Ausgangsverfahren
Die Kläger reisten am 13. März 2020 aufgrund einer im Dezember 2019 bei FTI Touristik gebuchten Pauschalreise nach Gran Canaria (Spanien). Bereits zwei Tage später, am 15. März 2020 verhängten die spanischen Behörden im gesamten spanischen Hoheitsgebiet Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19 Pandemie, was unter anderem zur Sperrung der Strände und zur Verhängung einer Ausgangssperre führte. Die Kläger konnten in weiterer Folge ihr Hotelzimmer nur noch zur Nahrungsaufnahme verlassen, der Zugang zu Pools und Liegen wurde untersagt und das Animationsprogramm eingestellt. Am 18. März wurde den Klägern überdies mitgeteilt, dass sie sich bereithalten sollten, die Insel jederzeit zu verlassen, was am 20. März, sieben Tage vor der geplanten Abreise, tatsächlich erfolgte.
FTI Touristik verweigerte die von den Klägern geltend gemachte Preisminderung im Ausmaß von 70% mit der Begründung, dass sie nicht für so ein „allgemeines Lebensrisiko“ einzustehen hätte.
Das Erstgericht wies die Klage ab und führte aus, dass die von den spanischen Behörden veranlassten Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Covid-19 Pandemie zum Schutz der Gesundheit der Kläger seien und ein solcher Schutz zu keinem „Reismangel“ der Pauschalreise nach deutschem Recht führen könne.
Das Landgericht München I als Berufungsgericht hielt die Frage, ob die angeordneten Einschränkungen als Teil des „allgemeinen Lebensrisikos“ angesehen werden könnten bzw. ob es sich aufgrund der Tatsache, dass die verhängten Maßnahmen auch in Deutschland erlassen wurden, um „übliche Umstände“ handelt, was zu einer Verneinung des Preisminderungsrechtes führen würde, für klärungsbedürftig durch den EuGH.
Ausführungen EuGH
Der EuGH legt in seiner Entscheidung ausführlich dar, dass der Anspruch des Reisenden auf Preisminderung seiner Pauschalreise nur der Voraussetzung einer Vertragswidrigkeit unterliegt, wobei unter „Vertragswidrigkeit“ nach Art 3 Nr 13 der Richtlinie 2015/2302 die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung der in einer Pauschalreise zusammengefassten Reiseleistungen zu verstehen ist.
Die Ursache dieser Vertragswidrigkeit, insbesondere ihre Zurechenbarkeit zum Reiseveranstalter, ist unerheblich. Wesentlich ist einzig der objektive Vergleich zwischen den in der Pauschalreise zusammengefassten Leistungen und jenen, die tatsächlich erbracht wurden.
Der Anspruch auf Preisminderung steht nur dann nicht zu, wenn die Nichterbringung oder mangelhafte Erbringung dem Reisenden zuzurechnen ist, er beruht folglich auf einer verschuldensunabhängigen Haftung des Reiseveranstalters, wobei es unerheblich ist, ob die Umstände der Vertragsverletzung außergewöhnlich oder üblich sind.
Der EuGH hält überdies fest, dass bei der Beurteilung des Preisminderungsanspruchs die sich aus dem Pauschalreisevertrag ergebenden Verpflichtungen des Reiseveranstalters nicht eng ausgelegt werden dürfen. So sind nicht nur diejenigen Verpflichtungen erfasst, die ausdrücklich im Pauschalreisevertrag vereinbart wurden, sondern auch diejenigen, die damit zusammenhängen und sich aus dem Ziel des Vertrages ergeben.
Weiters wird vom EuGH auf die Angemessenheit der Preisminderung für den gesamten Zeitraum, in dem eine Vertragswidrigkeit vorlag, hingewiesen, wobei diese, wie die Feststellung der Vertragswidrigkeit, objektiv unter Berücksichtigung der Verpflichtungen des Reiseveranstalters aus dem Pauschalreisevertrag vorzunehmen ist.
Zu berücksichtigen ist hiebei auch die dem Reisenden treffende Verpflichtung zur unverzüglichen Meldung jeder einzelnen Vertragsverletzung, da bei einer entsprechenden Meldung die Dauer der festgestellten Vertragswidrigkeit begrenzt werden hätte können.
Fazit
Nicht erbrachte bzw mangelhaft erbrachte Leistungen eines Pauschalreisevertrages aufgrund von im Reiseland geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19 Pandemie können zu einer Preisminderung führen.