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OLG Wien: Gesetzwidrige Klauseln in der Unfallversicherung

Das OLG Wien beurteilt vier Klauseln in Unfall-Versicherungsbedingungen als gesetzwidrig. Betroffen sind Anpassungen bei nachträglichen Gefahrenerhöhungen, Regelungen zur Obduktion und Nachzahlungspflichten betreffend Kosten, die der Versicherer bei Vertragsbeginn übernommen hat.


Der VKI hatte im Auftrag des BMASK eine Verbandsklage gegen die VAV Versicherungs AG wegen der Verwendung von 4 Vertragsklauseln in den allgemeinen Unfall-Versicherungsbedingungen 2010 eingebracht. Das OLG Wien bestätigt in seiner Entscheidung die Unzulässigkeit aller Klauseln.

Klausel 1 und 2: Errechnen sich bei gleichbleibender Prämie nach dem Zeitpunkt der Änderung gültigen Tarif niedrigere Versicherungssummen, gelten diese nach Ablauf von zwei Monaten ab der Änderung. Auf Ihren Wunsch führen wir den Vertrag auch mit den bisherigen Versicherungssummen bei erhöhter oder gesenkter Prämie weiter, sobald uns Ihre Erklärung zugeht.

Das in den beiden Klauseln vorgesehene Recht des Versicherers auf Erhöhung der Prämie bzw Reduzierung der Versicherungssumme bei Änderung von Berufstätigkeit oder Beschäftigung des Versicherten weicht von den gesetzlichen Regelungen für eine nachträgliche Gefahrenerhöhung in den §§ 23 ff VersVG ab. Die Klauseln haben im Verhältnis zur gesetzlichen Regelung zwar insofern einen Vorteil, weil sie unbeabsichtigt Deckungslücken vermeiden. Andererseits wird dem Versicherungsnehmer durch die Klauseln aber ein Vertrag aufgezwungen, den er so (mit neuer Versicherungssumme oder neuer Prämie) nicht abgeschlossen hätte. Es ist daher zumindest zweifelhaft, ob das System der beiden Klauseln zumindest gleich günstig ist wie die gesetzlich vorgesehene Regelung, die Klauseln sind daher im Licht des § 34 a VersVG unzulässig. Die zwangsweise Vertragsanpassung ist insgesamt eine Bevormundung, die leicht durch eine dem Versicherungsnehmer einzuräumende Kündigungsmöglichkeit vermieden werden könnte. Dies ist etwa in § 25 Abs 2 dt. VVG vorgesehen. 

Klausel 3: Uns ist das Recht zu verschaffen, gegebenenfalls eine Obduktion durch einen von uns zu beauftragenden Arzt vornehmen zu lassen.

Die Klausel normiert eine Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls, die bei Verletzung zur Leistungsfreiheit des Versicherers führen kann. Die Formulierung als "Verschaffungspflicht" stellt einen Anspruchsberechtigten, der nicht zugleich nächster Angehöriger ist, vor eine unklare Situation, da unklar bleibt, ob er auf die Angehörigen einwirken muss, einer Obduktion zuzustimmen. Die Angehörigen müssen nämlich grundsätzlich nach § 25 Abs 2 KaKuG einer Obduktion zustimmen. Einem durchschnittlichen Anspruchsberechtigten kann aber nicht zugemutet werden, die Obduktionsregelung im komplexen Regelwerk der Verletzung von Obliegenheiten nach § 6 VersVG richtig einzuordnen. Die Klausel ist daher jedenfalls intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

Klausel 4: Diese Regelung gilt auch für bei Vertragsbeginn übernommene Kosten und Prämien, z.B. Gutachtenskosten, Dauerrabatte, offene Prämien, etc.. Anstelle der ersten Jahresprämie (Pkt. 11.6.2) treten die übernommenen Gesamtkosten bzw. Prämien.

Das OLG Wien verweist auf 7 Ob 118/13y, wonach es sich bei anlässlich des Vertragsbeginnes übernommenen Dauerrabatten nicht um einen von § 8 Abs 3 VersVG erfassten Vorteil handelt, der dem Kunden auf Grund der vereinbarten längeren Laufzeit zuteil wird. Vielmehr handelt es sich um eine freiwillige Aufwendung, um dem Kunden einen Wechsel schmackhaft zu machen. Außerdem trifft den Konsumenten selbst bei einer streng degressiven Rückforderung in der Mehrzahl der Fälle eine längere Rückzahlungsverpflichtung als sich aus dem Zeitraum ergeben würde, für den der Konsument dem Vorversicherer einen Dauerrabatt ersetzen müsste. Damit wird das gesetzliche Kündigungsrecht nach § 8 Abs 3 VersVG untergraben. Dasselbe gilt im Übrigen für sonstige Kosten, Prämien u.ä.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 25.2.2014).

OLG Wien 18.12.2013, 1 R 218/13f
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Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer

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