Zum Inhalt

OLG Wien zu MPC-Fonds: Rechtsschutzversicherer ARAG auch für Prospekthaftungsansprüche deckungspflichtig

OLG Wien stellt klar, dass die ARAG SE hinsichtlich des Erwerbs von Anteilen an Geschlossenen Immobilienfonds auch für eine mögliche Prospekthaftung der MPC-Gruppe deckungspflichtig ist. Zuvor hatten OGH und OLG Wien die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers bereits für die Beraterhaftung bejaht.

Der klagende Anleger hatte im Nov 2006 eine Beteiligung am Reefer-Flotten-Fonds iHv Euro 100.000 erworben und suchte zur Geltendmachung von Prospekthaftungsansprüchen (§ 11 KMG) gegen Fonds, MPC Austria (nunmehr: CPM Anlagen Vertriebs GmbH in Liqu), den Prospektkontrollor Interfides und die TVP Treuhandgesellschaft bei der ARAG-Versicherung im Februar 2013 erfolglos um Deckung an.

Seiner Deckungsklage war bereits in erster und zweiter Instanz stattgegeben worden. Das OLG Wien weist mit vorliegendem Beschluss nun auch Zulassungsantrag und ordentliche Revision der ARAG mangels erheblicher Rechtsfrage zurück:

  • Der Risikoausschluss sonstiger Erwerbstätigkeit greift nicht, da sich die Funktion der Kläger als Treugeber ausschließlich auf diejenige eines einmaligen Geldgebers beschränkt, denen aufgrund der Konstruktion der Publikums-KG keinerlei Einflussnahme auf die Gesellschaft zukommt. Streitigkeiten aus privater Vermögensveranlagung sind grundsätzlich dem privaten Lebensbereich zuzuordnen (7 Ob 210/14d).
  • Im Erwerb einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen (Immobilien-)Fonds im EU-Raum liegt keine Gefahrenerhöhung und daher kein Verstoß gegen die Anzeigeobliegenheit nach Art 13.1. ARB 2000 iVm § 23 Abs 1 VersVG (7 Ob 210/14d).
  • Der Gesellschaftsrechtsausschluss nach Art 7.1.7. ARB ist nicht einschlägig, weil aufgrund der Konstruktion als Publikums-Kommanditgesellschaft eine Einflussnahme des klagenden Kommanditisten auf die Gesellschaft ausgeschlossen ist und sich dessen Funktion auf diejenige eines Geldgebers beschränkt. Der Anleger nimmt daher mit seinem Ersatzanspruch keine Interessen als Gesellschafter wahr.
  • Keine Verjährung: Wird der Schadenersatzanspruch nicht auf einen Irrtum über die Kontinuität der Ausschüttungen gestützt, sondern - wie hier - auf fehlerhafte Prospektangaben, kommt es für die Verjährung nicht auf Kenntnis oder Kennenmüssen des Anlegers bezüglich reduzierter und schließlich ausbleibender Ausschüttungen an. Die Notwendigkeit einer Interessenwahrnehmung in puncto Prospektmängel musste sich durch das zuvor erfolgte Ausbleiben von Ausschüttungen nämlich nicht abzeichnen. (Anm: zur verjährungsrechtlichen "Trennungsthese" im österr Recht siehe auch OLG Wien 1 R 43/15y)
  • Keine mangelnden Erfolgsaussichten (Art 9 ARB): Die Kausalität des Prospekts für die Veranlagungsentscheidung des Klägers ist - entgegen dem Einwand der ARAG - nach dem Klagsvorbringen zu bejahen. Ausreichend ist nach der OGH-Jud außerdem bereits, wenn irreführende Informationen den Geschädigten nicht über die eigene Lektüre des Kapitalmarktprospekts, sondern über Mittelsmänner erreichen (3 Ob 65/13z).

Die Berufungsentscheidung des OLG Wien ist - aufgrund der Zurückweisung des Zulassungsantrags (§ 508 ZPO) - rechtskräftig.

OLG Wien 27.5.2015, 30 R 23/14v
Volltextservice
Klagsvertreter: Dr. Sebastian Schumacher

Anmerkung:
Vgl zum klagsstattgebenden Urteil des HG Wien in erster Instanz: 20 Cg 41/13b.

Zuvor hat der OGH bereits klargestellt, dass die ARAG SE auch für Schadenersatzansprüche aus einer Fehlberatung gegen den Vermittler von MPC-Fondsbeteiligungen deckungspflichtig ist (dort: ARB 2000, 7 Ob 210/14d). Vgl auch OLG Wien 4 R 208/14h).

Deckungspflichtig ist die ARAG SE nach einem rezenten OGH-Urteil ferner für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus einer Fehlberatung iZm der Aufnahme eines Fremdwährungskredits (näher dazu: 7 Ob 191/14k).

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Kick-Back Zahlungen: VKI startet Sammelintervention gegen weitere Banken

Kick-Back Zahlungen: VKI startet Sammelintervention gegen weitere Banken

Nicht offengelegte Bestandsprovisionen für die Vermittlung von Finanzprodukten sind unzulässig. VKI bietet Unterstützung für betroffenen Kund:innen, die vor 2018 in Fonds investiert haben. Der VKI verhandelt mit diversen Banken über eine außergerichtliche Lösung. Erste Einigungen konnten bereits erzielt werden.

Geschlechtsumwandlung - OGH untersagt diskriminierende Versicherungsklausel

Geschlechtsumwandlung - OGH untersagt diskriminierende Versicherungsklausel

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums den "muki Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit" aufgrund eines Risikoausschlusses, der transgender und intersexuellen Personen die Möglichkeit nimmt eine medizinisch notwendige Geschlechtsumwandlung mit Kostendeckung des Versicherers durchzuführen, wodurch diese Personengruppe diskriminiert wird. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte die Rechtsansicht des VKI.

„Versicherungsmathematische Grundsätze“ müssen laut OGH nicht erklärt werden

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Wiener Städtische wegen einer Klausel in der Polizze für eine Rentenversicherung sowie einer Klausel aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Beide Klauseln wurden von den Vorinstanzen für unzulässig erklärt. Die Wiener Städtische legte nur zur zweiten Klausel Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts beim OGH ein, die der OGH für berechtigt erachtete.

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG wegen einer Klausel geklagt, die den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Akten der Hoheitsverwaltung ausschließt. Das Handelsgericht Wien gab dem VKI recht und erklärte die eingeklagte Klausel für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

unterstützt durch das 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang