Zum Inhalt

Urteil: 11. September 2001

Nachdem der OGH bereits in einem Verfahren einen Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag angesichts der dramatischen Terroranschläge am 11. September 2001 für zulässig erachtet hat, sieht er nun in der Frage, ob bzw. innerhalb welcher Grenzen der Rücktritt von einem Personenbeförderungsvertrag aufgrund der Unzumutbarkeit des Reiseantritts zulässig ist, keine erhebliche Rechtsfrage.

Der Klage lag die Buchung eines Fluges bei einer Fluggesellschaft am 05.09.2001 für ein Reise Wien - Miami - Wien mit Reisebeginn am 15.10.2001 zugrunde. Infolge der dramatischen Terroranschläge am 11. September 2001 in New York und Washington, welche zu einer vorübergehenden Einstellung des Flugverkehrs bis 15.09.2001 führten, stornierte der Fluggast am 27.09.2001 die für sich und seine Verlobte gebuchten Flüge. Stattdessen buchte er für den selben Zeitraum einen Flug nach Thailand. Die Fluggesellschaft behielt sich eine Stornogebühr in der Höhe von € 250,00 ein.

In Abtretung des Anspruches klagte die Bundesarbeiterkammer auf Rückzahlung der einbehaltenen Stornogebühr.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, dass nach dem 11.September die Sicherheitsvorkehrungen von der amerikanischen Luftraumbehörde drastisch erhöht worden seien. Es sei keine spezielle Gefährdung der amerikanischen Zivilluftfahrt vorgelegen, die Terrordrohungen gegen die USA wären nur allgemeiner Natur. Überdies sei der gegenständliche Fall nicht mit einer Pauschalreise vergleichbar, bei der ein ungestörter Urlaub Vertragsinhalt sei.

Auch der Berufung wurde keine Folge gegeben. Das Berufungsgericht führte aus, dass die in den Entscheidungen 8 Ob 99/99p und 1 Ob 257/01b entwickelten Grundsätze (siehe VR-Info 2/2002 ) zum Rücktritt vom Pauschalreisevertrag aufgrund des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in den Fällen der "höheren Gewalt" zwar nicht unmittelbar aber doch analog auf den vorliegenden Fall anzuwenden seien, da es sich hierbei um einen Personenbeförderungsvertrag handle. Eine wichtige Nebenverpflichtung eines solchen Vertrages sei, dass die befördernde Person unversehrt an ihren Bestimmungsort gebracht wird. Vertragsinhalt sei somit die Unterlassung einer Körperverletzung der beförderten Person durch den Beförderer. Dieser Zweck des Beförderungsvertrages sei nach dem 11.September aufgrund der erheblichen Erhöhung der Sicherheitsstandards durch die Setzung aller nur erdenklichen Maßnahmen, um weitere Terroranschläge bei einem Transport mit einem Luftfahrzeug zu vermeiden, besser gewährleistet gewesen als vor diesem Zeitpunkt. Überdies sei es dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen, dass Flugzeuge abstürzen, entführt oder als "Werkzeug" eines Anschlages genutzt werden können. Vereinzelte Terroranschläge gehörten zum allgemeinen Lebensrisiko vor denen man nicht gefeit ist.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mit der Begründung zu, dass zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei Beförderungsverträgen höchstgerichtliche Judikatur fehle und es sich im Hinblick auf die Wirkung für andere Flugreisen um eine erhebliche Rechtsfrage handle.

Das sah der OGH nicht so und wies die Revision zurück. Er sah in der Frage, ob und innerhalb welcher zeitlichen Grenzen ein derartig dramatisches Ereignis einen Rücktritt von einem Luftbeförderungsvertrag wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgrund von "höherer Gewalt" rechtfertige, eine solche des Einzelfalls. Überdies liege auch keine unvertretbare Beurteilung des Berufungsgerichts vor.

Er führte aus, dass die für den Pauschalreisevertrag entwickelten Grundsätze analog auf den Luftbeförderungsvertrag angewendet werden können und daher die Durchführung eines Luftbeförderungsvertrages - aus den beim Pauschalreisevertrag genannten Fällen "höherer Gewalt" (siehe VR-Info 2/2002 ) - für einen Fluggast unzumutbar werden kann.

Ob und innerhalb welcher Grenzen aber nun die Terroranschläge vom 11. September einen zum Rücktritt berechtigenden Fall "höherer Gewalt" darstellen, ließ der OGH unbeantwortet.

In einer Entscheidung vom 26.08.2004, 6 Ob 145/04y (VR-Info 10/2004 ) geht er allerdings davon aus, dass ein Rücktritt vom Vertrag am 15.September bei einer für den Zeitraum vom 02. bis zum 11. Oktober gebuchten Reise aufgrund der Intensität der Ereignisse durchaus gerechtfertigt ist.

OGH 15.09. 2004 9 Ob 42/04y
Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Dezember 2022 im Auftrag des Sozialministeriums die „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt, wobei 25 Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw der „Bedingungen Annullierungsvertrag“ beanstandet wurden. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes Korneuburg und erklärte alle 25 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Klauseln in AGB der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in AGB der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Belvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang