Zum Inhalt

Urteil: Datenschutzrechtlicher Schadenersatzanspruch bei Gericht einklagbar

In einer Klage von Max Schrems gegen die Facebook Ireland Limited hat nun der OGH ausgesprochen, dass die ordentlichen Gerichte bei Schadenersatzansprüchen aus Datenschutzverletzungen zuständig sind.

Der OGH verweist auf seine vor ein paar Monaten ergangene Entscheidung 6 Ob 131/18k, in der er ausgesprochen hat, dass der Löschungsanspruch (somit ein anderer als ein bloßer Schadenersatzanspruch) - unabhängig von der Übergangsbestimmung des § 69 Abs 4 DSG - auch im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden könne; dem stehe § 29 Abs 1 DSG, der sich auf Schadenersatzansprüche bezieht, nicht entgegen, weil sich diese Bestimmung auf Art 82 DSGVO beziehe, der wiederum als Ergänzung zum nationalen Schadenersatzrecht, als eine Art lex specialis eines datenschutzrechtlichen Schadenersatzrechts zu sehen sei.

Parallelzuständigkeiten
In der Literatur wird die Doppelgleisigkeit der Rechtsschutzmöglichkeiten weitgehend bejaht. Im Gesetzgebungsprozess auf europäischer Ebene hat Österreich als einziger Staat gegen die Verabschiedung der DSGVO gestimmt, weil durch die Parallelität der Rechtsschutzmöglichkeiten die Gefahr von sich widersprechenden gerichtlichen Entscheidungen in derselben Sache entstehe und eine Verletzung des Grundsatzes "res iudicata" im Raum stehe. Gerade diese Episode der Gesetzwerdung spricht aber dafür, dass die DSGVO vom EU-Gesetzgeber gewollt eine Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes normiert. In welchem Verhältnis Art 77, 78 und Art 79 zueinander stehen, regelt die DSGVO nicht.

Daran ändern die Erläuterungen im Bericht des Verfassungsausschusses ("Neue Klagen können bei den ordentlichen Gerichten [§ 5 Abs 4 DSG 2000] ab dem 25. Mai 2018 generell nicht mehr eingebracht werden; stattdessen ist der Antrag an die Datenschutzbehörde zu richten.") nichts, da einerseits dem Gesetzeswortlaut selbst der offenbar vom Gesetzgeber intendierte Ausschluss des Zivilrechtswegs nicht zu entnehmen ist, andererseits die DSGVO unmittelbare Geltung hat und unmittelbar anwendbar ist, weshalb der DSGVO widersprechende nationale Regelungen infolge des Vorrangs des EU-Rechts unangewendet bleiben müssen.

Nach ständiger Rechtsprechung und herrschender Lehre ist aus Art 94 Abs 1 B-VG das Gebot abzuleiten, eine Angelegenheit zur Vollziehung entweder gänzlich den Gerichten oder den Verwaltungsbehörden zuzuweisen. Das Verbot von Parallelzuständigkeiten verpflichtet den Gesetzgeber dazu, objektiv erfassbare Kriterien für die Zuständigkeit des einen oder des anderen Vollzugsorgans aufzustellen. Zulässig ist es aber, einen Lebenssachverhalt in mehrere Aspekte aufzuspalten, dh es darf in ein und derselben Angelegenheit der Verwaltungsbehörde die bescheidmäßige Feststellung des Vorliegens eines Tatbestandselements, dem Gericht dagegen die Feststellung des Vorliegens anderer Voraussetzungen übertragen werden.

§ 24 Abs 1 DSG sieht vor, dass jede betroffene Person das Recht auf Beschwerde bei der Datenschutzbehörde hat, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO oder gegen § 1 oder Artikel 2 1. Hauptstück DSG verstößt, wobei nach Abs 2 Z 5 die Beschwerde das Begehren, die behauptete Rechtsverletzung festzustellen, zu enthalten hat. Nach den Gesetzesmaterialien soll diese Bestimmung das Recht auf Beschwerde nach Art 77 DSGVO umsetzen.

Dies könnte im vorliegenden Fall dafür sprechen, dass die vom Kläger geltend gemachten Feststellungsbegehren auch in einem Verfahren vor der Aufsichtsbehörde geltend gemacht werden könnten. Daraus ist aber für den Rechtsstandpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen, weil dem EU-Recht auch Vorrang vor der Verfassung der Mitgliedstaaten zukommt. Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keines Eingehens auf die Frage, ob das österreichische Verfassungsrecht einen integrationsfesten Kern aufweist, weil der Umstand, dass dem Kläger gegebenenfalls mehrere Rechtsschutzmöglichkeiten bei verschiedenen innerstaatlichen Stellen offenstehen, wobei jedoch jeweils eine nachprüfende Kontrolle der Entscheidung durch unabhängige Gerichte gewährleistet ist, jedenfalls keine Verletzung eines derartigen unverzichtbaren Kerns des österreichischen Verfassungsrechts darstellt.

Zuständigkeit
Nach § 29 Abs 2 Satz 1 DSG ist für Klagen auf Schadenersatz in erster Instanz das mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen betraute Landesgericht zuständig, in dessen Sprengel der Kläger (Antragsteller) seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz hat. Den Erläuterungen ist nicht zu entnehmen, ob damit für Wien eine Eigenzuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen normiert wurde oder ob lediglich die sachliche Zuständigkeit an das funktionell zuständige Landesgericht verwiesen wurde. Eine systematische Interpretation spricht für eine Eigenzuständigkeit des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien. Das Handelsgericht Wien ist nicht zuständig.

OGH 23.5.2019, 6 Ob 91/19d

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Unzulässige Klausel zum Kundendatenabgleich bei Sky Österreich

Der VKI hatte die Sky geklagt, nachdem diese ihren Kund:innen angekündigt hatte, personenbezogene Daten mit der Österreichischen Post abgleichen zu wollen. Der OGH wertete die zugrundeliegende Vertragsbedingung und zwei weitere Datenschutzklauseln von Sky für unzulässig.

Klausel zur Abrechnung von Datenvolumen bei A1-Marke „Bob“ unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die A1 Telekom Austria AG (A1) wegen einer Klausel in den Entgeltbestimmungen des Tarifs minibob geklagt. Dort wurde festgelegt, dass die Abrechnung in ganzen Blöcken zu je einem Megabyte (MB) pro Session erfolgen sollte. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte nun die Rechtsansicht des VKI, dass eine solche Verrechnungsklausel unzulässig ist. Es blieb vollkommen unklar, wie eine Session definiert sein soll.

Urteil: Irreführende „5G-Ready“-Werbung von T-Mobile

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat im Auftrag des Sozialministeriums den Telekommunikationsanbieter T-Mobile wegen irreführender Bewerbung der „5G-Ready“-Tarife geklagt und bekam nun vom Handelsgericht (HG) Wien Recht: Nach Auffassung des Gerichts erweckt die Werbung den unrichtigen Eindruck, Kunden könnten bei den mit „5G-Ready“ beworbenen Tarifen bereits den Kommunikationsstandard 5G nutzen. Tatsächlich handelte es sich bei „5G-Ready“ lediglich um eine Option, die es dem Kunden ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt ohne Vertragsverlängerung und Zusatzkosten auf einen 5G-fähigen Tarif zu wechseln, sobald dieser verfügbar ist. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Urteil: A1-Kundenhotline: Keine Zusatzkosten für Anrufe bei vorhandenen Freiminuten

Der VKI klagte - im Auftrag des Sozialministeriums - A1 wegen einer unzulässigen Geschäftspraktik und einer unzulässigen Klausel. Das OLG Wien bestätigte dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke "Georg"), dass in Tarifen inkludierte Freiminuten auch zur Helpline gelten müssen. Zudem muss es auch Internetkunden möglich sein, dass sie die bestehende Hotline zum Grundtarif erreichen können.

Urteil: Gesetzwidrige Kosten bei A1-Hotline

Das HG Wien gab dem VKI im Verfahren gegen A1 (Marke Georg) recht, dass inkludierte Freiminuten auch zur Georg Helpline gelten müssen und auch Internetkunden eine Hotline zum Grundtarif zur Verfügung gestellt werden muss.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang