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Online-Nachhilfe
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OLG Wien untersagt 20 Klauseln von GoStudent

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums das Online-Nachhilfeunternehmen GoStudent GmbH (GoStudent) geklagt. Das Oberlandesgericht Wien (OLG Wien) hat nun 20,5 der 22 vom VKI beanstandeten Klauseln für unzulässig erklärt. Damit fallen Klauseln zur einseitigen AGB- und Leistungs-Änderung, zum Verfall von bezahlten Nachhilfeeinheiten und zur automatischen Vertragsverlängerung von GoStudent weg. Das Urteil ist rechtskräftig.

Zu den Klauseln im Einzelnen:

Untersagt wurden folgende Klauseln:

1. Abweichende, entgegenstehende oder ergänzende Bedingungen sind nur wirksam, wenn GoStudent diesen schriftlich zugestimmt hat.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

2. Die Bestimmungen dieser AGB können von GoStudent jederzeit ohne Angabe von Gründen geändert werden, wobei solche Änderungen auf der Plattform kundgemacht werden. Benützt der Nutzer die Plattform nach Kenntnisnahme der geänderten AGB weiter, gelten die Änderungen als angenommen.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

4. Im Zuge der Registrierung für die Plattform stimmt der Nutzer der Geltung dieser AGB zu.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

5. […] Gutgeschriebene Einheiten können jeweils bis zum nächsten Aufladungsdatum frei für das Buchen von Unterrichtseinheiten verwendet werden, eine Mitnahme über das nächste Aufladungsdatum hinaus ist nicht möglich. [Pkt. 4.3. AGB, Satz 3]

Bei kundenfeindlichster Auslegung könne der Verbraucher die bereits erworbenen und bezahlten Nachhilfeeinheiten über das nächste Aufladedatum hinaus selbst dann nicht mitnehmen, wenn deren Verbrauch bis dahin allein aus von der Beklagten zu vertretenden Umständen verunmöglicht würde, wobei er für den Verbrauch generell nur eine Frist von einem Monat zur Verfügung habe. Die Klausel sei daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

6. Nach Ablauf der Laufzeit verlängert sich der Vertrag um ein weiteres Paket zu denselben Konditionen (Einheiten, Zeitraum und Preis). Sollte das vom Nutzer nicht erwünscht sein, kann ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bis spätestens 7 Tage vor Ende der Vertragslaufzeit das offizielle Kündigungsformular ausgefüllt werden und somit die anschließende Verlängerung verhindert werden. Andernfalls wird der Lehrervertrag um ein weiteres Paket zu denselben Konditionen (Einheiten, Zeitraum und Preis) verlängert. Für die Bezahlung gilt die im ursprünglichen Lehrervertrag gewählte Vereinbarung (siehe dazu auch Punkt 5.3). Durch eine ausgebliebene Kündigung verlängert sich der laufende Vertrag ohne neuerliches Widerrufsrecht.

Nach stRsp ist es für die Wirksamkeit einer Verlängerungsfiktion erforderlich, dass die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweispflicht des Verwenders in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblätter selbst aufgenommen werden muss. Die Klausel widerspreche daher § 6 Abs 1 Z 2 KSchG.

7. Wenn Guthaben verfällt, weil es vom Nutzer nicht innerhalb des dafür vorgesehenen Zeitraums verbraucht wird, wird es ebenfalls vom Konto des Nutzers abgezogen.

Auch wenn die Klausel 7 nicht ausdrücklich auf die Klausel 5 verweist, stehe sie mit dieser doch in einem untrennbaren inhaltlichen Zusammenhang, weil die Klausel 7 lediglich der Umsetzung (Abzug des Guthabens vom Konto des Nutzers) jener Rechtsfolge diene, die Satz 3 der Klausel 5 anordnet. Die Klausel sei damit auch unzulässig.

8. Der Nutzer ist für alle Aktivitäten, die von seinem Benutzerkonto ausgehen, selbst verantwortlich.

Die Klausel sei so zu verstehen, dass der Verbraucher auch für von ihm nicht verschuldete Aktivitäten, die von seinem Benutzerkonto ausgehen, verantwortlich ist, also haftet. Die Vereinbarung einer pauschalen und unverschuldeten Haftung in AGB ist aber gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

9. Liegt der Verdacht einer unberechtigten Nutzung eines Benutzerkontos vor oder verstößt ein Nutzer gegen geltende gesetzliche Bestimmungen oder gegen diese AGB, so ist GoStudent berechtigt, das Benutzerkonto zu sperren.

Die Klausel ermögliche der Beklagten bereits beim „Verdacht“ einer „unberechtigten“ Nutzung eines Benutzerkontos dessen Sperre. Eine Definition oder Erklärung dieser Begriffe fehle. Deshalb verstoße die Klausel gegen § 6 Abs 3 KSchG.

10. Wenn von Nutzern Anfragen für Video-Unterricht in einem relevanten Fachbereich über die Plattform eingehen, kann GoStudent einen Lehrer benachrichtigen; eine Verpflichtung dazu besteht nicht.

Bei Auslegung der Klausel im kundenfeindlichsten Sinn läge es allein in der Willkür der Beklagten, zu entscheiden, ob sie dem Verbraucher durch die Weiterleitung der Anfrage an den jeweiligen Lehrer die bereits gebuchten und bezahlten Nachhilfestunden ermögliche. Die Bestimmung ist daher gröblich benachteiligend.

11. Der Nutzer gewährt GoStudent das unentgeltliche, nicht ausschließliche, zeitlich unbefristete und räumlich uneingeschränkte Recht, in die Plattform eingestellte Bewertungen, Fotos, Grafiken, Texte, Audionachrichten und Videos zur Bereitstellung auf der Plattform und zur Bewerbung der Plattform zu verwenden, zu bearbeiten, zu vervielfältigen und zu verbreiten.

Die Klausel umfasse auch personenbezogene Daten des Nutzers iSd Art 4 Nr 1 DSGVO. Dabei handelt es sich um alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Soweit mit der Klausel das Recht zur Verwendung, Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung an personenbezogenen Daten übertragen wird, liegt darin die Erteilung einer Einwilligung zu einer Verarbeitung dieser Daten durch die Beklagte. Eine Klausel in AGB, nach der der Vertragspartner der Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu Zwecken zustimmt, die für die Vertragsabwicklung nicht erforderlich sind, sei daher unzulässig bzw intransparent.

12. GoStudent ist jederzeit berechtigt, die über die Plattform angebotenen Services ohne Angabe von Gründen einzuschränken oder ganz einzustellen. Wesentliche Änderungen oder Einschränkungen der angebotenen Services werden rechtzeitig auf der Plattform bekannt gemacht.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

13. Eine Einschränkung oder Einstellung der angebotenen Services durch GoStudent bewirkt keine Änderung dieser AGB. Eine Änderung der AGB durch GoStudent kann nur gemäß dem in Punkt 1.4 vorgesehenen Prozedere erfolgen.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

14. Der Nutzer und der Lehrer sind schon jetzt damit einverstanden, dass GoStudent über das Bestehen und die Höhe eines etwaigen Anspruchs auf Guthabenrückerstattung entscheidet. Erachtet GoStudent die Beschwerde des Nutzers für berechtigt, erhält der Nutzer das Guthaben für eine Einheit Video-Unterricht auf seinem Guthabenkonto gutgeschrieben und dem Lehrer wird ein allenfalls für die Einheit bereits auf das Guthabenkonto des Lehrers gebuchtes Guthaben wieder abgezogen.

Die Einräumung einer derart weitgehenden (bindenden) Entscheidungsbefugnis über das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen bei Schlechterfüllung zugunsten eines Dritten sei iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend, weil damit deutlich von der dem Verbraucher durch das dispositive Recht iZm der gerichtlichen Geltendmachung seiner Gewährleistungsansprüche eingeräumten Rechtsposition zu seinen Lasten abgewichen werde und sich keine sachliche Rechtfertigung dafür finde.

15. GoStudent haftet, gleich aus welchem Rechtsgrund, nur, wenn ein Schaden durch GoStudent grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurde. Die Haftung von GoStudent für leichte Fahrlässigkeit ist – ausgenommen für Personenschäden – ausgeschlossen.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

16. Hinsichtlich der Rückerstattung des für eine Einheit Video-Unterricht verbrauchten Guthabens hat ein Nutzer gemäß Punkt 9.2 vorzugehen.

Die Unzulässigkeit der Klausel 14 (Punkt 9.2) führe zwingend auch zur Unzulässigkeit der darauf verweisenden Klausel 16.

17. Der Nutzer verpflichtet sich, GoStudent vollständig schad- und klaglos zu halten, wenn GoStudent von Lehrern wegen Ansprüchen aus Lehrerverträgen oder von anderen Nutzern, Lehrern oder Dritten wegen der vom Nutzer auf der Plattform eingestellten Inhalte zivil- oder strafrechtlich, gerichtlich oder außergerichtlich in Anspruch genommen wird. Die Freistellung umfasst auch Strafen, Schadenersatz und sämtliche Kosten der Rechtsverteidigung.

Die Klausel verpflichte den Verbraucher gegenüber der Beklagten unabhängig davon zur Schad- und Klagloshaltung, ob ihn ein Verschulden im Zusammenhang mit den Ansprüchen aus den Lehrerverträgen oder den von ihm auf der Plattform eingestellten Inhalten trifft. Die Klausel sei daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.

18. Der Nutzer kann dafür das Muster-Widerrufsformular herunterladen, ausfüllen und übermitteln oder eine andere eindeutige Erklärung per E-Mail an widerruf@gostudent.org oder per Post an Ernst-Melchior-Gasse 20, 6. Stock, 1020 Wien senden (die Abwicklung des Widerrufs erfolgt besonders rasch, wenn der Nutzer das Formular benutzt oder eine E-Mail sendet).

Der Verbraucher dürfe nicht im Unklaren darüber gelassen werden, dass der Widerruf – wie in § 13 Abs 1 FAGG normiert - an keine bestimmte Form gebunden ist. Der durchschnittliche verständige Verbraucher werde nach dieser Klausel nicht davon ausgehen, dass auch eine formlose (etwa eine mündliche oder fernmündliche) Erklärung zulässig ist. Die Klausel sei daher intransparent gemäß § 6 Abs 3 KSchG.

19. Ausnahme vom Widerrufsrecht: Das Widerrufsrecht entfällt, sobald bereits innerhalb der 14-tägigen Frist die erste bezahlte Tutor-Einheit stattfindet. Es entfällt unabhängig davon, ob der Nutzer die Einheit tatsächlich in Anspruch genommen hat oder nicht erschienen ist.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

20. Der Lehrervertrag kann nur unter offiziellem Nachweis der folgenden Gründe außerordentlich gekündigt werden:

• bei schwerer, andauernder Krankheit des Nutzers, die die Teilnahme an den Einheiten unzumutbar macht.

• bei mindestens 3 monatiger Arbeitslosigkeit und damit einhergehender Gehaltseinbußen.

• bei Umzug ins Ausland mit einer derart großen Zeitverschiebung, dass eine Teilnahme an den Einheiten nicht zumutbar ist.

• wenn kein Ersatzlehrer in einem angemessenen Zeitrahmen gefunden werden kann gemäß Punkt 9.3.

Es erfolgte keine rechtliche Überprüfung der Klausel durch das OLG Wien, weil GoStundet die Rechtsrüge nicht ausgeführt habe.

21. Sollten einzelne Bestimmungen dieser AGB unwirksam sein oder werden, so berührt dies den übrigen Inhalt der AGB nicht. Die unwirksame Bestimmung ist durch eine solche zu ersetzen, die rechtswirksam ist und dem wirtschaftlichen Zweck des Nutzers und von GoStudent am nächsten kommt.

Es entspreche weder die generelle Bezugnahme auf die Vertragsanpassung im Falle einer unwirksamen (missbräuchlichen) Klausel (vgl 4 Ob 63/21z) noch der generelle Verweis darauf, dass bei Unwirksamkeit einzelner AGB-Klauseln der übrige Inhalt der AGB nicht berührt werde, der Rechtslage.

22. Soweit in diesen AGB nichts anderes bestimmt ist, dürfen weder ein Nutzer noch GoStudent die Bestimmungen und Rechte aus diesen AGB ohne schriftliche Zustimmung der anderen Partei an Dritte übertragen oder abtreten.

Nach § 10 Abs 3 KSchG kann die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen des Unternehmers oder seiner Vertreter zum Nachteil des Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden. Auch im vorliegenden Fall sei der in der Klausel 22 vorgesehene Schriftformvorbehalt zugunsten der Beklagten für die Übertragung oder Abtretung von Bestimmungen und Rechten des Verbrauchers aus den AGB daher schon nach § 10 Abs 3 KSchG unwirksam.

 

Abgewiesen wurde das Begehren bezüglich folgender Klauseln:

3. Als Lehrer können sich alle Personen registrieren, die Video-Unterricht über die Plattform anbieten möchten.

Dass sich als Lehrer alle Personen registrieren können, die Video-Unterricht über die Plattform anbieten möchten, sei nicht objektiv ungewöhnlich iSv verkehrsunüblich. Im Bereich des privat organisierten Nachhilfeunterrichts könne generell nicht davon ausgegangen werden, dass nur Personen, die einem bestimmten vordefinierten Qualitätsstandard entsprechen, ihre Dienstleistungen in diesem Segment anbieten dürfen. Ein typischer Durchschnittsverbraucher werde aus der Klausel 3 auch nicht ableiten, dass er bei Schlechterfüllung der Nachhilfeleistungen keine Gewährleistungsansprüche hätte.

5. Für die Dauer der Vertragslaufzeit wird dem Nutzer monatlich (jeweils zum Aufladungsdatum) die vertraglich festgelegte Anzahl an Einheiten gutgeschrieben und der entsprechende Betrag automatisch abgebucht. Das Aufladungsdatum entspricht dem Kalendertag, an dem der Vertrag abgeschlossen wurde (Beispiel: Wurde ein Vertrag am 20.03.2021 geschlossen, ist der Aufladungstag jeweils der 20. Tag jeden Monats der Vertragslaufzeit). […] [Pkt. 4.3. AGB, Sätze 1 und 2]

Dieser Teil der Klausel regele nur den Erwerb der Einheiten zum Aufladungsdatum und die Abbuchung des Entgelts und habe losgelöst von der Verfallsklausel in Satz 3 Bestand.

OLG Wien 30.06.2023, 5 R 70/23k
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien 

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