Zum Inhalt

Schlechte Versorgung an Bord nach Verbrühen mit Kaffee gilt als Teil von Unfall

In einem von einem österreichischen Gericht eingeleiteten Verfahren ging der EuGH der Frage nach, ob die ungenügende Erstversorgung an Bord eines Flugzeugs nach dem Verbrühen mit heißem Kaffee als Teil des Unfalls anzusehen ist. 

Ausgangsverfahren

Der Kläger war am 18. Dezember 2016 Passagier eines von Austrian Airlines durchgeführten Fluges. Während dieses Fluges fiel eine Kanne mit heißem Kaffee von einem Servierwagen und verbrühte den Kläger, der an Bord medizinische Erstversorgung erhielt.

Im Mai 2019 erhob er in Österreich Klage auf Schadenersatz gegen die Fluggesellschaft. Er machte geltend, dass Austrian Airlines nicht nur für die Unachtsamkeit ihres Personals, die zum Umfallen der Kaffeekanne geführt habe, sondern auch für die unzureichende medizinische Erstversorgung der erlittenen Verbrühungen an Bord des Luftfahrzeugs verantwortlich sei. Da diese Erstversorgung nicht als „Unfall“ im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal eingestuft werden könne, unterliege sie dem nationalen Recht. Folglich sei die in § 1489 ABGB vorgesehene Frist von drei Jahren für die Erhebung der Klage auf Ersatz der durch die Erstversorgung verursachten Schäden noch nicht abgelaufen.

Der OGH hat das Verfahren dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, um zu klären, ob die an einen Unfall im Sinne von Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal anschließende medizinische Erstversorgung an Bord des Luftfahrzeugs, die zu einer von den eigentlichen Unfallfolgen abgrenzbaren weiteren Körperverletzung des Reisenden führt, gemeinsam mit dem auslösenden Ereignis als einheitliches Unfallgeschehen anzusehen ist.

Ausführungen EuGH

Nach Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal hat der Luftfrachtführer den Schaden zu ersetzen, der dadurch entsteht, dass ein Reisender getötet oder körperlich verletzt wird, jedoch nur, wenn sich der Unfall, durch den der Tod oder die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen ereignet hat.

Ein „Unfall“ ist als ein unvorhergesehenes, unbeabsichtigtes, schädigendes Ereignis zu verstehen, wobei nicht verlangt wird, dass der Schaden auf das Eintreten eines luftfahrtspezifischen Risikos zurückgeht oder dass es einen Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem Betrieb oder der Bewegung des Luftfahrzeugs gibt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein Schadenseintritt nicht immer auf ein isoliertes Ereignis zurückgeführt werden kann, wenn sich dieser Schaden als Folge eines Bündels von Ereignissen darstellt, die sich gegenseitig bedingen.

Dies ist der Fall, wenn – wie im gegenständlichen Verfahren – das Umfallen einer Kaffeekanne dazu führt, dass ein Reisender verbrüht wird und unverzüglich vom Bordpersonal medizinisch erstversorgt werden muss. In Anbetracht der räumlichen und zeitlichen Kontinuität zwischen dem Umfallen der Kaffeekanne und der medizinischen Erstversorgung des dadurch verletzten Reisenden besteht nämlich unbestreitbar ein Kausalzusammenhang zwischen diesem Umfallen und der Verschlimmerung der dadurch verursachten Körperverletzung aufgrund der unzureichenden medizinischen Erstversorgung.

Fazit

Die unzureichende medizinische Erstversorgung eines Reisenden an Bord eines Luftfahrzeugs, die zu einer Verschlimmerung der durch einen „Unfall“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal verursachten Körperverletzung geführt hat, ist als Teil dieses Unfalls anzusehen.

Die zweijährige Frist zur Erhebung der Schadenersatzklage nach Art. 35 Abs. 1 des Übereinkommens von Montreal wäre im Anlassfall somit bereits 2019 abgelaufen. Den konkreten Fall muss das österreichische Gericht entscheiden.

EuGH 6.7.2023, C-510/21 (Austrian Airlines)

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Waldbrände auf Rhodos

Waldbrände auf Rhodos

Auf der griechischen Insel Rhodos wüten Waldbrände. Wir informieren Sie über Ihre Rechte.

Erstes Urteil in den VW Sammelklagen - Schadenersatz weit unter Messlatte

Erstes Urteil in den VW Sammelklagen - Schadenersatz weit unter Messlatte

Das Landesgericht St. Pölten bejaht zwar die Haftung von VW spricht aber durchschnittlich nur 4 Prozent des Kaufpreises als Schadenersatz zu. Besitzer:innen mancher Skoda- und Seat-Modelle sollen außerdem keinen oder nur einen sehr geringen Schadenersatz bekommen. Der VKI wird Berufung gegen das Urteil erheben.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang