Die Reisenden buchten bei der beklagten Fluglinie einen Direktflug von Helsinki nach Singapur und zwar für den 11.Oktober 2013. Dieser Flug wurde aufgrund eines in der Maschine aufgetretenen technischen Problems annulliert. Die Reisenden akzeptierten daraufhin einen Flug am nächsten Tag (s Art 8 Abs 1 Fluggastrechte-VO), mit dem sie am 13. Oktober um 17.25 Uhr am Ziel gewesen wären. Wegen eines technischen Gebrechens der Maschine verzögerte sich jedoch ihr Alternativflug. Sie kamen daher in Singapur am 14. Oktober 2013 um 00:15 Uhr an, dh der Alternativflug hatte eine Verspätung von mehr als 6 Stunden, sohin mehr als 3 Stunden.
Die Airline zahlte den Fluggästen zwar je 600 Euro für den ausgefallenen ersten Flug, verweigerte aber eine Entschädigung für die Verspätung auf der Alternativstrecke und berief sich zum einen auf "außergewöhnliche Umstände" und zum anderen darauf, dass Fluggäste, deren Flug annulliert wurde, bei Verspätung des dann angebotenen Alternativflugs keine Ausgleichszahlung zustünde.
Doppelte Entschädigung
Aus Art 3 Abs 2 lit b Fluggastrechte-VO 261/2004 ergibt sich, dass die Fluggastrechte-VO ua auf den Fall anwendbar ist, dass ein Fluggast vom Luftfahrtunternehmen infolge der Annullierung seines gebuchten Fluges auf einen Alternativflug zu seinem Endziel verlegt wurde. Die VO enthält keine Bestimmung, mit der die Rechte der Fluggäste, die anderweitig befördert werden, beschränkt werden sollen; das gilt auch für ihren Ausgleichsanspruch.
Der EuGH führte daher aus: Ein Fluggast, der wegen der Annullierung eines Fluges eine Ausgleichszahlung erlangt hat und den ihm angebotenen Alternativflug akzeptiert hat, hat Anspruch auf eine Ausgleichszahlung wegen Verspätung des Alternativflugs hat, wenn diese Verspätung eine Anzahl von Stunden beträgt, die zu einer Ausgleichszahlung berechtigt, und das den Alternativflug ausführende Luftfahrtunternehmen dasselbe ist wie das des annullierten Fluges.
Außergewöhnliche Umstände
Ein Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Als solche außergewöhnliche Umstände werden Vorkommnisse angesehen, die 1) ihrer Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens sind und 2) von ihm tatsächlich nicht beherrschbar sind (kumulative Bedingungen). Technische Mängel, die sich bei der Wartung von Flugzeugen zeigen, als solche können grundsätzlich keine außergewöhnlichen Umstände darstellen.
Der Defekt eines sogenannten On-condition-Teils, auf dessen Austausch sich das Luftfahrtunternehmen durch ständiges Vorrätighalten eines Ersatzteils vorbereitet hat, ist ein Vorkommnis, das seiner Natur oder Ursache nach Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm tatsächlich zu beherrschen ist. Etwas anderes gilt nur dann, wenn ein solcher Defekt nicht untrennbar mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden ist. Das hat das vorlegende Gericht zu prüfen. Ein Luftfahrtunternehmen kann sich daher für die Befreiung von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen, die mit dem Defekt eines sogenannten On-condition-Teils zusammenhängen.
EuGH 12.3.2020, C-832/18 (Finnair)