Zum Inhalt

Urteil: EuGH - Ausländische Unternehmen vom Inland aus klagen

Verbandsklagen, die auf Unterlassung gesetzwidriger Klauseln gerichtet sind, können auch dann gemäß Art 5 Z 3 EuGVÜ bei einem österreichischen Gericht eingebracht werden, wenn das beklagte Unternehmen seinen Sitz im Ausland hat.

Strittig war, ob für eine Verbandsklage des VKI - im Auftrag des BMJ - gegen gesetzwidrige Klauseln in den AGB eines deutschen Unternehmers die Zuständigkeitsbestimmung des Art 5 Z 3 EuGVÜ anzuwenden ist und die Klage in Österreich anhängig gemacht werden kann.

Unternehmen Karl Heinz Henkel geklagt

Zur Vorgeschichte: Der VKI hat im Jahr 1999 das Unternehmen Karl Heinz Henkel wegen zahlreicher rechtswidriger Klauseln in einem Reiseanmeldungsformular zunächst abgemahnt und in weiterer Folge mangels Abgabe einer Unterlassungserklärung geklagt. Die Gegenseite veranstaltet unter der nicht protokollierten Bezeichnung "Pro Sana" Werbefahrten für verschiedene Produkte und bot den Konsumenten auf diesen Werbefahrten auch die Buchung von Pauschalreisen an.

EuGH zur Frage nach dem Gerichtsstand

Die Bestimmung des Art 5 Z 3 EuGVÜ sieht einen Gerichtsstand in einem anderen Staat als dem Wohnsitz des Beklagten vor, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. In diesem Fall kann vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, geklagt werden.

Verbandsklage gegen gesetzwidrige AGB

Bei den Verbandsklagen nach § 28 KSchG handelt es sich um einen genau geregelten Unterlassungsanspruch gegen eine "unerlaubte Handlung", nämlich das Verwenden gesetzwidriger AGB. Unserer Meinung nach konnte der Anspruch daher aus dieser Handlung abgeleitet werden. Judikatur dazu gab es freilich nicht.

Weg durch die Instanzen

Das Handelsgericht Wien hatte unsere Klage mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gerichtsstand des Art 5 Z 3 EuGVÜ für eine Verbandsklage nach § 28 KSchG nicht gegeben sei. Wir haben gegen den Zurückweisungsbeschluss Rekurs erhoben und ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH angeregt. Das OLG Wien folgte unserer im Rekurs vorgetragenen Argumentation und bejahte die Anwendbarkeit des Art 5 Z 3 EuGVÜ für das Verbandsklagsverfahren nach dem KSchG. Dagegen erhob wiederum der Beklagte Revisionsrekurs an den OGH, der letztendlich beschloss, die Frage der Zuständigkeit und der inländischen Gerichtsbarkeit einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zu unterwerfen.

Der EuGH hat zu unseren Gunsten entschieden. Er bejahte die Zuständigkeit österreichischer Gerichte und begründete dies wie folgt:

Keine vertragliche Beziehung

Im Ausgangsfall bestehe zwischen dem Verbraucherschutzverein und dem Gewerbetreibenden keine vertragliche Beziehung. Eine Verbandsklage gemäß § 28 KSchG habe daher nicht einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Art 5 Z 1 EuGVÜ zum Gegenstand. Vielmehr sei die Verbandsklage auf eine Haftung des Beklagten wegen einer unerlaubten Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist (nämlich die Verwendung gesetzwidriger Klauseln), gerichtet. Der Begriff des schädigenden Ereignisses in Art 5 Z 3 des Brüsseler Übereinkommens sei weit zu verstehen und erfasse daher im Bereich des Verbraucherschutzes nicht nur Sachverhalte, in denen ein Einzelner einen individuellen Schaden erleidet sondern u.a. auch Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln.

Prozess am Ort der Schädigung

Die Wirksamkeit solcher Unterlassungsklagen wäre erheblich beeinträchtigt, wenn diese Klagen nur im Staat der Niederlassung des Gewerbetreibenden erhoben werden könnten. Hingegen bestehe zwischen der Streitigkeit und den Gerichten des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten sei, eine besonders enge Beziehung. Schon aus Gründen einer geordneten Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses sei daher die Zuständigkeit dieser Gerichte gerechtfertigt.

Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Vergleichsangebot von Aurena beseitigt laut OLG Graz die Wiederholungsgefahr

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums insgesamt 27 Klauseln aus den AGB der Aurena GmbH – einem Veranstalter von Online-Versteigerungen – abgemahnt. Die Aurena GmbH war in Folge bereit, zu 22 Klauseln eine Unterlassungserklärung abzugeben, bestritt aber die Gesetzwidrigkeit der übrigen fünf Klauseln, woraufhin der VKI eine Verbandsklage einbrachte. Zentrales Thema im Verfahren um diese Klauseln war die Frage, ob Verbraucher:innen bei einem Kauf im Rahmen einer Auktion der Aurena GmbH ein Rücktrittsrecht haben. In den AGB wurde ein solches Rücktrittsrecht ausgeschlossen. Während das LG Leoben dem VKI zur Gänze recht gab und die fünf eingeklagten Klauseln für gesetzwidrig erklärte, war das OLG Graz als Berufungsgericht der Ansicht, dass die von der Aurena GmbH angebotene Unterlassungsverpflichtung trotz der vorgenommenen Einschränkung die Wiederholungsgefahr beseitigen würde. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist rechtskräftig.

„Zufriedenheits“-Garantie

„Zufriedenheits“-Garantie

Eine „gewerbliche Garantie“ kann sich auch auf subjektive Umstände der Verbraucher:innen wie die in ihr Belieben gestellte Zufriedenheit mit der erworbenen Ware beziehen, ohne dass das Vorliegen dieser Umstände für die Geltendmachung der Garantie objektiv geprüft werden müsste.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang