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Urteil: Ausnahmesituationsklausel in Rechtsschutzversicherungen ist unwirksam

Coronabedingte Deckungsablehnungen sind zu Unrecht erfolgt – das ist die Konsequenz eines aktuellen Urteils des Handelsgerichts (HG) Wien in einem vom VKI im Auftrag des Sozialministeriums gegen die UNIQA geführten Verfahren. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Coronabedingte Reiseabsagen, Absagen von Veranstaltungen, Flugstornos, Lieferausfälle – all das ist seit Beginn der Pandemie zum Alltagsthema für viele Konsumenten geworden. Sie müssen sich nun mit der Frage beschäftigen, welche Rechtsfolgen sich daraus für sie ergeben und wie sie ihre Rechte gegebenenfalls durchsetzen. Wer dabei auf die Unterstützung durch seine Rechtsschutzversicherung zählte, wurde häufig enttäuscht. In vielen Fällen verweigerten Rechtsschutzversicherer eine Deckung unter Verweis auf die sogenannte "Ausnahmesituationsklausel". Zu Unrecht, denn nach einem Urteil des HG Wien ist die Klausel gesetzwidrig.

Die klagsgegenständliche Klausel in den Versicherungsbedingungen lautet wie folgt: "Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind."

Das HG Wien folgte der Rechtsauffassung des VKI und beurteilte die Klausel als gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB).

Nach Auffassung des Gerichts kann die Klausel nur so interpretiert werden, dass sämtliche Zusammenhänge mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung davon erfasst sind. Es kann aber nicht jeder noch so ferne Zusammenhang mit einer hoheitsrechtlichen Anordnung für einen Risikoausschluss ausreichend sein, da es sonst zu unangemessen großen Lücken im Versicherungsschutz kommen würde.

Zudem ist die Klausel aus mehreren Gründen intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG): Einem durchschnittlichen Verbraucher wird nicht klar ersichtlich, ob unter "hoheitlichen Anordnungen" nur Gesetze oder auch Verordnungen und Richtlinien, Bescheide, Erläuterungen, Erlässe etc. zu verstehen sind. Unklar bleibt auch, ob Empfehlungen der Regierung (wie etwa eine Empfehlung des Außenministeriums, auf nicht notwendige Auslandsreisen zu verzichten) davon erfasst sind und ob dies nur für hoheitsrechtliche Anordnungen von österreichischen Behörden oder auch jene von ausländischen Behörden gilt. Zudem ist das in der Klausel verwendete Wort "Ausnahmesituation" nicht eindeutig genug. Es bliebe im Einzelfall dem Versicherungsgeber überlassen, den Begriff der Ausnahmesituation zu definieren. Somit ist es dem Verbraucher nicht möglich, die Tragweite der Klausel zu durchschauen. Die Klausel ist daher unwirksam.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 19.11.2020).
HG Wien 07.11.2020, 30 Cg 24/20m
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung:
Das Urteil hat den ersatzlosen Wegfall der Klausel zur Folge und entzieht dem Versicherer die Möglichkeit, Deckungsablehnungen unter Berufung auf die Ausnahmesituationsklausel vorzunehmen. Viele andere Versicherer verwenden idente oder dem Inhalt nach vergleichbare Klauseln.

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