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Unternehmereigenschaft vom Kartenvermittler

Der Vermittler Tiketa vertreibt über ihre Website Karten für Veranstaltungen, die von Dritten organisiert werden. Ein Verbraucher erwarb vom Vermittler eine Karte für eine Kulturveranstaltung. Vor Abschluss des Erwerbs der Karte wurde auf der Website vom Vermittler darauf hingewiesen, dass diese Veranstaltung von der „Baltic Music“ VšĮ organisiert werde. Für weitere Informationen wurden eine andere Website und eine Telefonnummer angeführt. Außerdem wurde in roter Schrift folgender Hinweis angezeigt: „Der Veranstalter trägt die volle Verantwortung für die Veranstaltung, ihre Qualität, ihren Inhalt und die damit zusammenhängenden Informationen. Tiketa vertreibt die Karten und handelt als offene Stellvertreterin.“ Die auf der Website von Tiketa einsehbaren Regeln für die Dienstleistungserbringung enthielten genauere Informationen zu dem in Rede stehenden Dienstleistungserbringer und zur Rückerstattung des Kartenpreises. Die ausgestellte Karte enthielt nur einen Teil dieser Regeln.

Als sich der Konsument zu der in Rede stehenden Veranstaltung begab, erfuhr er durch einen Aushang am Eingang des Veranstaltungsorts, dass diese nicht stattfinden werde.

Der Konsument forderte von Tiketa die Rückerstattung des Kartenpreises sowie den Ersatz seiner Reisekosten und des ihm durch die Absage der in Rede stehenden Veranstaltung entstandenen immateriellen Schadens. Tiketa teilte ihm mit, dass er sich an Baltic Music wenden müsse. Baltic Music reagierte nicht auf die Forderungen des Konsumenten.

Vermittler als Unternehmer iSd Verbraucherrechte-RL (VRRL) 2011/83

Ein Unternehmer muss nach Art 6 Abs 1 lit c und d der VRRL den Verbraucher vor Vertragsabschluss gegebenenfalls über die Identität und die Anschrift des Unternehmers, in dessen Auftrag er handelt, sowie gegebenenfalls über dessen Geschäftsanschrift informieren. Damit schließt diese Bestimmung in die Kategorie der Unternehmer iSv Art 2 Nr 2 dieser RL auch natürliche und juristische Personen ein, die im Auftrag anderer Unternehmer handeln.

Das Ziel der VRRL, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (s Art 1) erfordert eine weite Auslegung des Geltungsbereichs dieser RL und damit des Begriffs „Unternehmer“ iSv Art 2 Nr 2.

Ein „Unternehmer“ iSv Art 2 Nr 2 der VRRL ist daher nicht nur eine natürliche oder juristische Person, die bei von dieser RL erfassten Verträgen zu Zwecken tätig wird, die ihrer eigenen gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können, sondern auch eine natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag des betreffenden Unternehmers handelt. Dies gilt unabhängig davon, ob ein solcher Vermittler seinen Verpflichtungen aus der RL 2011/83 nachgekommen ist. 

Für die Einstufung eines Vermittlers als „Unternehmer“ iSv Art 2 Nr 2 der VRRL ist es auch unerheblich, ob die betreffende natürliche oder juristische Person, die als Vermittler im Namen oder Auftrag eines anderen Unternehmers handelt, dem Verbraucher gegenüber offengelegt hat, dass sie als Vermittler tätig ist.

Der Umstand, dass der Vermittler ein Unternehmer ist, schließt es nicht aus, dass dies auch auf den Hauptunternehmer zutrifft, in dessen Namen oder Auftrag der Vermittler handelt. Dazu muss auch keine doppelte Dienstleistung vorliegen, da beide Unternehmer verpflichtet sind, auf die Einhaltung der in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen zu achten.

Informationspflichten

Der Unternehmer hat dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags lediglich die nach Art 6 Abs 1 der VRRL erforderlichen Informationen in klarer und verständlicher Form zur Verfügung zu stellen hat. Erst nach Abschluss des betreffenden Vertrags ist der Unternehmer außerdem nach Art 8 Abs 7 der RL verpflichtet, dem Verbraucher innerhalb einer angemessenen Frist die Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zukommen zu lassen, es sei denn, die in Art 6 Abs 1 der RL vorgesehenen Informationen wurden ihm bereits auf einem solchen Datenträger übermittelt.

Es spricht nichts dagegen, dass die in Art 6 Abs 1 dieser RL vorgesehenen Informationen dem Verbraucher vor Abschluss des Vertrags im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Kenntnis gebracht werden, denen der Verbraucher durch das Ankreuzen des dafür vorgesehenen Kästchens zustimmt,  sofern ihm diese Informationen in klarer und verständlicher Weise zur Kenntnis gebracht werden.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im Ausgangsverfahren alle diese Informationen dem in Rede stehenden Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zur Kenntnis gebracht wurden.

Eine solche Art und Weise der Informationserteilung kann hingegen nicht die Bestätigung ersetzen, die dem Verbraucher gemäß Art 8 Abs 7 der VRRL nach Abschluss des Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen ist. Ein solcher „dauerhafter Datenträger“ muss somit in der Praxis dieselben Funktionen erfüllen wie die Papierform, damit der Verbraucher gegebenenfalls seine Rechte geltend machen kann. Die in Art 6 Abs 1 der VRRL vorgesehenen Informationen lediglich im Wege der allgemeinen Regeln für die Dienstleistungserbringung auf der Website des Vermittlers zur Verfügung zu stellen, denen der Verbraucher durch Ankreuzen zustimmt, genügt diesen Anforderungen jedoch nicht.

Die nicht erfolgte Übergabe der Vertragsbestätigung auf einem dauerhaften Datenträger an den Verbraucher hat jedoch keine Auswirkung auf die Anwendung von Art 6 Abs 5 der VRRL, wonach die Informationen nach Art 6 Abs 1 dieser RL fester Bestandteil des Fernabsatzvertrags oder des außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossenen Vertrags sind und nicht geändert werden dürfen, es sei denn, die Vertragsparteien vereinbaren ausdrücklich etwas anderes.

EuGH 24.2.2022, C-536/20 ("Tiketa" UAB/M. Š.; ,,Baltic Music" VšĮ)

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