Zum Inhalt

Rücktrittsrecht bei individuellem Ansprechen am Gang auf Messe

Der EuGH bestätigte, dass Konsumenten ein Rücktrittsrecht haben, wenn sie auf einer Messe unmittelbar nachdem sie dort auf einem verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsständen gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang von einem Unternehmer angesprochen werden, von diesem zu seinem Stand geleitet werden und dort einen Vertrag abschließen.

Zwei Konsumenten besuchten eine Messe. Sie befanden sich im Gang einer der Ausstellungshallen dieser Messe vor dem Verkaufsstand eines Unternehmens, als ein Mitarbeiter dieses Unternehmens sie aus dem Verkaufsstand heraus oder auf dem Gang ansprach, um sie vom Kauf eines Staubsaugers zu überzeugen. Auf Einladung des Mitarbeiters dieses Unternehmens begaben sich GC und seine Ehefrau in den Verkaufsstand und schlossen dort einen Vertrag über den Kauf eines Staubsaugers ab.

Verbraucher haben Unternehmern gegenüber ein Rücktrittsrecht (nach FAGG), wenn sie den Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers schließen. Der Grund für das Rücktrittsrecht besteht darin, dass Verbraucher außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers möglicherweise psychisch unter Druck stehen oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt sind, wobei es keine Rolle spielt, ob er den Besuch des Unternehmers herbeigeführt hat oder nicht. Mitumfasst sind aber auch Situationen, in denen Verbraucher außerhalb von Geschäftsräumen persönlich und individuell angesprochen werden, der Vertrag aber unmittelbar danach in den Geschäftsräumen des Unternehmers oder über Fernkommunikationsmittel geschlossen wird (s EuGH C 485/17).

Markt- und Messestände werden als Geschäftsräume behandelt werden, wenn sie als Räumlichkeiten dienen, an denen der Unternehmer sein Gewerbe ständig oder gewöhnlich ausübt. Der Öffentlichkeit zugängliche Orte wie Straßen, Einkaufszentren, Strände, Sportanlagen und öffentliche Verkehrsmittel, die der Unternehmer ausnahmsweise für seine Geschäftstätigkeiten nutzt, sowie Privatwohnungen oder Arbeitsplätze gelten dagegen nicht als Geschäftsräume (s EuGH C 485/17).

Im gegenständlichen Fall ging es um einen Vertrag, der abgeschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher, der sich auf dem für die verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsstände gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang befand, von diesem Unternehmer angesprochen worden war. Der Gang kann nicht als Geschäftsraum angesehen werden. Daher ist ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher, der in einem Geschäftsraum des Unternehmers abgeschlossen wurde, unmittelbar nachdem der Verbraucher an einem Ort, der nicht zu den Geschäftsräumen des Unternehmers gehört, etwa auf dem für die verschiedenen in der Ausstellungshalle einer Messe vertretenen Verkaufsstände gemeinsam zur Verfügung stehenden Gang, persönlich und individuell angesprochen worden war, als ein „außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossener Vertrag“ anzusehen. Der Verbraucher ist hier einem Überraschungsmoment ausgesetzt. Er hat somit ein Rücktrittsrecht.

EuGH 17.12.2019, C-465/19 (B & L Elektrogeräte GmbH/GC)

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Einigung mit WSK Bank: Refundierung von Kreditbearbeitungsgebühren

Einigung mit WSK Bank: Refundierung von Kreditbearbeitungsgebühren

Nach Entscheidung des Obersten Gerichtshof zur Unzulässigkeit der Kreditbearbeitungsgebühr und weiteren Entgelten der WSK Bank konnte sich der VKI mit der WSK Bank auf eine außergerichtliche Lösung für betroffene Kreditnehmer:innen einigen. Eine kostenlose Anmeldung zur Aktion ist bis 03.03.2026 möglich!

Unzulässige Klauseln in den AGBs von BravoNext S.A.

Unzulässige Klauseln in den AGBs von BravoNext S.A.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die BravoNext S.A. (Bravofly) wegen verschiedener Klauseln in den von ihr verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt.

HG Wien: Erfolg gegen Coaching-Plattform CopeCart

HG Wien: Erfolg gegen Coaching-Plattform CopeCart

Im Auftrag der AK OÖ klagte der VKI erfolgreich die Online-Plattform CopeCart GmbH, weil Verbraucher:innen nicht ordnungsgemäß über ihr Rücktrittsrecht informiert wurden und diesen der Rücktritt zu Unrecht verweigert wurde.

unterstützt durch das 

Sozialministerium

Zum Seitenanfang