Folgende Ausnahmesituationsklausel aus den Rechtsschutzbedingungen der Wüstenrot wurde vom OLG Linz für unzulässig erklärt:
„Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in ursächlichem Zusammenhang […] mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind, …“
Wie schon das Erstgericht, beurteilte auch das OLG Linz diese Klausel als intransparent:
Das OLG Linz führt aus, dass es nicht ausreicht, dass der „Kern“ der Regelung klar ist; erforderlich ist vielmehr, dass auch die „Ränder“ (einigermaßen) zuverlässig abgegrenzt werden können. Ein durch die Verwendung unbestimmter Begriffe, deren Inhalt sich jeder eindeutigen Festlegung entzieht, geschaffener weiter Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann.
Dem OLG Linz erschließt es sich nicht, dass nach dem objektiven Wortlaut als „hoheitliche Anordnung, gerichtet an eine Personenmehrheit“ nur ein genereller Rechtsakt an einen unbestimmten Adressatenkreis in Betracht käme. Hoheitliches Handeln erfolgt – wie das OLG Linz weiter ausführt – nicht nur in Form generell-abstrakter Anordnungen, wie etwa (Bundes- und Landes-)Gesetzen und Verordnungen; vielmehr umfasst dieser Begriff auch individuell-konkretes Handeln, etwa durch Bescheide und gerichtliche Entscheidungen.
Eine „Personenmehrheit“ liegt laut OLG Linz nach dem Wortsinn schon dann vor, wenn mehr als eine Person betroffen ist (vgl etwa OGH 4 Ob 2307/96k zu zwei und 4 Ob 1/01b zu fünf Personen).
Was eine „Ausnahmesituation“ ist, wird zudem nicht erklärt. Das Ausmaß der erforderlichen Abweichung von der „Regelsituation“ bleibt laut OLG Linz mit der beanstandeten Klausel unzulässigerweise offen. Für das OLG Linz ist es für die Transparenz der Klausel nicht relevant, ob vorhersehbar ist, „wann für den Gesetzgeber eine Ausnahmesituation vorliegt, die ihn veranlasst, hoheitsrechtliche Anordnungen zu erlassen“. Maßgeblich ist sondern vielmehr, ob dieses Handeln als „Handeln in einer Ausnahmesituation“ im Sinne der inkriminierten Klausel zu qualifizieren ist. Selbst nach dem – von der Berufungswerberin vertretenen, durch den Wortlaut nicht gedeckten – engen Verständnis des „hoheitsrechtlichen Handelns“ kommen dafür nicht nur Gesetze in Betracht, sondern auch jedenfalls Verordnungen und Erlässe.
Da das OLG Linz bereits aufgrund der mangelnden Transparenz die Klausel für unzulässig erklärt hat, musste sich das OLG Linz zwar nicht mehr damit befassen, ob die Klausel auch gröblich benachteiligend ist, bezog aber dennoch hierzu Stellung:
Ausgehend von der auch in diesem Zusammenhang vorzunehmenden „kundenfeindlichsten“ Auslegung der Klausel – insbesondere des Erfordernisses des (bloß) „ursächlichen“ Zusammenhangs ohne Bezugnahme darauf, ob dieser typisch ist, sodass auch völlig atypische Zusammenhänge erfasst sind – bewirkt diese laut OLG Linz eine wesentliche Einschränkung gegenüber jenem Standard, den der Versicherungsnehmer von einer Versicherung dieser Art erwarten darf, ohne dass eine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich wäre (vgl auch OLG Wien 5 R 13/21z). Warum eine Definition der verwendeten Begriffe und eine Einschränkung auf adäquate Kausalzusammenhänge – etwa auf „nicht atypische Folgen hoheitsrechtlicher Anordnungen“ – nicht möglich oder nicht zumutbar wäre oder die Regelung dann unübersichtlich würde, ist für das OLG Linz nicht ersichtlich.
Die ordentliche Revision wurde vom OLG Linz als nicht zulässig erklärt, weil die Beurteilung auf Grundlage der höchstgerichtlichen Rechtsprechung möglich war.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OLG Linz 04.04.2022, 12 R 10/22k
Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, Rechtsanwalt in Wien
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