Zum Inhalt

Urteil: Entschädigung nach Flugverspätung bei Zwischenlandung in Drittstaat

Die Fluggastrechte-VO gilt auch für eine Fluggastbeförderung, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Union mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst.

Eine Konsumentin schloss mit Royal Air Maroc einen Luftbeförderungsvertrag in Gestalt einer einzigen Buchung ab, die ihr ermöglichte, von Berlin (Deutschland) nach Agadir (Marokko) zu reisen, und die eine Zwischenlandung in Casablanca (Marokko) mit einem Wechsel des Fluggeräts vorsah.

In Casablanca wurde ihr von Royal Air Maroc die Beförderung nach Agadir mit der Begründung verweigert, dass ihr Sitzplatz anderweitig vergeben worden sei. Die Konsumentin flog schließlich mit einer anderen Maschine der Royal Air Maroc und erreichte Agadir vier Stunden später als ursprünglich vorgesehen.
Die Konsumentin  begehrte eine Ausgleichsleistung wegen dieser Verspätung. Royal Air Maroc lehnte eine Leistung jedoch ab, weil Frau Wegener keinen Ausgleichsanspruch nach der Fluggastrechte-Verordnung (Nr. 261/2004) habe.

Gem Art 3 Abs 1 lit a der Fluggastrechte-VO gilt diese VO für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug antreten.

Im gegenständlichen Fall erfolgte die Fluggastbeförderung aus zwei Flügen aufgrund einer einzigen Buchung. Der Abflugort beim ersten Flug (Berlin) war im Gebiet eines Mitgliedstaates, während Abflugs- und Ankunftsort beim zweiten Flug Flughäfen im Gebiet eines Drittstaats waren. Ein Flug wie der zweite, der vollständig außerhalb der Union erfolgt ist, fällt nicht unter die Fluggastrechte-VO, wenn er als gesonderter Beförderungsvorgang angesehen wird. Wird hingegen eine Beförderung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende als Gesamtheit mit Abflugsort in einem Mitgliedstaat angesehen, ist die Verordnung anwendbar.

Der Begriff "Endziel" wird in Art 2 lit h der Fluggastrechte-VO definiert als der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges des betreffenden Fluggasts. Aus dem Begriff "letzter Flug" folgt, dass der Begriff "direkte Anschlussflüge" so zu verstehen ist, dass er zwei oder mehr Flüge bezeichnet, die für die Zwecke des in der Fluggastrechte-VO vorgesehenen Ausgleichsanspruchs von Fluggästen eine Gesamtheit darstellen. Eine solche Gesamtheit liegt vor, wenn zwei oder mehrere Flüge Gegenstand einer einzigen Buchung waren.

Ein Beförderungsvorgang wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist somit als ein Flug mit Anschlussflügen anzusehen. Er unterliegt somit Art 3 Abs 1 lit a der Fluggastrechte-VO. Daran ändert es auch nichts, dass der zweite der beiden im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Flüge mit einem anderen Fluggerät erfolgte als der erste Flug. Die Fluggastrechte-VO enthält keine Bestimmungen, wonach die Einstufung als Flug mit Anschlussflügen davon abhängt, dass alle Flüge, die der Flug umfasst, mit demselben Fluggerät erfolgen.

Zusammengefasst gilt die Fluggastrechte-VO  auch für eine Fluggastbeförderung, die aufgrund einer einzigen Buchung erfolgt und zwischen dem Abflug von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats und der Ankunft auf einem Flughafen im Gebiet eines Drittstaats eine planmäßige Zwischenlandung außerhalb der Union mit einem Wechsel des Fluggeräts umfasst.

EuGH 31.5.2018, C-537/17, Wegener-Royal Air Maroc

Anmerkung:

Nach der Fluggastrechte-VO können Fluggäste bei einer Annullierung oder einer Verspätung von mindestens drei Stunden  bei der Ankunft einen  Anspruch  auf  eine Ausgleichsleistung haben. Die Höhe dieses Anspruches richtet sich nach der Entfernung:

  • 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger (a),
  • 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km (b),
  • 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen (c).

Das Urteil im Volltext.

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Unzulässige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Belvilla AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die Bellvilla AG (Belvilla), ein Schweizer Unternehmen im Bereich der Ferienunterkunftvermietung, wegen 25 Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen geklagt. Da Belvilla zu der für den 19.3.2024 anberaumten Verhandlung nicht erschienen ist, erging über Antrag des VKI ein (nicht rechtskräftiges) Versäumungsurteil.

Gesetzwidrige Klauseln eines Pauschalreiseveranstalters

Die Bundesarbeiterkammer klagte ein Reiseveranstaltungsunternehmen; dieses veranstaltet insbesondere Maturareisen in Form von Pauschalreisen. Im Verbandsverfahren wurden alle 11 eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Unzulässige Klauseln in Entschädigungsbedingungen der WESTbahn

Der VKI hat Westbahn wegen drei Klauseln in ihren Entschädigungsbedingungen abgemahnt, ua. eine Klausel, die einen Höchstbetrag von EUR 80 für das Hotel im Fall einer Übernachtung wegen Ausfall, Verspätung oder Versäumnis des letzten Anschlusses am selben Tag vorsieht. Die Westbahn hat zu allen Klauseln eine Unterlassungserklärung abgegeben.

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

Rückerstattungsklauseln bei SWISS sind gesetzwidrig

In der EU haben Fluggäste eine Vielzahl an Schutzrechten. Bei gestrichenen Flügen kommt es dennoch öfter zu Problemen. Rückzahlungen kommen mitunter nicht bei den Verbraucher:innen an. Bei einigen Fluglinien regeln eigene Klauseln, wie eine Rückerstattung erfolgen soll – so auch bei der Swiss International Air Lines AG (SWISS). Drei dieser Rückerstattungsklauseln wurden vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) im Auftrag des Sozialministeriums beanstandet. Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat die Ansicht des VKI jetzt bestätigt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Weitere Klauseln von Laudamotion unzulässig

Der VKI hatte die Laudamotion GmbH wegen insgesamt 24 Klauseln aus deren Allgemeinen Beförderungsbedingungen geklagt. Bereits in der 2.Instanz wurden vom OLG Wien 19 Klauseln rechtskräftig für unzulässig befunden. Nun erklärte der OGH 4 weitere Klauseln für gesetzwidrig.

OGH: EasyJet verweigerte zu Unrecht die Beförderung

Die Fluggesellschaft EasyJet UK Limited („EasyJet“) verweigerte einem irakischen Staatsbürger zu Unrecht – wie der Oberste Gerichtshof (OGH) nunmehr rechtskräftig entschied – die Beförderung von Wien nach London. Obwohl seine Ehefrau den Flug in Anspruch nehmen hätte können, stellte die Beförderungsverweigerung ihres Ehemannes auch einer Beförderungsverweigerung ihr gegenüber dar.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang