Zum Inhalt

Urteil: Ausgleichsanspruch: Fremdkörper im Flugzeugreifen ist außergewöhnlicher Umstand

Ein Flug hatte mehr als 3 Stunden Verspätung, weil im Reifen eines Flugzeuges eine Schraube entdeckt wurde. Laut EuGH ist dies ein außergewöhnlicher Umstand. Kann die Fluglinie beweisen, dass sie alles Zumutbare gemacht hat, um eine Verspätung zu vermeiden, schuldet sie den Fluggästen keine Ausgleichszahlung für diese Verspätung.

Bei einem Flugzeug wurde nach der Landung in Dublin eine Schraube in einem der Reifen entdeckt. Vor dem Weiterflug nach Düsseldorf musste der Reifen ausgetauscht werden. Der Flug hatte eine Ankunftsverspätung von drei Stunden und 28 Minuten.

Die Fluglinie lehnte das Ausgleichzahlungsbegehren iHv EUR 250,-- eines Fluggastes mit der Begründung ab, dass die betreffende Flugverspätung einem "außergewöhnlichen Umstand" iSv Art 5 Abs 3 der Fluggastrechte-VO 261/2004 geschuldet sei, aufgrund dessen das Unternehmen von seiner Ausgleichspflicht nach Art 5 Abs 1 der VO befreit sei.

Grundsätzlich hat ein Fluggast bei Annullierung oder großer - dh drei Stunden oder mehr betragender - Verspätung von Flügen einen Anspruch auf eine Ausgleichzahlung (Höhe abhängig von der Flugdistanz).

Das Luftfahrtunternehmen ist von der Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen aber befreit, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung des Fluges bzw dessen um drei Stunden oder mehr verspätete Ankunft auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und es bei Eintritt eines solchen Umstands die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat

Außergewöhnlicher Umstand

Nach stRspr des EuGH können als solche "außergewöhnliche Umstände" Vorkommnisse angesehen werden, die ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar sind.

Das vorzeitige, sogar unerwartete, Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines konkreten Flugzeugs ist ein Vorkommnis, das grundsätzlich untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden ist. Wenn jedoch die betreffende Beschädigung ausschließlich auf die Kollision mit einem Fremdkörper zurückzuführen ist - was zu beweisen Sache des Luftfahrtunternehmens ist -, kann diese Beschädigung nicht als untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden angesehen werden. Der Reifenschaden, der ausschließlich auf die Kollision mit einem Fremdkörper auf dem Rollfeld des Flughafens zurückzuführen ist, kann nicht seiner Natur oder Ursache nach als Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens angesehen werden.

Angesichts der besonderen Zwänge, denen das Luftfahrtunternehmen beim Start und bei der Landung unterliegt, die ua mit der Geschwindigkeit, mit der diese durchgeführt werden, und dem Gebot der Sicherheit der Fluggäste an Bord zusammenhängen, sowie des Umstands, dass die Instandhaltung des Rollfelds nicht in seine Zuständigkeit fällt, ist darüber hinaus dieser Umstand von ihm nicht tatsächlich beherrschbar.

Daher ist eine solche Beschädigung als "außergewöhnlicher Umstand" iSv Art 5 Abs 3 der Fluggastrechte-VO 261/2004 einzustufen.

Zumutbare Maßnahmen zur Vermeidung

Jedoch ist das Luftfahrtunternehmen bei Eintritt eines "außergewöhnlichen Umstands" von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste nur dann befreit, wenn es nachweisen kann, dass es die der Situation angemessenen Maßnahmen ergriffen hat, indem es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass dieser zur Annullierung oder zur großen Verspätung des betreffenden Fluges führt, ohne dass jedoch von ihm angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht tragbare Opfer verlangt werden könnten.

Es ist hier Sache des betreffenden Luftfahrtunternehmens, nachzuweisen, dass es alle ihm zur Verfügung stehenden personellen, materiellen und finanziellen Mittel eingesetzt hat, um zu vermeiden, dass der Austausch des durch einen Fremdkörper auf dem Rollfeld eines Flughafens beschädigten Reifens nicht zur großen Verspätung des betreffenden Fluges führt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

EuGH 4.4.2019, C-501/17 (Germanwings/Pauels)

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Unzulässige Klauseln in AGB der „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Dezember 2022 im Auftrag des Sozialministeriums die „Hüttenpartner“ Alm-, Ski-, und Wanderhüttenvermietung GmbH wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt, wobei 25 Klauseln aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw der „Bedingungen Annullierungsvertrag“ beanstandet wurden. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte nun das erstinstanzliche Urteil des Landesgerichtes Korneuburg und erklärte alle 25 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Klauseln in AGB der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in AGB der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Belvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang