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Online-Handel: Rücktritt beim Matratzenkauf bestätigt

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) sprach nun - in Folge einer EuGH-Entscheidung - dem Käufer eines Matratze bei einem Online-Händler das Rücktrittsrecht zu. Die österreichische Regelung geht ebenso wie die deutsche auf EU-Recht (Verbraucherrechte-Richtlinie) zurück. Der BGH führte nun aus: Schließt ein Verbraucher mit einem Online-Händler einen Kaufvertrag über eine neue Matratze, die ihm mit einer Schutzfolie versiegelt geliefert wird, handelt es sich hierbei nicht um einen Vertrag zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wird. Dem Verbraucher steht daher auch dann das Recht zu, seine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung zu widerrufen, wenn er die Schutzfolie entfernt hat.

Bei Fernabsatzgeschäften oder Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, steht dem Verbraucher in der Regel ein Rücktrittsrecht zu.
Hiervon gibt es aber Ausnahmen, etwa wenn "versiegelte    Waren    geliefert    werden,    die    aus    Gründen    des    Gesundheitsschutzes   oder   aus   Hygienegründen   nicht   zur   Rückgabe   geeignet   sind   und   deren   Versiegelung   nach   der   Lieferung  entfernt  wurde" (Art 16 lit e VR-RL 2011/83/EU; in Österreich: § 18 Abs 1 Z 5 FAGG; in Deutschland: § 312g Abs 2 Z 3 BGB).

Der EuGH sprach dazu bereits in diesem Verfahren aus, dass bei einem Matratzenkauf auch nach Entfernung der Versiegelung in der Regel noch ein Rücktrittsrecht zusteht, dass also obige Ausnahme nicht zur Anwendung kommt (C-681/17). Diese Rechtsprechung hat nun der deutsche BGH fortgeführt.

Ein Konsument kaufte eine Matratze bei einem Online-Händler (Fernabsatzvertrag). In den AGB des Verkäufers stand, dass das Widerrufsrecht in folgenden Fällen vorzeitig erlischt: "Bei Verträgen zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde." Weiters stand in den AGB, dass der Verkäufer bei Ausübung des Widerrufsrechts durch den Kunden der Verkäufer die Kosten trägt.

Die bestellte Matratze war bei der Lieferung mit einer Schutzfolie versehen, die der Konsument entfernte. Innerhalb der 14 Tage schrieb der Konsument an den Verkäufer per Email: "Ich muss die Matratze ... leider an Sie zurücksenden. Aufgrund des hohen Gewichts muss die Rücksendung wohl durch eine Spedition durchgeführt werden. Können Sie dieses bitte veranlassen? Vorzugsweise an einem Termin noch diese Woche".

Da der Verkäufer den erbetenen Rücktranspart nicht veranlasste, gab der Kläger den Transport selbst in Auftrag. In der Folge klagte er den Verkäufer auf Rückzahlung des Kaufpreises und der Transportkosten.

Rücktrittsrecht bei Entsiegelung der Matratze möglich
In Übernahme der EuGH-Entscheidung führte der BGH aus, dass die genannte Ausnahmeregelung nur dann eingreife, wenn nach der Entfernung der Versiegelung der Verpackung die darin enthaltene Ware aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene endgültig nicht mehr verkehrsfähig sei, weil es für den Unternehmer wegen ihrer Beschaffenheit unmöglich oder übermäßig schwierig sei, Maßnahmen zu ergreifen, die sie wieder verkaufsfähig machten, ohne dass einem dieser Erfordernisse nicht genügt würde.
Daraus folge für den Streitfall, dass eine Matratze, deren Schutzfolie der Verbraucher entfernt habe, nicht unter den Ausnahmetatbestand fallen könne.

Wirksame Rücktrittserklärung
Die Widerrufserklärung muss nach § 355 Abs 1 Satz 4 BGB nicht mit Gründen versehen sein; ihr muss aber nach § 355 Abs 1 Satz 3 BGB der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung eindeutig entnommen werden können. Im konkreten Fall musste der Verkäufer das Email des Käufers so verstehen, dass der Käufer nicht an den Vertrag festhalten wolle. Der Verkäufer argumentierte - erfolglos - damit, dass der Käufer nur eine Mangelüberprüfung erbeten hätte. Für den BGH bietet das Email für eine solche Auslegung keinen Anlass. Da ein weiterer Anlass, die Matratze zurückzusenden, nicht ersichtlich ist, liegt es vielmehr nahe, die Wendung "...ich muss die Matratze aus der Bestellung leider an Sie zurücksenden" als Widerruf der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung zu verstehen, zumal für die Annahme eines Widerrufswillens keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Der Widerruf muss auch nicht als solcher bezeichnet werden.

BGH 3.7.2019, VIII ZR 194/16

Das Urteil im Volltext.

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