des OLG Wien zu Klausel 1 ist bereits rechtskräftig.

Klausel 2:

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit ... Akten der Hoheitsverwaltung wie insbesondere Enteignungs-, Flurverfassungs-, Raumordnungs-, Grundverkehrs- oder Grundbuchsangelegenheiten.

Nach der kundenfeindlichsten Auslegung würde diese Klausel laut OLG Wien dazu führen, dass alle Verwaltungsverfahren, aber auch außerstreitige Gerichtsverfahren zB im Zusammenhang mit Grundbuch oder Firmenbuch von der Rechtsschutzversicherung ausgeschlossen wären. Ein derart umfangreicher Ausschluss stellt – wie das OLG Wien ausführt – eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB dar, weil er den berechtigten Deckungserwartungen des Versicherungsnehmers widerspricht.

Darüber hinaus sprach das OLG Wien aus, dass diese Regelung auch dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG widerspricht. Die vorliegende Klausel lässt den Verbraucher im Unklaren, ob nun alle Verwaltungsverfahren oder nur bestimmte vom Versicherungsschutz ausgenommen sind. Dazu kommt, dass mit Grundbuchsangelegenheiten auch eine Tätigkeit der Justiz genannt ist und daher fraglich ist, inwieweit dieser Ausschluss auch Gerichtsverfahren umfasst. Dass diese Klausel schon länger verwendet wird, führt nicht dazu, dass sie besser verständlich wird. Dem Versicherer steht es frei, bestimmte Risken vom Versicherungsschutz auszunehmen. Voraussetzung ist, dass dies für den Versicherungsnehmer klar erkennbar geschieht (RS0016777 [T1]). Dies ist hier jedoch laut OLG Wien nicht der Fall.

Hier trägt – wie das OLG Wien ausführt – die demonstrative Aufzählung von Enteignungs-, Flurverfassungs-, Raumordnungs-, Grundverkehrs- oder Grundbuchsangelegenheiten zur Verwirrung bei, weil hier sowohl Materien der Verwaltung als auch der Gerichtsbarkeit genannt sind. Ein Zusammenhang ist nur insoweit erkennbar, als diese Materien Liegenschaften betreffen. Es ergibt sich aber für das OLG Wien aus dieser Klausel nicht, dass der Versicherungsausschluss von Akten der Hoheitsverwaltung nur im Zusammenhang damit gelten sollte.

Da für einen Verbraucher nicht erkennbar ist, wie weit dieser Ausschlussgrund reichen soll und er daher den Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten könnte, liegt laut OLG Wien auch Intransparenz im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG vor. Das OLG Wien beurteilte die Klausel daher als unzulässig.

Die Entscheidung des OLG Wien zu Klausel 2 ist noch nicht rechtskräftig.

Klausel 3 (Katastrophenklausel):

Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang mit Katastrophen. Eine Katastrophe liegt vor, wenn durch ein Naturereignis oder ein sonstiges Ereignis dem Umfang nach eine außergewöhnliche Schädigung von Menschen oder Sachen eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht.

Das OLG Wien verwies in seiner Begründung auf die OGH-Entscheidungen zu 7 Ob 160/22p und 7 Ob 185/22i und beurteilte die Klausel 3 weder als intransparent noch als gröblich benachteiligend.

Die Entscheidung des OLG Wien zu Klausel 3 ist bereits rechtskräftig.

OLG Wien 22.03.2023, 2 R 3/23k

Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, Rechtsanwalt in Wien

Update 19.11.2023:

Zur OGH-Entscheidung siehe hier.

 

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