Der Beklagte hat als Gruppenversicherungsnehmer mit in Deutschland ansässigen Versicherungsunternehmen einen Gruppenversicherungsvertrag geschlossen und zwar mit drei verschiedenen Versicherern (je nach Sparte).
Der Beklagte bietet über ihre Website sowie über den stationären wie Online-Skihandel Mitgliedschaften mit Skiversicherungen für Verbraucher an, und zwar ua auch in österreichischen Sportartikelgeschäften.
Passivlegitimation
Der Beklagte bietet eine Mitgliedschaft mit Skiversicherung an. Für den durchschnittlichen Verbraucher steht dabei Letzteres im Vordergrund.
Dem Verbraucher wird der Gruppenversicherungsvertrag vor Vertragsabschluss inhaltlich nicht offen gelegt. Der Verbraucher kann vor Vertragsabschluss nicht erkennen, in welcher Form die Versicherungsgesellschaften im Rahmen der Gruppenversicherung zusammenwirken. Wer den Vertrag über das Formular ./3 schließt, kann auch nicht erkennen, dass es sich in Wahrheit um drei Vertragspartner handelt.
Dem Kunden tritt nur der beklagte Verein gegenüber, die Versicherungsprämie ist an ihn zu leisten, Schadensfälle sind ausschließlich ihm zu melden. Von der Aufgabenteilung der Versicherungsgesellschaften erfährt der Verbraucher erst nach Vertragsabschluss. Die auf den Vertragsformblättern angeführten Bestimmungen sind daher dem Beklagten zuzurechnen. Es handelt sich um seine Vertragsbedingungen. Eine Zurechnung an die Versicherungsgesellschaften kommt bei Vertragserklärung mittels Formular ./3 schon mangels Nennung nicht in Betracht. Ob bei dieser Sachlage der Versicherungsvertrag nicht eigentlich mit dem Beklagten direkt zustande kommt, kann dahingestellt bleiben, ist er doch – als allein dem Verbraucher gegenüber Auftretender – jedenfalls „Verwender“ der AGB iSd § 28 Abs 1 KSchG.
Anwendbares Recht
Nach Art 1 Abs 2 lit f Rom-I-VO sind Fragen betreffend ua das Vereinsrecht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen. Derartige Fragen des Vereinsrechts sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl zur Anforderung, dass es sich ausschließlich um solche Fragen handeln muss: EuGH C-25/18 – Kerr Rz 33). Schon der Aufbau des Vertriebs, der Werbeauftritte und der Vertragsformblätter zeigt, dass die Verbraucher primär als Versicherungsnehmer und nur sekundär als Vereinsmitglieder geworben werden.
Nach Art 7 Abs 3 letzter Satz Rom-I-VO unterliegen Versicherungsverträge dem Recht des Staates, in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Risiko belegen ist, soweit die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben, was im vorliegenden Fall nicht erfolgte. Art 13 Z 13 Solvabilität II-RL enthält nunmehr die Definition des Begriffes „Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist.“ Nachdem die besonderen Regelungen der lit a – c hier nicht anwendbar sind, kommt dessen lit d zur Anwendung, wonach der gewöhnliche Aufenthaltsort des Versicherungsnehmers maßgeblich ist. Im Normalfall, den diese Regelung offensichtlich vor Augen hat, stellt der Versicherungsnehmer das Ende der Vertragskette dar. Im vorliegenden Gruppenversicherungsverhältnis, beim dem der Beklagte als Gruppenversicherungsnehmer zielgerichtet versicherte Personen in einem anderen Mitgliedstaat wirbt, führte die Bestimmung seines Mitgliedstaates zu einem systemwidrigen Ergebnis. Der Gruppenversicherungsnehmer hat selbst keinen Versicherungsbedarf, er leistet keine Prämien, er hat keinen Anspruch auf Versicherungsleistung, bei ihm liegt kein Risiko. Das Interesse an der „Skiversicherung“ liegt vielmehr beim skifahrenden Verbraucher. Da Art 7 Abs 1 jedoch genau die Ermittlung jenes Ortes als Anknüpfungspunkt verlangt, in dem das Risiko belegen ist, gebietet dessen Auslegung nach dem „effet utile“ eine Abweichung von der Definition der Solvabilität II-RL. Das erkennende Gericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass in der vorliegenden Konstellation der grenzüberschreitenden Gruppenversicherung der Ort der Risikobelegung iSd Art 7 Abs 3 Rom I-VO der Wohnsitz der Verbraucher in Österreich ist.
Damit sind die angefochtenen Klauseln nach österreichischem Recht zu prüfen.
Zur Anwendbarkeit von KSchG und VersVG
Nach den Feststellungen handelt es sich bei der Skiversicherung um eine Leistung, die Vereinsmitglieder des Beklagten optional in Anspruch nehmen können. Daraus folgt, dass sie mit der eigentlichen Vereinsmitgliedschaft in keinem untrennbaren Zusammenhang steht. Der Beitritt zum Versicherungsvertrag ist ein eigenständiges Vertragsverhältnis. Der Ausschluss nach § 1 Abs 5 KSchG kommt nicht zur Anwendung. Aber selbst wenn dem nicht so wäre, gälte: „Leistungsverhältnisse, die, so sie im Verhältnis zwischen Unternehmern und Verbrauchern auftreten, im Fadenkreuz des KSchG stehen, sollen nicht deshalb unangreifbar sein, weil sie ins Kleid einer Vereinsmitgliedschaft gehüllt wurden“ (Krejci in Rummel, ABGB3 § 1 KSchG). Die inkriminierten Klauseln sind am Maßstab des KSchG zu messen.
Die angegriffenen Bestimmungen regeln inhaltlich Details des Versicherungsvertrages. Das allein macht das VersVG anwendbar.
Die einzelnen Klauseln
1. Die Mitgliedschaft und der Versicherungsschutz gelten ab dem Tag des Abschlusses für ein Jahr und verlängern sich nach Ablauf um ein Jahr und weiter von Jahr zu Jahr, wenn sie nicht mit einer Frist von drei Monaten zum jeweiligen Ablauf schriftlich gekündigt werden.
Nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sind für den Verbraucher besonders solche Vertragsbestimmungen im Sinn des § 879 ABGB jedenfalls nicht verbindlich, nach denen ein bestimmtes Verhalten des Verbrauchers als Abgabe oder Nichtabgabe einer Erklärung gilt, es sei denn, der Verbraucher wird bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen und hat zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist. Nach der stRsp ist es für die Wirksamkeit einer Verlängerungsfiktion erforderlich, dass die in § 6 Abs 1 Z 2 KSchG vorgesehene Hinweispflicht des Verwenders in die AGB oder Vertragsformblättern selbst aufgenommen wird. Muss aber in der Klausel selbst eine Frist vorgesehen werden, bei deren Beginn der Verbraucher auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen wird, dann kann dies nichts anderes bedeuten, als dass auch die Verpflichtung des Unternehmers, den Verbraucher zur betreffenden Zeit über die Bedeutung des Verbraucherverhaltens – hier eines allfälligen Schweigens – zu informieren, in die Klausel aufgenommen werden muss.
2. Nur fristgerechte Beitragszahlung gewährleistet Versicherungsschutz ohne Unterbrechung.
Nach der gebotenen verbraucherfeindlichsten Auslegung regelt die Klausel sowohl den Mitgliedsbeitrag als auch die Versicherungsprämie, ohne auf die Schutzbestimmungen des §§ 38 und 39 VersVG Rücksicht zu nehmen. Diese Bestimmung sanktioniere die nicht rechtzeitige Zahlung einer Prämie mit Leistungsfreiheit des Versicherers, jedoch nur bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen (zB Mahnung).
Damit gewinnt der Verbraucher den Eindruck, er verliere den Versicherungsschutz bei jedem Zahlungsrückstand. Dies verschleiert ihm die wahre Rechtslage; die Klausel ist intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.
3. Der Versicherungsschutz regelt sich ausschließlich nach den Bestimmungen des Gruppenversicherungsvertrages, der zwischen den Vertragsgesellschaften und DSV aktiv/FdS vereinbart ist.
Die Klausel verweist auf einen Vertrag des Beklagten mit Dritten, der dem Verbraucher erst offengelegt, nachdem er seine Willenserklärung zum Vertragsschluss bereits abgeben hat. Eine derartige „Blanco“-Zustimmung benachteiligt den Verbraucher gröblich. Die Klausel ist nichtig iSd § 879 Abs 3 ABGB.
4. Werden Leistungen oder Beiträge auch für bestehende Versicherungen zum jeweiligen Beginn eines Beitrags-/Versicherungsjahres geändert, so gelten diese als anerkannt, wenn der fällige Beitrag nach Bekanntgabe der Änderung gezahlt wird.
Die Klausel sieht eine Erklärungsfiktion vor, wonach ein faktisches Verhalten, nämlich die Zahlung, als Willenserklärung einer Zustimmung gelten soll. § 6 Abs 1 Z 2 KSchG sieht für solche Bestimmungen vor, dass der Verbraucher bei Beginn der hiefür vorgesehenen Frist auf die Bedeutung seines Verhaltens besonders hingewiesen wird und er zur Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung eine angemessene Frist zur Verfügung haben muss. Die vorliegende Klausel nimmt auf diese gesetzlichen Erfordernisse keine Rücksicht. Sie ist nichtig nach § 6 Abs 1 Z 2 KSchG.
5. Sämtliche Schadensfälle sind unverzüglich zu melden.
6. Ein Diebstahl muss zusätzlich unverzüglich auch der zuständigen Polizeidienststelle angezeigt werden.
Gemäß § 33 Abs 1 VersVG hat der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalles, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen. § 6 Abs VersVG bestimmt ua, dass Leistungsfreiheit bei Obliegenheitsverletzung nicht eintritt, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Die Klauseln 5 und 6 lassen den Verbraucher über die Rechtsfolge eines Verstoßes im Unklaren. Nach der gebotenen verbraucherfeindlichsten Auslegung entsteht bei ihm der Eindruck, ein Verstoß gegen diese Vorgaben hätte in jedem Fall die Leistungsfreiheit der Versicherer zur Folge. Das Fehlen einer Darstellung der Rechtsfolgen und die fehlende Aufklärung über die Einschränkungen des § 6 Abs 3 VersVG in Bezug auf das Verschulden verschleiern die wahre Rechtslage. Die Klausel ist intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG.
7. Für die Abwicklung von Beschädigung- und Diebstahlfällen benötigen Sie den Originalkaufbeleg.
Die Vorlage von Rechnungsbelegen im Original ist keine notwendige Voraussetzung für die Geltendmachung des Anspruchs. Die angefochtene Klausel genügt dieser unstrittigen Rechtslage jedoch nicht. Die Vereinbarung einer pauschalen Beschränkung auf Originale ist unsachlich, benachteiligt den Verbraucher (gröblich) und ist für ihn überraschend. Sie hat ua zur Folge, dass Sachen, zu denen er über keine Originalbelege verfügt, nicht versichert sind, womit der Durchschnittsverbraucher nicht rechnet. Die Bestimmung wird nach § 864a ABGB nicht Vertragsbestandteil.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 3.2.2022).
HG Wien 28.1.2022, 17 Cg 6/21w
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
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