Die Klägerin war Fluggast eines von der beklagten Fluglinie durchgeführten Fluges von Wien nach St. Gallen/Altenrhein (Schweiz). Bei der Landung zeichnete der Flugschreiber eine vertikale Belastung von 1,8 g auf. Eine solche Landung kann subjektiv als hart empfunden werden. Sie lag aber auch unter Berücksichtigung einer Messtoleranz aus luftfahrttechnischer Sicht (noch) im normalen Betriebsbereich des Flugzeugs, der nach den Vorgaben des Flugzeugherstellers bis zu einer Belastung von 2 g reicht. Ein Fehlverhalten des Piloten konnte nicht festgestellt werden. Aus flugtechnischer Sicht ist am Flughafen St. Gallen/Altenrhein wegen der alpinen Lage eine härtere Landung sicherer als eine zu weiche.
Die Klägerin behauptet, bei der Landung einen Bandscheibenvorfall erlitten zu haben, und begehrt unter Berufung auf Art 17 Montrealer Übereinkommen (MÜ) Schadenersatz. Die "harte" Landung sei ein Unfall iSv Art 17 MÜ. Nach Art 17 MÜ hat der Luftfrachtführer hat den Schaden durch eine Körperverletzung zu ersetzen, wenn sich der Unfall, durch den die Körperverletzung verursacht wurde, an Bord des Luftfahrzeugs ereignet hat. Nach dieser Bestimmung haftet der Beförderer ohne Rücksicht auf sein Verschulden. Haftungsvoraussetzung nach Art 17 Abs 1 MÜ ist ein durch einen "Unfall" hervorgerufener Personenschaden (Tod oder Körperverletzung); das Unfallereignis muss conditio sine qua non für den Schaden sein. Entscheidend ist daher das Vorliegen eines "Unfalls". Dieser Begriff wird im Übereinkommen nicht definiert.
Die Beklagte wandte ein, die Landung sei im normalen Betriebsbereich des Flugzeugs erfolgt. Es handle sich daher um ein typisches Ereignis während eines Fluges, nicht um einen Unfall iSv Art 17 MÜ.
Der OGH legte nun dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob eine harte, aber noch im normalen Betriebsbereich des Flugzeugs liegende Landung, die zur Verletzung eines Fluggasts führt, ein Unfall iSv Art 17 Abs 1 MÜ ist.
Der OGH selbst tendiert dazu, dass es sich bei einem Unfall iSv Art 17 MÜ nicht nur um ein von außen kommendes, plötzliches und aus Sicht des Fluggasts unerwartetes, sondern auch um ein unvorhersehbares, also ein objektiv ungewöhnliches Ereignis handeln. Damit wären Schäden nicht zu ersetzen, die durch Ereignisse eintreten, die zum normalen und vorhersehbaren Betrieb des Flugzeugs gehören. Eine harte Landung sei demnach nur dann als Unfall einzustufen, wenn die vom Hersteller vorgegebenen Grenzwerte für die Belastung von Fahrwerk und tragenden Teilen deutlich überschritten würden. Ereignisse, die (noch) zum Normalbetrieb eines Flugzeugs gehören, führen typischerweise nicht zu einer Körperverletzung, und zwar auch dann nicht, wenn sie plötzlich und unerwartet eintreten. Kommt es dennoch zu einer Verletzung, so wird regelmäßig eine besondere Disposition des Fluggasts vorliegen, die als weitere Schadensursache zum Ereignis hinzutritt. Diese Disposition fiele dann nicht in den Risikobereich der Fluggesellschaft. Diese Auslegung des Begriffs "Unfall" bewirke einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen des Fluggasts und der Fluglinie, verhindere eine Uferlosigkeit der Haftung.
OGH 30.1.2020, 2 Ob 138/19m