Zum Inhalt

Rücktritt vom Handwerkvertrag

Hat ein Handwerker-Unternehmen bei einem außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag die Verbraucher:innen nicht über das Rücktrittsrecht belehrt und treten diese vom Vertrag zurück, müssen die Verbraucher:innen kein Entgelt zahlen. Das Unternehmen muss somit selbst die Kosten tragen, die ihm für die Erfüllung des Vertrages entstanden sind. Dies stelle laut EuGH keine unverhältnismäßige Sanktion dar und laufe nicht dem Grundsatz des Verbots ungerechtfertigter Bereicherung zuwider.

Im deutschen Anlassfall schloss ein Konsument mit einem Handwerker einen Vertrag über die Erneuerung der Elektroinstallation seines Hauses, ohne dass der Unternehmer ihn über sein Widerrufsrecht belehrte. Der Konsument beglich nach vollendeter Arbeit die Rechnung nicht, sondern erklärte den Rücktritt vom Vertrag. Der Unternehmer verlangte einen Wertersatz.

Nach Art 14 Abs 5 Verbraucherrecht-RL (2011/83) kann ein Verbraucher, der sein Recht auf Widerruf eines „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags“ iSv  der VR-RL ausübt, aufgrund dieser Ausübung nicht in Anspruch genommen werden kann, sofern in Art 13 Abs 2 und Art 14 der VR-RL nichts anderes vorgesehen ist.

Hat ein Unternehmer es unterlassen, den Verbraucher, bevor sich dieser durch einen außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrag bindet, die Informationen über das Rücktrittsrecht (nach Art 6 Abs 1 lit h und j VR-RL) bereitzustellen, hat der Verbraucher nicht für die Dienstleistungen aufzukommen, die während der Widerrufsfrist ganz oder teilweise an ihn erbracht werden. Außerdem führt das Versäumnis, die in Art 6 Abs 1 lit h genannten Informationen bereitzustellen, dazu, dass sich die Widerrufsfrist um zwölf Monate nach Ablauf der ursprünglichen Widerrufsfrist verlängert (gemäß Art 10 Abs 1 VR-RL).

Die vorvertragliche Information über dieses Widerrufsrecht ist für den Verbraucher von grundlegender Bedeutung und erlaubt ihm, die Entscheidung, ob er diesen Vertrag abschließen soll oder nicht, in Kenntnis der Sachlage zu treffen. Daraus folgt, dass in dem Fall, dass der betreffende Unternehmer es vor Abschluss eines Vertrags außerhalb von Geschäftsräumen unterlässt, einem Verbraucher die Informationen über das Rücktrittsrecht bereitzustellen, und der Verbraucher sein Widerrufsrecht ausübt, die Richtlinie den Verbraucher von jeder Verpflichtung befreit, diesem Unternehmer den Preis für die von ihm während der Widerrufsfrist erbrachten Dienstleistung zu zahlen.

Das mit der VR-RL festgelegte Ziel des hohen Verbraucherschutzniveaus geriete in Gefahr, falls es dem Unternehmer erlaubt wäre, von der Anwendung der eindeutigen Bestimmungen der Richtlinie dergestalt abzusehen, dass einem Verbraucher in der Folge seines Widerrufs eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags Kosten entstehen könnten, die in dieser Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

Der EuGH verneint hier einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen.

Zusammenfassung: Art 14 Abs 4 lit a Z i) und Art 14 Abs 5 der VR-RL sind dahin auszulegen, dass sie Verbraucher:innen von jeder Verpflichtung zur Vergütung der Leistungen befreien, die in Erfüllung eines außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags erbracht wurden, wenn ihnen das betreffende Unternehmen die Informationen gemäß Art 14 Abs 4 lit a Z i) nicht übermittelt hat und die Verbraucher:innen ihr Widerrufsrecht nach Erfüllung dieses Vertrags ausgeübt haben.

EuGH 17.5.2023, C-97/22

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Skigebiet

Gesetzwidrige Verzichtserklärung auf Rückerstattungsansprüche

Der VKI hatte die Bergbahnen Westendorf Gesellschaft m.b.H geklagt. Gegenstand des Verfahrens ist eine Verzichtserklärung der Verbraucher:innen für allfällige Rückerstattungsansprüche bei teilweiser oder gänzlicher Einstellung des Skiliftbetriebs.

Online-Nachhilfe

GoStudent – Klausel zur Vertragsverlängerung ist unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums das Online-Nachhilfeunternehmen GoStudent GmbH (GoStudent) geklagt. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) hat nun 17 der 22 vom VKI beanstandeten Klauseln für unzulässig erklärt. Damit fällt unter anderem die Vertragsverlängerungsklausel von GoStudent weg, auf die das Unternehmen zahlreiche automatische Vertragsverlängerungen gestützt hat. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Laudamotion

Datenschutzklausel von Laudamotion gesetzwidrig

Der VKI hatte die Laudamotion GmbH (Laudamotion) wegen diverser Klauseln in deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen geklagt. Nun wurde noch die letzte der eingeklagten Klauseln, eine Datenschutzklausel, rechtskräftig für unzulässig erklärt.

Blick auf Konzertbuehne

Frequency 2020 - Unzulässige Regelung über Auszahlung des Kaufpreises

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die musicnet entertainment GmbH geklagt. Diese ist ua Veranstalter des Frequency Festivals (FQ). Für Kund:innen, die bereits ein Ticket für das FQ 2020 erworben hatten, es aber gegen ein Ticket für das FQ 2021 tauschten, sah der Veranstalter erst für 1.1.2024 die Möglichkeit vor, die Rückzahlung des Kaufpreises zu verlangen.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang