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Streik nicht per se ein "außergewöhnlicher Umstand" nach der Fluggastrechte-VO

Eine Fluglinie kann sich bei der Annullierung eines Fluges aufgrund eines Streiks nicht per se darauf berufen, dass sei ein "außergewöhnlicher Umstand, der sie von der Zahlung der Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO befreit.

Der VKI führt im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums einen Musterprozess zur Klärung der Frage, ob auch bei einem Streik die Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-VO zusteht oder ob es sich hierbei um einen "außergewöhnlichen Umstand" handelt, der von der Zahlungspflicht befreit. Bislang gibt es dazu unterschiedliche Lehrmeinungen. 

Der Flug zweier Konsumenten von Madrid nach Wien wurde wegen eines - 18 Tage vor Beginn von der Gewerkschaft angekündigten - Streiks des Kabinenpersonals annulliert. Weil den Konsumenten keine adäquate Umbuchung angeboten wurde, buchten sie auf eigene Faust einen Rückflug nach Wien. Die Fluglinie verweigerte die Zahlung der Mehrkosten für den Ersatzflug und lehnte die Zahlung der Ausgleichsleistung in Höhe von EUR 400,00 pro Person mit der Begründung ab, bei einem Streik handle es sich um einen sogenannten "außergewöhnlichen Umstand", bei welchen die Verordnung eine Befreiung von der Zahlung der Ausgleichleistung vorsieht. 

Während das Erstgericht noch von einem unvermeidbaren "außergewöhnlichen Umstand" ausging und nur die Flugkosten als Unterstützungsleistungen nach der VO zusprach, sah das das Berufungsgericht nun anders. Zur Beurteilung der Frage, ob ein "außergewöhnlicher Umstand" vorliegt oder nicht, ist unerheblich, ob es sich um einen betriebsinternen oder einen externen Streik handelt. Vielmehr muss die Fluglinie zu ihrer Entlastung konkret behaupten und beweisen, warum es ihr auch unter Einsatz aller ihr zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel offensichtlich nicht möglich war, ohne nicht tragbare Opfer den außergewöhnlichen Umstand zu vermeiden, der zur Annullierung des Fluges geführt hat. Von der Fluglinie wurde nicht konkret dargelegt, wann sie erstmals vom Streik erfuhr und so bei ihr bekannt war, welche Flüge davon betroffen waren, warum sie aufgrund dessen weder in zeitlicher noch personeller Hinsicht die Möglichkeit hatte, darauf hinsichtlich des konkreten Fluges zu reagieren, welches Personal (Flugbegleiter, Piloten) in welchem Umfang, gemessen am gesamt zur Verfügung stehenden Personal streikte und daher für die Durchführung der vom Streik betroffenen Flüge nicht zur Verfügung gestanden sind und inwieweit der Streik nicht beherrschbar war. Sie hat auch nicht konkret dargelegt, warum es ihr nicht möglich war, für den annullierten Flug betriebsintern oder extern einen Ersatzflug zu organisieren und woran die Bereitstellung eines solchen Fluges gescheitert ist.

Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. (Stand 17.09.2013)  

HG Wien 28.8.2013, 1 R 266/12g
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Klagevertreter: Dr. Gerhard Deinhofer, RA in Wien

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